Österreich bekommt nun das lange diskutierte Erneuerbare Ausbau Gesetz (EAG). Was steht drin? Wer profitiert, was wurde noch abgeändert?

Photovoltaik-Anlage
Photovoltaik wird in Österreich massiv ausgebaut, um die Energiewende zu schaffen. Foto: sentiero-starmühler

Das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz (EAG) hat eine wichtige Hürde genommen. Der Nationalrat erteilte am 7.7.2021 mit den Stimmen von ÖVP, SPÖ, Grünen und NEOS seine Zustimmung zum von der Regierung vorgelegten Gesetzespaket. Zuvor hatten die Abgeordneten auf Drängen der SPÖ noch einige Änderungen vorgenommen, damit wurde nicht zuletzt die notwendige Zweidrittelmehrheit sichergestellt. 

100 Erneuerbare Energie ab 2030
Mit dem EAG und begleitenden Gesetzesänderungen soll der Ausbau erneuerbarer Energieträger in Österreich vor dem Hintergrund des Pariser Klimaschutzabkommens weiter vorangetrieben werden. Ziel ist es, den heimischen Stromverbrauch ab dem Jahr 2030 zu 100% aus erneuerbaren Energiequellen abzudecken und Österreich bis 2040 klimaneutral zu machen. Umweltministerin Leonore Gewessler sprach in diesem Sinn von "einem großen Tag für den Klimaschutz".

Weitere Novelle beschlossen
Das neue Förderregime für Ökostrom muss allerdings auch noch vom Bundesrat und teilweise auch von der EU-Kommission gebilligt werden. Ergänzend zum EAG-Paket hat der Nationalrat eine Novelle zum Umweltförderungsgesetz beschlossen – sie sieht insbesondere die Integration der Fernwärmeförderung in das Umweltförderungsgesetz vor.

Was änderte sich nun im Vergleich mit den bisherigen EAG-Entwürfen?

Hier ist übrigens der Text abrufbar: EAG

Neue Förderungen für Fernwärme
Darüber hinaus ist vorgesehen, die bestehende Warteliste bei Förderansuchen im Fernwärmebereich abzubauen, was die Bereitstellung von rund 100 Mio. € an Fördermittel zur Folge hat, wie Lukas Hammer (Grüne) erklärte. Außerdem werden in den nächsten zehn Jahren jährlich bis zu 30 Mio. € für einen weiteren Ausbau des Fernwärme- und Fernkältenetzes bzw. für Dekarbonisierungsmaßnahmen in diesem Bereich zur Verfügung gestellt und die Fernwärmeförderung in das Umweltförderungsgesetz integriert. In diesem Zusammenhang haben ÖVP, SPÖ und Grüne auch einen umfassenden Abänderungsantrag zur Novelle zum Umweltförderungsgesetz eingebracht, der ebenfalls bei den Abstimmungen berücksichtigt wurde.

Neu: 550.000 Haushalte zahlen weniger
Überwiegend positive Reaktionen kamen auch von Seiten der Abgeordneten, wobei sich die SPÖ insbesonders auch über die Entlastung sozial schwacher Haushalte bei der Ökostrom-Pauschale und die zusätzlichen Fördermittel für Fernwärme erfreut zeigte. Demnach sollen künftig 550.000 Haushalte keine oder nur eine reduzierte Abgabe zahlen. Kritik kommt hingegen von der FPÖ: Ihrer Meinung nach gefährdet das Gesetzespaket den Wirtschaftsstandort Österreich, zudem sieht sie eine "Kostenlawine" auf die Bevölkerung zukommen.

So sieht die Entlastung sozial schwacher Haushalte aus:
Der im Zuge der Beratungen von ÖVP, SPÖ und Grünen gemeinsam eingebrachte und bei der Abstimmung mitberücksichtigte Abänderungsantrag soll unter anderem sicherstellen, dass sozial schwache Haushalte durch die mit der Stromrechnung vorgeschriebene Ökostrom-Pauschale nicht übermäßig belastet werden. So sind künftig mehr Haushalte als bisher zur Gänze von der Abgabe befreit, wobei als maßgebliches Kriterium die GIS-Gebührenbefreiung festgelegt ist. Zudem wurde für weitere einkommensschwache Haushalte ein Kostendeckel von 75 € zulasten der übrigen Endverbraucher verankert. Übersteigen die Kosten der Ökostrom-Pauschale 100 € pro Haushalt, müssen auch Unternehmen anteilig mitzahlen.

Förderungen für grünes Gas und Wasserstoff
Zudem werden auch erneuerbares Gas und Wasserstoff in das Förderregime aufgenommen und regulatorische Freiräume ("Sandboxes") zur Förderung innovativer Ansätze festgelegt. Bestimmte Projekte wie Wasserkraftwerke an wertvollen Gewässerstrecken mit sehr gutem ökologischen Zustand sind allerdings von Förderungen ausgeschlossen.

Energiegemeinschaften auch österreichweit möglich
Geschaffen werden mit der Sammelnovelle darüber hinaus gesetzliche Grundlagen für private – nicht vorrangig gewinnorientierte – Energiegemeinschaften. Damit sollen Privathaushalte und kleine Betriebe motiviert werden, selbst Strom aus erneuerbaren Energiequellen zu erzeugen und zu begünstigten Konditionen mit anderen Teilnehmern der Gemeinschaft zu teilen. Weitere Änderungen betreffen die – beschränkte – Einbeziehung von Energiegemeinschaften in das Marktprämienmodell.

„Regionalität als Qualitätsmerkmal“
Klara Dimmel von den eFriends in Nappersdorf (NÖ), die mehrere Energiegemeinschaften betreuen: „Positiv ist, dass durch die neuen Möglichkeiten einer Netzkostenersparnis auch Endverbraucher angesprochen werden, bei denen der positive Aspekt für die Umwelt erst an zweiter Stelle kommt. Durch die künftig transparenten "Nahverhältnisse" der Prosumer und Consumer, kann die Regionalität nun wie am Marktplatz ein Preis und Qualitätsmerkmal werden.“

E-Gemeinschaften mit vielen Pflichten und wenig Rechten
Klara Dimmel (eFriends) weiter: „Abzuwarten bleibt hingegen, ob die gesetzlichen Voraussetzungen, die aktuell leider 1:1 von ElWOG §16a, dem direkten „Vorgänger“ von Bürger- und/oder erneuerbaren Energiegemeinschaften übernommen wurden, noch nachgebessert werden. Die teils sehr bürokratischen und technischen Voraussetzungen, die einen Anlagenbetreiber zu einem „kleinen Energielieferante“ mit wenig Rechten aber vielen Pflichten machen, könnten den Erfolg aktuell leider deutlich trüben. Wir arbeiten mit Hochdruck daran, dass wir mit eFriends ein einfaches Modell mit hoher Kundenakzeptanz anbieten und die Energiewende gemeinsam zum Erfolg führen.“

Netzpläne verpflichtend
Ebenso gehören die Erstellung eines integrierten österreichischen Netzinfrastrukturplans, die Überarbeitung der Herkunftskennzeichnung für Strom und Gas, die Einrichtung einer EAG-Förderabwicklungsstelle, ein vereinfachter Netzzugang für Ökostromanlagen sowie die Vorschreibung eines "Dekarbonisierungspfads" zur Erhöhung des Anteils erneuerbarer Energie bzw. von Abwärme im Bereich der Fernwärme- und Fernkälteversorgung zum umfangreichen Paket.

Gleiche Förderungen für Agri-Photovoltaik
In einigen Punkten adaptiert wurden außerdem die Förderbestimmungen. So sollen Förderabschläge für Photovoltaik-Anlagen auf nicht versiegelten Flächen zur Gänze entfallen können, wenn es möglich ist, die betroffenen Flächen mit nur geringfügigen Beeinträchtigungen weiterhin landwirtschaftlich zu nutzen. Ähnliche Privilegien gelten für Deponieflächen und Bergbaugebiete. Damit sind die sogenannten Agri-PV-Projekte leichter zu fördern (bisher wären nur Zuschüsse mit Abschlägen möglich gewesen).

Vorgaben für kleine Photovoltaik-Anlagen
Der Marktpreis-Mechanismus bevorzugt große PV-Anlagen bis 250 MWpeak Leistung. Unklar ist, wie sich die kleineren PV-Anlagen bei Ausschreibungen halten können (hier werden Verordnungen Klarheit bringen).

Der Gesetzestext über die Voraussetzungen unter denen kleinen Anlagen teilnehmen können, lautet so: 

Allgemeine Förderungsvoraussetzungen
§ 10. (1) Durch Marktprämie förderfähig ist die Erzeugung von Strom aus ...

(3.) neu errichteten Photovoltaikanlagen mit einer Engpassleistung von mehr als 10 kWpeak sowie Erweiterungen von Photovoltaikanlagen um eine Engpassleistung von mehr als 10 kWpeak, wenn die Anlage
a) auf oder an einem Gebäude oder einer baulichen Anlage, das oder die zu einem anderen Zweck als der Nutzung von Solarenergie errichtet wurde, oder
b) auf einer befestigten Fläche, Eisenbahnanlage, Deponie oder Abfallentsorgungsanlage oder
c) auf einer landwirtschaftlich genutzten Fläche oder einer Fläche im Grünland mit einer speziell für die Errichtung einer Photovoltaikanlage vorgesehenen Widmung
errichtet wird oder ist. Eine speziell für die Errichtung einer Photovoltaikanlage vorgesehene Widmung (lit. c) ist nicht erforderlich, wenn die insgesamt installierte Engpassleistung auf der betreffenden Fläche 100 kWpeak nicht überschreitet.

Investitionszuschüsse für Biogas 
Überdies wird die Möglichkeit geschaffen, Förderungen an ökosoziale Kriterien wie faire Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten oder eine regionale – europäische – Wertschöpfung bei Komponenten zu knüpfen. Weitere Änderungen betreffen  Investitionszuschüsse für Biogas- und Wasserstoffanlagen, den integrierten Netzinfrastrukturplan und Fragen der Preistransparenz.

Grüne: Größte Revolution seit der Industrierevolution
In der Debatte hob Lukas Hammer (Grüne) die Tragweite des EAG-Pakets hervor und sprach von einer "grünen Energierevolution". "Wir geben diesem Land ein neues Betriebssystem und starten in die Klimaneutralität", meinte er. Mit dem Paket werde "die größte Revolution seit der Industrierevolution eingeleitet". Künftig würde zur Stromgewinnung nur "ewige Energie" genutzt und keine Ressourcen des Planeten verbraucht.

ÖVP erwartet sich Schaffung neuer Arbeitsplätze
Ähnlich positiv bewertete auch die ÖVP das Gesetzespaket. Die langen Verhandlungen hätten sich ausgezahlt, "wir haben das beste Ergebnis erreicht", sagte Energiesprecherin Tanja Graf. Künftig werde es nur noch sauberen Storm "Made in Austria" geben. Jede Technologie erhalte ihren eigenen Fördertopf, auch werde es künftig nicht nur auf Dächern, sondern auch auf versiegelten Flächen und auf Flächen mit Agrardoppelnutzung Photovoltaikanlagen geben.

„Energiegemeinschaften sind Herzstück“
Als ein Herzstück des Gesetzes wertete Graf außerdem die Energiegemeinschaften: Jedes Haus und jedes Unternehmen könne vom Stromkonsumenten zum Stromproduzenten werden und sich gleichzeitig zwei Drittel der Netzgebühr sparen. Klar ist für Graf, dass erst die Ökostrom-Pauschale die Energiewende möglich macht.

„2 Millionen Photovoltaik-Anlagen und 1.200 Windräder“
Auf die Bedeutung des Pakets zur Schaffung neuer Arbeitsplätze machte Peter Haubner (ÖVP) aufmerksam. Ihm zufolge braucht es 2 Millionen Photovoltaik-Anlagen und 1.200 Windräder um das Ziel zu erreichen, 27 Terrawatt Strom aus erneuerbaren Energiequellen zu gewinnen.

SPÖ: Energiewende darf nicht zu Lasten sozial schwacher Haushalte gehen
Zur Energiewende bekannten sich auch die SPÖ-Abgeordneten Alois Schroll und Julia Herr. Der SPÖ sei es aber stets wichtig gewesen, dass diese fair ausgestaltet und sozial ausgewogen sei, sagte Schroll. Der Ausbau von Ökostrom dürfe nicht zu einer zusätzlichen Belastung sozial schwacher Haushalte führen.

„Zehntausende Jobs entstehen“
Durch den Abänderungsantrag wurde Schroll zufolge sichergestellt, dass die Stromrechnung für Haushalte und für KMU in den nächsten Jahren "nicht explodiert". Wer von GIS-Gebühren befreit sei, zahle auch keine Ökostrom-Pauschale, dazu komme der 75-€-Deckel für einkommensschwache Haushalte, skizzierte er. Ausdrücklich begrüßt wurde von ihm auch der Ausbau der Fernwärmeförderung. Herr wies ergänzend darauf hin, dass durch die geplanten Investitionen zehntausende Jobs entstehen würden, die in der Krise dringend gebraucht werden.

FPÖ befürchtet Bodenaustrocknung durch Windkraft
Harsche Kritik am Gesetzespaket kam von der FPÖ. Dieses sei sowohl in ökonomischer als auch in ökologischer Hinsicht nicht gelungen, sagte Axel Kassegger. Für Kassegger ist es nicht einsichtig, warum man Österreich "mit riesigem Aufwand" von einem Land der Wasserkraft zu einem Land der Photovoltaik und der Windräder machen wolle. Konkret befürchtet er, dass landwirtschaftliche Nutzflächen hektarweise verbaut werden. Zudem könnten Windräder zu einer Austrocknung der Böden führen, auch sei deren Entsorgung schwierig.

Neuland mit und für Energiegemeinschaften
Neuland wird laut Gewessler mit den Energiegemeinschaften betreten. Es handle sich um eines der progressivsten Modelle Europas, hielt sie fest. Das Paket ist ihrer Einschätzung nach überdies "sozial treffsicher". Zudem würde durch die Forcierung von "grünem Gas" und "grünem Wasserstoff" auch ein erster Schritt in Richtung einer umweltfreundlichen Industrie gesetzt.

Um Verzögerungen zu vermeiden, würden einige Punkte des Pakets gleich in Kraft treten, erläuterte Gewessler, andere erst nach Zustimmung der Europäischen Kommission.

1 Milliarde Euro pro Jahr
Konkret sieht das Gesetzespaket, das neben dem Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz auch begleitende Änderungen in zahlreichen weiteren Gesetzen wie dem Elwog umfasst, vor, in den kommenden Jahren bis zu 1 Mrd. € pro Jahr an Förderungen für umweltfreundliche Stromerzeugung bereitzustellen, wobei neben maßgeschneiderten Marktprämien für die einzelnen Energieträger wie Photovoltaik und Windkraft auch Investitionszuschüsse, etwa für die Umrüstung von Anlagen oder die Erweiterung von Stromspeichern, in Aussicht genommen sind.

(hst)

 

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