Drosselungen, Ausbaubegrenzungen und Wartezeiten – verschlafen Österreichs Stromnetze gerade die Energiewende?

Gebäude mit viel Photovoltaik in Helfenberg (OÖ) – vorbildlich aber nicht mehr möglich. Foto: Herbert Starmühler

Jüngst machte eine ORF-Meldung unangenehme Furore: In Oberösterreich könne der Strom aus erneuerbarer Energie nicht mehr abtransportiert werden. Die Kapazitäten des vorhandenen Stromnetzes werden „bis zum letzten Kilowatt – teilweise schon darüber hinaus“ ausgenutzt, deshalb komme es nun zu ersten größeren Einschränkungen für die Einspeisung aus privaten Photovoltaikanlagen in sieben Umspannwerken in Oberösterreich.

Erst jetzt wird viel investiert – Änderungen gehen nur langsam vor sich

Bestehende Anlagen könnten weiter wie bisher betrieben werden, teilt die „Netz Oberösterreich GmbH“ mit. Man habe bereits Maßnahmen ergriffen, um die Engpässe im Stromnetz zu beseitigen, wird betont. Diese seien aber in der Regel „Operationen am offenen Herzen der Stromversorgung“ und entsprechend langwierig und aufwendig. In den kommenden Jahren sollen zwei Milliarden Euro in den Netzausbau investiert werden.

So wird das nichts mit der Energiewende, heißt es bei vielen Ausbauwilligen. Denn auch in anderen Bundesländern sei man netztechnisch „am Limit“. So ist in vielen Regionen Niederösterreichs für PV-Ausbauwillige nur eine kleine Anlage von maximal 4 Kilowatt Nennleistung erlaubt, mehr nimmt das Netz Niederösterreich nicht an.

Energiesystem wird wieder zentraler, Windkraft prioritär

Das hat Folgen für die Motivation des Erneuerbaren Ausbaus: Das System wird wieder zentraler, die vielbeschworene „Bürgerenergiewende“ oder „Energiewende von unten“ lahmt. Große Einheiten wie Windparks oder Freiflächenanlagen, die ohnehin mit dem Aus- oder Umbau von Umspannwerken einhergehen, werden anscheinend bevorzugt. So sagte Eduard Köck, der Bürgermeister der Waldviertler Gemeinde Thaya (NÖ), kürzlich bei einer Veranstaltung: „Wenn wir hier im Bezirk sagen, wie wollen keine Windräder, dann wird der Netzbetreiber hier lange nichts machen“. Man müsse davon ausgehen, dass dann anderswo prioritär das Netz ausgebaut werde, weil dort große Erzeugungsanlagen angeschlossen werden. (Zitiert aus der Wochenzeitung NÖN).

Aktuell nur mehr 4 KW statt 30 kW Einspeiseleistung genehmigt

Weiter heißt es da: „Das habe durchaus Folgen für Haushalte und Betriebe, die Photovoltaikanlagen errichten und überschüssigen Strom ins Netz einspeisen wollen. So werde aktuell nur mehr eine Einspeiseleistung von 4 kW genehmigt, im Vorjahr waren es noch 30 kW.“ (NÖN-Bericht Woche 37/2023). 

Dezentrale Energiewende wird dadurch unmöglich

Der Bürgermeister hat also offenbar vom Netzbetreiber die Information, dass die (zentralisierte) Windkraft favorisiert wird und die (dezentrale) Photovoltaik nur in Minianlagen gebaut werden darf. Doch das ist einerseits hinterfragbar, weil prinzipiell allen Bürgern und Bürgerinnen gleiche Zugangsrechte zum Netz gegeben werden müssten und andererseits weil solche kleinen Anlagen längst der Vergangenheit angehören sollten: Heute baut man meistens Anlagen von 10 bis 30 kWp auf die geeigneten  Dächer. Kleinstanlagen bis 4 kW sind relativ teuer und können die höheren Stromverbräuche von E-Heizungen und E-Autos fast gar nicht decken.

Begrenzungen in Kärnten

Die Netzproblematik wirft nun tatsächlich die Pläne der Energiewende über den Haufen. Lange angekündigt wurde sie nun Realität. In Kärnten gibt es ebenfalls schon Beschränkungen. Die Kleine Zeitung berichtete: PV-Anlagen könnten zwar immer ans Kärntner  KNG-Netz angeschlossen werden – allerdings kann nicht immer die gesamte Leistung eingespeist werden, Begrenzungen seien möglich, so die KNG, die Netzbetreiberin.

Investitionen in der Steiermark

Bei den Energienetzen Steiermark seien Einschränkungen bei der PV-Einspeisung wie in Oberösterreich kein Thema, wenngleich auch die steirischen Branchenvertreter einmal mehr auf die Notwendigkeiten des Netzausbaus verweisen, schreibt die Kleine Zeitung: „Wir investieren in den kommenden Jahren mehr als 1,5 Milliarden Euro in den Ausbau und die Verstärkung der Stromnetze“, betont Urs Harnik, Konzernsprecher der Energie Steiermark.

Maximale Einspeisung muss erst geprüft werden

Doch eine Anfrage beim Portal der Energie Steiermark ergab ein differnzierteres, eher unklares, Bild: Auf unsere Anfrage nach der Maximalen Größe von Dachanlagen hieß es im Chat: „Maximale Einspeiseleistung wird nicht bekanntgegeben. Bitte gehen sie auf unsere Home Page und informieren Sie sich dort über das Einspeiserportal: https://www.e-netze.at/Strom/Erzeugungsanlagen/Default.aspx. Alle Eingaben werden dann von unseren Technikern geprüft und falls die gewünschte kW Leistung zu hoch wäre, werden Sie danach selbstverständlich auch informiert.“

Artikel über PV in Oberösterreich auf 0rf.at

(hst)

 

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