Flugzeuge bleiben leer, der internationale Handel gerät unter Druck – das sind die Folgen des neuen Coronavirus, das derzeit das öffentliche Leben lahmzulegen droht. Deshalb sollten sich derzeit natürlich alle Anstrengungen darauf konzentrieren, seine Verbreitung einzudämmen und zu verlangsamen.
Situation wird komplizierter
Doch ausgerechnet zu einer Zeit, zu der es besonders wichtig wäre, entschlossen gegen den Klimawandel vorzugehen, macht das Coronavirus die Situation komplizierter. Das Virus könnte so den Klimawandel am Ende sogar noch verstärken. Das sind einige mögliche Auswirkungen:
Kapital für Energieprojekte fehlt
Wenn die Kapitalmärkte einfrieren, wird es schwierig für Unternehmen, sich das nötige Kapital für laufende Solar-, Wind- oder Batteriespeicherprojekte zu beschaffen. Neue Projekte auf den Weg zu bringen, wird noch schwieriger.
Die Ölpreise sind eingebrochen, zum einen wegen eines Preiskrieges zwischen Russland und Saudi-Arabien, zum anderen wegen des Coronavirus. Günstige Spritpreise könnten dazu führen, dass sich Elektroautos – die ohnehin schon teurer sind – schlechter verkaufen. Auch die Tesla-Aktie bekam diese Befürchtungen bereits zu spüren, sie verlor zeitweise 14 Prozent an Wert.
Energie-Produkte aus China
Ein sehr großer Teil der Solarmodule, Windkraftanlagen und Lithium-Ionen-Batterien für Elektroautos und Großspeicher stammen aus China. Wenn sich die Produktion dort verlangsamt oder der Export von Komponenten durch Flugverbote eingeschränkt wird, hat das Folgen für Unternehmen aus der ganzen Welt. Gleichzeitig könnte sich der Ausbau der Erneuerbaren auch in China selbst verlangsamen.
Ablenkung vom Klimawandel
Auch die wachsende Sorge um die eigene Gesundheit und die eigene finanzielle Situation könnte die öffentliche Aufmerksamkeit vom Klimawandel ablenken. Zwar ist das Interesse daran gerade bei der jungen Generation im letzten Jahr stark gestiegen. Auch für den Durchschnittswähler ist das Thema wichtiger geworden, was den Druck auf die Politik erhöht. Wenn jetzt eine Wirtschaftskrise droht und sich der Einzelne primär um seine Gesundheit sorgt, droht das Thema zunächst in den Hintergrund zu geraten.
Warum es auch Hoffnung gibt
Trotzdem ist klar: Die Ausbreitung des Virus so gut es geht zu verhindern, sollte gerade unsere höchste Priorität sein. Es gibt aber auch Faktoren rund um die aktuelle Krise, die sich positiv auf den Kampf gegen den Klimawandel auswirken könnten. Wenn zum Beispiel der Ölpreis niedrig bleibt, könnten langfristige Investitionen in erneuerbare Energien für große Energieunternehmen interessanter werden. Möglich ist auch, dass manche Länder gerade diesen Sektor jetzt verstärkt mit Konjunkturhilfen unterstützen, was sich ebenfalls positiv auswirkt.
Heimarbeit und Videokonferenzen
Wenn Verbraucher aus Angst vor dem Coronavirus weiterhin Flugreisen und Kreuzfahrten meiden, könnte dies durchaus zu langfristigen Verhaltensänderungen führen. Es ist auch möglich, dass Heimarbeit oder virtuelle Konferenzen sich dauerhaft etablieren. Vielleicht führt unsere Reaktion auf das Virus uns auch vor Augen, dass wir als Gesellschaften durchaus fähig sind, auf klimafreundlichere Verhaltensweisen umzustellen, wenn wir die Bedrohung nur als groß genug einschätzen.
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Dieser Kommentar von Ajaz Shah erschien beim Fachportal energyload.eu