Wie ein Wiener Bürohaus so raffiniert saniert wurde, dass daraus ein Passivhaus mit Goldplakette wurde.

Die Sozialversicherung in der Kundmanngasse: Doppelfassade und PV am Dach. Foto: Wolfgang Thaler

Nach umfassender Sanierung erstrahlt der Dachverband der Sozialversicherungsträger in der Kundmanngasse 21 im 3. Wiener Gemeindebezirk in neuem Glanz. Das Bauprojekt entspricht als eines der wenigen Bürohochhäuser Österreichs dem „EnerPHit Plus“-Passivhaus-Standard. Für die hohe energetische und ökologische Qualität der Sanierung wurde das Projekt zudem mit der klimaaktiv GOLD-Plakette des Klimaschutzministeriums (BMK) ausgezeichnet.

Wesentliches Element: Die Photovoltaik
Aus einem internationalen Wettbewerb gingen die Architekten Chaix & Morel et associés (Paris) und Arch. DI Christian Pichler (Wien) als Sieger hervor. Sie haben als wesentliches architektonisches Merkmal die Photovoltaik-Anlagen mit fast 150 kWp auf den Flachdächern von Hauptgebäude und Zubau als „fünfte Fassade“ konzipiert. Mit den Bauarbeiten wurde im Februar 2018 begonnen, die Fertigstellung erfolgte im Dezember 2019.

Quaderförmige Baukörper
Das Gebäudeensemble besteht aus spürbar artverwandten Teilen: Einfache, quaderförmige Baukörper greifen ineinander und nehmen die Baufluchten des Umfelds auf. Die Piazza wurde für Passanten, Beschäftigte und Konferenzbesucher geöffnet. Ein an das Hochhaus anschließendes Nebengebäude mit sieben oberirdischen Geschoßen wurde abgerissen. An dessen Stelle wurden Zubauten errichtet, die ein Restaurant und ein Konferenzzentrum beherbergen. Jährlich werden hier etwa 3000 Weiterbildungsveranstaltungen durchgeführt.
Das sanierte Bestandsgebäude ist eine Stahlbetonkonstruktion, bestehend aus 16 oberirdischen und drei unterirdischen Geschossen mit einer Gesamt-Bruttogeschoßfläche von ca. 25.750 m2. Es stehen 465 Büroarbeitsplätze zur Verfügung.

klimaaktiv c Dachverband der SozialversicherungstraegerDoppelfassade mit hinterlüfteter Prallscheibe
Die Gebäudehülle wurde vom Erd- bis ins 3. Obergeschoß durch eine energetisch optimierte Pfosten-Riegelfassade ersetzt. Die darüberliegenden Geschoße erhielten eine Element-Doppelfassade mit hinterlüfteter Prallscheibe, die vor starken Winden schützt. Der sommerliche Wärmeeintrag wird durch Außenverschattung mittels gewölbten und perforierten Raffstores, die windgeschützt zwischen der Dreischeibenisolierverglasung und der Prallscheibe liegen, minimiert. Die helle Fassade reflektiert das Licht so, dass die angrenzende Schule sowie das Wittgensteinhaus eine neue Tageslichtsituation erhalten.

Fernwärme und Elektrospeicher
Das Gebäude ist an das Fernwärmenetz angeschlossen. Die Vorlauftemperaturen der einzelnen Heizkreise werden in Abhängigkeit von der Außentemperatur geregelt. Die Warmwasserbereitung in den Küchen und WCs der Bürobereiche erfolgt durch elektrisch betriebene Untertischspeicher, was aufgrund der geringen Leitungslängen Verteilverluste minimiert.

Effiziente Heiz-/Kühldecken
Der Kühlbedarf wird zentral durch zwei Kältemaschinen mit je 463 kW Leistung sowie mit zwei am Dach situierten Glykolrückkühlern gedeckt. Als Abgabesystem werden die Heiz- bzw. Kühldecken verwendet. Zusätzlich kommt ein Nachtlüftungssystem zum Einsatz, sobald die Außentemperatur geringer als die Innentemperatur des Gebäudes ist. Diese Methode ist zur Temperaturabsenkung der Speichermassen des Gebäudekerns sehr effektiv und erfordert dabei nur minimalen Energieeinsatz. Der Kühlenergiebedarf kann somit reduziert werden.

Auch die Monitore werden gemonitort
Die Geräteausstattung wurde ebenfalls energetisch optimiert, z.B. werden ausschließlich Monitore mit einer sehr niedrigen Leistung von 9 W verwendet. Die Arbeitsplatzbeleuchtung erfolgt über LED-Stehleuchten. Dadurch können nicht nur Betriebskosten, sondern auch die interne Abwärme auf ein Minimum reduziert werden.

Rotationswärmetauscher bringen 80 % zurück
Die Lüftungsanlagen gewinnen mit Rotationswärmetauschern 80% der Wärme und Feuchte zurück. Die Steuerung erfolgt bedarfsgerecht, abhängig vom CO2-Gehalt der Abluft. Hohe Behaglichkeit für die GebäudenutzerInnen ist somit sehr effizient möglich. Die beiden Photovoltaikanlagen auf dem Bestandsgebäude und auf dem Zubau produzieren mit 436 Modulen bei einer Anlagenleistung von 148,24 kWp einen Jahresertrag von rund 162.000 kWh.

Nach der Sanierung werden fast 110 kWh/m2a an nicht erneuerbarer Primärenergie eingespart. Der Heizwärmebedarf kann um ca. 1,6 Millionen kWh/a reduziert werden, das bedeutet, dass jährlich über 430 Tonnen CO2 eingespart werden. Das Gebäude wird nun zwei Jahre lang einem Monitoring unterzogen, um die Haustechnik noch weiteroptimieren zu können.

Zwei Jahre Sanierung
Bei der Inbetriebnahme im Februar 2020 war das Gebäude des Dachverbands der österreichischen Sozialversicherungen, ein in den 1970er Jahren errichtetes Verwaltungsgebäude, kaum mehr wiederzuerkennen. Das Bestandsgebäude in der Wiener Kundmangasse wurde innerhalb von zwei Jahren generalsaniert und um Zubauten ergänzt, die ein Restaurant sowie ein Konferenzzentrum beherbergen. Das modernisierte Bürogebäude stellt auf einer Gesamt-Bruttogeschoßfläche von ca. 25.750 m2 insgesamt 465 Arbeitsplätze zur Verfügung und entspricht dabei höchsten ökologischen und energetischen Maßstäben. Der Dachverband und die Pensionskasse der österreichischen Sozialversicherungen haben die neuen Büroräumlichkeiten bereits bezogen, drei weiterer Geschoße werden künftig vermietet.

Leuchtturmprojekt
„Soziale Sicherheit, Umweltschutz und Nachhaltigkeit gehen Hand in Hand. Unser neues, altes Gebäude zeigt eindrucksvoll dieses Zusammenspiel. Das generalsanierte Haus in der Kundmanngasse 21 ist ein Leuchtturmprojekt“, so Peter Lehner, Vorsitzender der Konferenz der Sozialversicherungsträger.

Klimaaktiv GOLD-Standard
Für die energieeffiziente Ausführung, die ausgeklügelte Fassadendämmung und den minimierten Energieverbrauch konnte eine Zertifizierung nach GREENPASS Certification Optimierung Silber sowie der klimaaktiv GOLD-Standard (mit 996 von 1000 Punkten) erreicht werden. Darüber hinaus wurden bei der Umsetzung des Leuchtturmprojekts die geplante zweijährige Bauzeit und die Baukosten eingehalten. Damit darf sich der Dachverband der österreichischen Sozialversicherungen über eine gelungene Sanierung freuen, die zeigt, dass nachhaltige Kriterien und Wirtschaftlichkeit im Bausektor bestens miteinander vereinbar sind.

Bauherrschaft: Dachverband der österreichischen Sozialversicherungen
Architektur: Atelier d’architecture Chaix & Morel et associés / Christian Anton Pichler ZT GmbH
Bauphysik: Schöberl & Pöll GmbH
Haustechnik: ZFG - Projekt GmbH/ TB Eipeldauer + Partner GmbH
Generalunternehmer: ARGE Östu Stettin - HABAU
Plausibilitätsprüfung: pulswerk GmbH

kond.BGF: 15152 m²
HWB: 19.77 kWh/m²EBFa gemäß PHPP
PEB: 87.3 kWh/m²EBFa
CO2: 19.3 kgCO2/m²EBFa
Blower Door Test (n50-Wert): 0.48 h-1
Raumluftmessung VOC 300 µg/m³ < Summe VOC ≤ 500 µg/m³
Formaldehyd ≤ 0,06 mg/m³ (Formaldehyd ≤ 0,05 ppm)

klimaaktiv-Punkte: 996 von 1000
Weiterführende Informationen: www.klimaaktiv.at

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