Schnellschuss oder Durchbruch? Im Windschatten der Atomdebatte hat Wirtschaftsminister Mitterlehner heute den Entwurf zur Ökostromnovelle vorgelegt. Der Förderstau soll abgebaut werden, allerdings unter einer Bedingung: empfindliche Einschnitte bei den Tarifen.
Europa verzeichnete 2010 einen PV-Zubau von 14,7 GW, das sind 81% der weltweiten Neuinstallationen.
Grundsätzlich soll die jährliche Förderung für die Unterstützung neuer Ökostrom-Anlagen von 21 Millionen auf jährlich 30 Millionen Euro erhöht werden. Das heißt, dass die Errichter und Betreiber von Ökostromanlagen über 13 Jahre (bei rohstoffabhängigen Anlagen bis 15 Jahre) mit garantierten Einspeisetarifen von den Konsumenten (Haushalte, Betriebe) unterstützt werden.

100 Millionen zum Abbau des Förderstaus
Zum Abbau der bestehenden Warteliste bei der Einreichungsstelle OeMAG soll nach dem Inkrafttreten der Novelle ein zusätzliches Volumen von insgesamt rund 97 Millionen Euro zur Verfügung stehen. Dafür werden allerdings Tarife angeboten, die unter den aktuellen Einspeisetarifen liegen.

PV: Warten oder verzichten
Bei der Photovoltaik liegen derzeit 3.700 Anträge vor, die mit dem alten Modell bis zum Jahr 2023 brauchen würden, bis sie in den Genuss einer Förderung kommen würden. Daher können alle Anträge, die bis Ende 2010 eingereicht worden sind, zu einem Tarif von 30 Prozent unter dem jetzt gültigen Einspeisetarif vorgereiht und abgewickelt werden. Das betrifft 3.150 Anträge, die Entscheidung, ob er dieses Angebot annimmt oder weiter wartet, liegt beim Projektwerber.

Abstriche bei der Windkraft
Bei der Windkraft sind derzeit 152 Anträge in der Warteschleife, die bei einer Abwicklung im bestehenden System bis zum Jahr 2015 reichen würde. Zum Abbau dieser Liste soll der Tarif für die Vorreihung um vier Prozent von 9,7 auf 9,3 Cent pro KWh gesenkt werden. Die Warteliste bei Kleinwasserkraft wird durch zusätzliche, einmalige Investitionszuschüsse von rund 20 Millionen Euro abgebaut werden. Das betrifft 219 Anlagen.

PV "backt weiter kleine Brötchen"

Damit es künftig nicht wieder zu Wartelisten kommt, wird das Fördersystem umgestellt und transparenter. Die einzelnen Technologien bekommen fixe Töpfe zugeteilt: Von den 30 Millionen Euro an jährlichem Fördervolumen für neue Anlagen sind das für die Photovoltaik drei Millionen Euro (statt bisher 2,1 Millionen). Bei Wind sind es 14 Millionen Euro, bei Kleinwasserkraft 3,5 Millionen Euro und bei fester und flüssiger Biomasse sowie Biogas neun Millionen Euro pro Jahr. Gleichzeitig sollen die Tarife rascher als bisher an die Marktpreise und die technologische Entwicklung angepasst werden.

Gemischte Reaktionen
Der Verband Erneuerbare Energie Österreich erkennt in der vorgelegten Novelle "erste Schritte in die richtige Richtung".
Präsident Josef Plank: „Wir begrüßen, dass im Zuge der Gesetzesnovelle dieser Rückstau an Projekten erst einmal abgebaut werden soll.“ Der vorgeschlagenen Vorgehensweise zum Abbau dieses Staus stehe die Branche aber skeptisch gegenüber. „Wir können einem nachträglichen Drehen an Tarifen für Projekte, die bereits unter anderen Voraussetzungen eingereicht wurden, nichts abgewinnen. Dazu gibt es sicher noch umfassenden Gesprächsbedarf!“ Zum weiteren Vorgehen äußerte sich Plank: „Mit Hochdruck muss nun an einer vernünftigen und zukunftsorientierten Novellierung des Gesetzes gearbeitet werden, damit es noch vor dem Sommer zu einem Beschluss im Parlament kommt.“

"Enttäuschend"
Deutlichere Worte findet die IG Windkraft: "Dass der Minister nach zahlreichen konstruktiven Vorgesprächen nun so etwas vorlegt, ist absolut enttäuschend. Unsere zentralen Forderungen bleiben unberücksichtigt. Die präsentierten Eckpunkte sind unausgegoren", kritisiert Mag. Stefan Moidl, Geschäftsführer der IG Windkraft, Mitterlehners heute präsentierten Vorschlag für eine Ökostrom-Novelle. Mit einem Tarif von 9,7 Cent seien Projekte an sehr guten Standorten realisierbar, bei einer Absenkung auf 9,3 Cent fiele ein beträchtliches Ausmaß an Potential weg.
Moidl: "Dieser Entwurf verabschiedet sich endgültig vom weltweit für den Boom der erneuerbaren Energien verantwortlichen System der Abnahmepflicht zu fixen Tarifen. De facto ist für die Zukunft ein Ausschreibungssystem geplant. Jährlich soll es nur mehr zwei Calls geben, bei denen man einen Antrag stellen kann. Wer nicht zum Zug kommt, gelangt auch nicht in eine Reihung. Aus Investorensicht ist dies untragbar."

"Nicht praxisgerecht"
"Einen Schritt in die richtige Richtung“, sieht auch Horst Jauschnegg, Vorsitzender des Österreichischen Biomasse-Verbandes. Allerdings kritisiert auch er die nachträglichen Kürzungen. „Tarifabschläge im Nachhinein fu?r bereits eingereichte Projekte und das geplante Ausschreibungsmodell mit unterjährigen Tarifabschlägen machen eine sorgfältige Projektplanung unmöglich. Bleiben fu?r einen Bewerber im Antragsjahr keine Gelder u?brig, muss er den Projektantrag ohne Reihung im darauf folgenden Jahr neu stellen. Bis zu einem halben Jahr kann die Projekt-Vorbereitungsphase dauern und zigtausende Euros kosten, wodurch von einer Planungs- und Investitionssicherheit mit dem vorliegendem Entwurf absolut nicht gesprochen werden kann“, gibt Jauschnegg zu bedenken. „Aus diesem Grund warten wir die Begutachtungsphase ab und werden unsere Verbesserungsvorschläge noch einbringen, denn dieser Vorschlag ist nicht praxisgerecht.“

Deckel bleibt
Besonders enttäuscht zeigte erwartungsgemäß der Bundesverband Photovoltaik Austria: "Obwohl es der Minister mehrfach angekündigt hat, ist der Deckel für Photovoltaik nicht beseitigt worden. Ein kontinuierlicher Ausbau ist bei der Tarifsenkung um 30% kaum möglich," erklärte Hans Kronberger.

Kommentar: Die 100 Millionen-Euro-Blase
Kommentar: Ökostromschlag

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bmwfj.gv.at
eeoe.at
igwindkraft.at
biomasseverband.at
pvaustria.at



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