GLOSSE – Nur mit den letzten Reserven an Gelassenheit gelingt manchmal die Ladung eines Elektroautos. In the Middle of Germany.

Endlich: Der Stecker steckt, die Mühe hat sich gelohnt. Foto: H. Starmühler

Nein, man kann nicht von einem Lost Place reden. Speyer ist eine 50.000 Einwohnerstadt in der hübschen Weinbauregion der Pfalz, mit dem mutmaßlich größten romanischen Dom der Welt.

Und es hat sehr bemühte Hoteliers. Daher hat man auch in dem einen, dessen Namen wir hier verschweigen wollen, eine Ladesäule für E-Autos vor das Hotel gestellt. Bravo! Zwar nur eine, mit zwei 22 kW-Pistolen, aber immerhin.

Und deshalb bekam die Herberge nach telefonischer Erkundigung auch den Zuschlag: Von weit herkommend, wollte der Gast über Nacht dort verweilen und die Batterie seiner Dienstkarosse währenddessen aufladen. Denn am nächsten Morgen sollte es gleich wieder long distance weitergehen.

Die erste Kräuselung der Stirnfalten stellte sich allerdings bei der Ankunft ein: Abends, müde und von Frankreich kommend, von dort gewöhnt, Ladesäulen mit der Kreditkarte zu aktivieren, wollte keine Hochstimmung aufkommen, als die Rezeptionistin meinte, man möge sich eine bestimmte App downloaden, um Zugang zur Ladesäule zu bekommen. Die Ladesäule gehört nämlich gar nicht dem Hotel, sie wurde von der Stadtverwaltung installiert. Und dafür benötige man eben die App eines Fremdanbieters.

Dem Gast, hungrig und spät dran für die Küchen rundherum, schwante Böses. Keine Sorge, meinte die überaus freundlich junge Dame am Empfang. Nur die APP herunterladen, sich registrieren, Zahlungsmodalitäten bekanntgeben, schon könne man laden. Der Reisende zückte, in banger Erwartung, das mobile Telefon. Es begab sich, dass in demselben nur noch 4 % Batterieladung vorrätig waren (man hatte ja nicht mir der Ladeprozedur gerechnet).

Alles kein Problem, das kann doch nicht so schwer werden, rufen Sie schon mal beim Griechen an bitte, wir kommen gleich zum Essen! Die App downloaden, willkommen geheißen werden und los geht's: Adressen-Eingabe, Lademodalitäten eingeben und dann: Welches Auto fahren sie? Wofür braucht das eine Ladesäulen-App? Nächste Frage: Welche Farbe hat das Auto? Nicht möglich! Noch 3 % Batterie und kein „Jetzt nicht“-Button bei diesen Fragen.

Man will noch so wichtige Dinge wie Baujahr und Batterie-Größe abfragen, bevor die Fragefolter ein Ende hat: „Wir gratulieren Ihnen zu Ihrem Auto!“ verhöhnt die App den Depp, als der sich der Gast hier gerade fühlt.

1%

Kreditkarten zücken. Ja, Mehrzahl. Die erste nimmt das APP-System nicht an, bei der zweiten scheint's zu klappen. Die Rezeptionistin immer daneben, zunehmend verzweifelt wie der Gast, aber ruhiger, besonnener. Die App schickt uns im Kreis. Wir gehen raus zur Säule, halten das Handy ans Glas (völlig irre) und bekommen – keine müde kWh – der Stecker lässt sich nicht mal von der Säule trennen.

Aus.

Der Gast übergibt Nerven und Schicksal an seine Frau, die nun ihrerseits die APP downloaded – same procedure as bevor. Der Mann saust ins Zimmer im fünften Stock und holt das Ladekabel für das Mobiltelefon chinesischer Bauart.

Unten, zurück am Hotel-Empfang, kann nun immerhin das Handy geladen werden. Ein Erfolg?

Das wird heute wohl nix mehr mit dem Autoladen. Muss aber, morgen geht es weiter, für neue Ladesäulensuchen in Speyer fehlt der Sprit im Akku. 

Nein, man habe keine andere Strombuchse am Hotel außen. Nirgendwo. Nix. Beteuert die Rezeptionistin – und dann auch der telefonisch befragte Geschäftsführer. Nicht sehr hilfreich. Was tun?

Mit dem letzten Rest der Gelassenheit unterdrückt der Gast seinen zusammenbrechenden Glauben an das Gute im Allgemeinen und die E-Mobilität im Besonderen. Seit einer halben Stunde versuchen drei Menschen hier eine Ladesäule zu aktivieren.

Und dann – das Unmögliche geschieht. Der gefühlt neunzehnte Anmeldeversuch hat Erfolg, die Gattin ist, wie so oft, der Joker (die Jokerin). Die Säule, lächelt sie hintersinnig?, gibt den Ladestecker Nr 1 frei, das Elektromobil, mittlerweile schon am Verdursten, streckt die Buchse förmlich entgegen. Einstecken, das Klackern der Kontakte hören, die Anzeige anstarren: Nicht zu glauben ER LÄDT!

Ende gut alles gut, sogar der Wirt hat eine Extraschicht eingelegt.

Nur der Gast bleibt verwundert über dieses Deutschland zurück: Er war ja gerade aus Frankreich gekommen, von einem Hotel mit 16 Ladepunkten, wovon 4 mit 150 kW Leistung Vollgas beim Laden geben können. Und mit simplem hinhalten eine Bankomatkarte umstandslos Stecker und Strom herausgeben.

Herbert Starmühler 

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