Kommentar von Herbert Starmühler
Herausgeber energie:bau Magazin

KOMMENTAR - Energie ist zu ernst um sie den Marktmechanismen noch länger zu überlassen.

Den börsennotierten Stromkonzernen und -netzbetreibern können Regierungen kaum mehr Vorschriften machen. Foto: Herbert Starmühler

So gut wie sämtliche der Ziele der Strommarkt-Liberalisierung sind verfehlt worden. Durch die Entstaatlichung der Stromkonzerne wollte man den „teuren Apparat“ entschlacken, ineffektive Pfründewirtschaft beschleunigen und moderne Verwaltungen mit billigerem Strom bewerkstelligen. Der Markt sollte es richten.

Der Prozess, nicht zuletzt von der EU-Kommission vorangetrieben, hieß Deregulierung, Liberalisierung und Entflechtung der Kombination von Netz und Erzeugung.

Das Projekt ist, so kann man nach rund 20 Jahren sagen, phänomenal gescheitert:

  • Der Strom ist so teuer wie noch nie.
  • Die wenigen Konzerne werden unermesslich reich. es haben sich Oligopole nach russischem Vorbild gebildet.
  • Die Verbindung zwischen Netz und Erzeugern ist eng wie vorher.
  • Der Ausbau Erneuerbarer Energie geschieht GEGEN den Willen der Konzerne.
  • Demokratisch gewählte Regierungen können oder wollen sich nicht gegen die Konzerne behaupten.

Der Strommarkt ist in den Händen von wenigen Mächtigen und vielen gänzlich Ohnmächtigen – den zivilgesellschaftlichen Versuchskaninchen.

Kein Wunder, dass sich ganz linke und ganz rechte Parteien in Europa in den Blickpunkt schieben. Man traut den Großen Parteien nichts mehr zu, die können ja nicht mal bis 576 zählen (wie es die österreichischen Sozialdemokraten bewiesen haben).

Aber halt! Mit dem Österreicher Andreas Babler könnte ein ganz neuer Wind die Amtsstuben durchwehen und die Köpfe der Genoss_innen. Der neue SPÖ-Vorsitzende ist offensichtlich ein klassischer Linker, soweit man diese Punzierung heute noch anwenden kann. Jedenfalls will er anscheinend lieber Marxist und weniger Kapitalist sein, so wie er redet.

Noch schärfer argumentieren eigentlich nur KPÖ oder attac gegen den Neoliberalismus, der in Europa, in Österreich sein Wesen treibt. Ist´s – in punkto Energie – ein Unwesen?

Die globalisierungskritische NGO attac hat gerade eine Kampagne gestartet: „Energieversorgung demokratisieren!“ Darin werden schon schärfere Töne angestoßen: „Holen wir uns die Kontrolle über lebensnotwendige öffentliche Infrastruktur zurück – saubere und leistbare Energie für alle!“ 

Die Forderungen lauten:

Spekulation und Börsenhandel mit Energie beenden:
Energiepreise dürfen nicht von Spekulation abhängig sein. Wir fordern ein Ende von spekulativen Termingeschäften und intransparenten Energiebörsen. 

Gemeinnützige Energieversorger statt Profitmaximierung:
Energieversorgung ist ein öffentliches Gut – und keine Quelle für maximalen Profit. Energieversorger müssen gemeinnützig agieren und saubere Energie zu leistbaren Preisen bereitstellen.

Energie-Grundanspruch für alle und gerechte Preise:
Ein Energie-Grundanspruch muss den Grundbedarf aller Haushalte sowie kleiner und mittlerer Unternehmen günstig abdecken. Progressive Energietarife verteuern und reduzieren verschwenderischen Luxuskonsum zusätzlich. Die Energiepreise der Erzeuger müssen transparent sein und demokratisch kontrolliert werden. Sie müssen sich an den tatsächlichen Produktionskosten orientieren – und nicht wie derzeit häufig an der Erzeugung in fossilen Kraftwerken.

Klima- und sozial gerechte Energieproduktion:
Der Aufbau eines klima- und sozial gerechten Energiesystems muss Priorität haben. Der freie Markt kann diesen Umbau aber nicht gewährleisten.

Am Ende könnte aber nicht nur bei Andreas Babler (SPÖ), bei KPÖ oder attac die Forderung einer Re-Verstaatlichung der Energiewirtschaft erhoben werden. Zumindest müsste man die Energie-Player von den Börsen verbannen. Wie soll ein Landeshauptmann einem Energiemanager „befehlen“, günstige Preise für Endkunden bereitzustellen? Das Konzern-Management wird sich immer hinterm Aktienrecht verstecken (müssen).

Dieser Börsenrückzug ist, wie man hört, gar nicht so schwierig. Wenn sich der österreichische Bundeskanzler Nehammer nicht mehr länger von den Energie-Konzernen „papierln“ lassen will, muss er die Fremd-Aktionäre auskaufen, um wieder Herr im eigenen Energie-Haushalt zu sein. Doch dafür hat er, pardon, wahrscheinlich nicht die nötige Durchschlagskraft.  

Es werden spannende (Wahl-)Zeiten. Und die Energie spielt dabei eine tragende Rolle.

(hst)

Herbert Starmühler

Dr. Herbert Starmühler

Herausgeber energie:bau Magazin

ist Herausgeber dieser Publikation energie-bau.at und verschiedener Fachmagazine im Bereich Technik, Architektur und Energieeffizienz. Als seit Jahren leidenschaftlicher E-Auto-Fahrer und Bezieher eigenen Sonnenstroms ist der Journalist jederzeit für innovative Ideen zu begeistern und holt sich beim Networken gerne Inspiration für neue Projekte.