Kommentar von David Walch
Pressesprecher Attac Österreich

GASTKOMMENTAR – Die EU-Staaten verhandeln Maßnahmen gegen steigende Energiepreise. Die bisherigen Ergebnisse sind enttäuschend.

Die Stromkosten steigen, die Gaskosten steigen – die Konzerne verdienen, der restliche Markt versagt. Foto: Herbert Starmühler

Zwar wurde beschlossen, dass exzessive Krisengewinne der Energiekonzerne besteuert werden sollen - aber viel zu niedrig. Zwei Drittel ihrer "Übergewinne" in Milliardenhöhe dürfen die Konzerne behalten. Zusätzlich sollen die Erlöse aus billig produziertem Strom (etwa aus Sonne, Wind oder Atomkraft) gedeckelt werden. Doch die Obergrenze von 180 Euro pro Megawattstunde ist nicht nur viel zu hoch - sie ändert paradoxerweise auch nichts an den enormen Preisen. Diese orientieren sich auf den Strombörsen nämlich nach wie vor am teuersten (Gas-)Kraftwerk.

Die Energiekrise an den Wurzeln bekämpfen.

Als Sofortmaßnahmen sollte der daher der Preis von fossiler und erneuerbarer Energie entkoppelt werden. Auch der Börsen-Handel für Marktakteure, die nichts mit dem physischen Grundgeschäft zu tun haben, muss verboten werden. Die Einführung einer Finanztransaktionssteuer beziehungsweise ein Verbot des Handels mit Energiederivaten würde Spekulation eindämmen. Die Strombörsen müssen in einem ersten Schritt streng reguliert werden. Doch das allein reicht nicht…

Das Energiecasino schließen

Gegen die Energiekrise müssen wir die Probleme an den Wurzeln packen und die Ursachen für die "Übergewinne" bekämpfen. Attac setzt sich dafür ein, das Energiesystem auf das Gemeinwohl auszurichten und das spekulative Energie-Casino zu schließen.
Die auf kurzfristige Profite ausgerichtete Liberalisierung der Energiemärkte war ein Fehler und muss beendet werden.

Liberalisierte Energiemärkte bieten weder leistbare noch sichere Versorgung

Die aktuelle Krise zeigt, dass liberalisierte Energiemärkte weder leistbare noch sichere Versorgung leisten. Zugenommen hat hingegen die Marktmacht der großen fünf europäischen Energiekonzerne (RWE, Engie, EDF, Uniper, Enel). Das meistgenannte Argument für die Liberalisierung sind niedrigere Preise. Doch Vergleiche mit einem fiktiven Szenario der Nicht-Liberalisierung sind auch laut Studien methodisch schwierig und umstritten. Es zahlreiche Entwicklungen, die in den letzten beiden Jahrzehnten die Energiepreise gedrückt haben, wie die Rezession nach der Finanzkrise 2008 oder das Gas-Überangebot durch den Fracking-Boom in den USA.

Die Marktmechanismen und großen Energiekonzerne versagen völlig

Die Marktmechanismen können den ökologischen Umbau des Energiesystems nicht sicherstellen. Die großen Energiekonzerne haben beim Ausbau erneuerbarer Energien völlig versagt und können über internationale Schiedsgerichtsklagen sogar die Energiewende verteuern. Der Ausbau der erneuerbaren Energien wurde vor allem durch Initiativen der Zivilgesellschaft vorangetrieben.
Das war jedoch nur möglich, weil sie durch öffentliche Subventionen vor Marktliberalisierung und dem Binnenmarkt geschützt wurden. Dennoch besteht EU-weit immer noch ein enormes Defizit an dezentraler, erneuerbare Energieproduktion und Investitionen im Bereich der Mittel- und Niederspannung, während transeuropäische Hochleistungsnetze für den Handel zwischen fossilen Großerzeugern massiv ausgebaut wurden.

Ein kooperativer europäischer Energieraum

Die aktuelle Krise zeigt, dass ein Ende der Liberalisierung und eine starke öffentliche und demokratische Kontrolle über die Energieproduktion und -verteilung nötig ist. Anstelle des profitorientierten Marktes sollte mittelfristig ein kooperativer europäischer Energieraum treten. Strom und Gas sollen nicht mehr über Börsen gehandelt. Der nötige Ausgleich und der Handel von Energie sollte über öffentlich kontrollierte Stellen ablaufen und damit die nötigen Sicherheiten garantieren.

Neues Konzept der Energiedemokratie

Für eine sozialökologische Transformation unseres Energiesystems hat Attac das Konzept der Energiedemokratie entwickelt. Private und öffentliche Energieversorger sollten in gemeinnützige Gesellschaftsformen überführt werden, deren Hauptziel die Versorgung der Bevölkerung ist. Wichtig ist dabei auch die Förderung von dezentralen, erneuerbaren Energieproduzent*innen wie Bürger*innenkraftwerke, kommunalen Energiegenossenschaften und Stadtwerken. Analog zum Wohnungsgemeinnützigkeits-Gesetz sollten deren Gewinne und Verwendungszweck gesetzlich beschränkt werden.

David Walch

David Walch

Pressesprecher Attac Österreich

David Walch ist Pressesprecher der regierungskritischen NGO 
Attac Österreich.