Durch den stetig wachsenden Bedarf an Gebäudekühlung nimmt der Stromverbrauch in den Sommermonaten rasant zu. In Ballungszentren kann Fernkälte Abhilfe schaffen und umweltschonend herkömmliche Klimaanlagen ersetzen.
Schema Fernkältenetz Spittelau: Links die Fernkälteversorgung mittels Kompressionskältemaschinen, rechts mit Absorptionskältemaschinen. (Quelle: Wien Energie Fernwärme)
Weltweit wird heute bereits mehr Energie für Kühlung als für Wärmeerzeugung benötigt. Auch für Europa prognostizieren Experten in rund 20 Jahren einen identischen Energiebedarf fürs Kühlen und Heizen. Das gesamte Marktpotenzial für Kühlung in der EU schätzt man bis ins Jahr 2020 auf 660 TWhc. Mit Fernkälte könnten davon etwa 165 TWhc abgedeckt werden. Allerdings sind derzeit nur rund 25 % Marktanteil technisch und finanziell realisierbar.

Klare Fakten

Wachsende Komfortansprüche und neue Architekturmodelle – moderne Glasfassaden bei entsprechender Sonneneinstrahlung müssen bereits ab einer Außentemperatur von 6 °C gekühlt werden – eröffnen der Fernkälte exzellente Zukunftsaussichten.
Die Fernkälte stellt aber mehr als eine „Stromspar-Alternative“ dar. Sie punktet auch klar bei Architektur-, Umwelt- und Wirtschaftsaspekten gegenüber herkömmlichen Klimaanlagen.
Der Preis für Fernkälteversorgung hat somit kein Alleinstellungsmerkmal bei der Auswahl­entscheidung. Von dieser ressourcenschonenden Gebäudekühlung können alle profitieren. Für Architekten und Planer entfallen die im Gesamtbild störenden Kühltürme auf den Dächern. Stromanbindungskosten, ca. 200.000 €/MW Kälteleistung, entfallen. Es ist auch kein zusätzlicher Platzbedarf für Transformatoren oder Kältezentralen notwendig. Nicht unwesentlich bei teuren Quadratmeterpreisen in Citylage.
Fernkälte, so Immobilienbetreiber, ist somit allen Installationen, die umbaute Räume verlangen, stets vorzuziehen. Auch die Risikoüberwälzung auf den Versorger bildet ein wesentliches Entscheidungskriterium. Die Amortisationszeiten betragen rund 10 Jahre aufwärts.

Besonderheit in Wien
In Wien – trifft nur auf die Kältezentrale Spittelau zu – wird die Fernkälte großteils aus einem Mix von Absorptionskältemaschinen (70 %) und Kompressionskältemaschinen (30 %) erzeugt. Während der Übergangszeit wird der Donaukanal für Free Cooling verwendet.
Weitere Besonderheit der Fernkältezentrale Spittelau: der benötigte Strom sowie die Wärme stammen direkt aus der Müllverbrennung und benötigen, laut Wien Energie Fernwärme, nur ein Zehntel der Primärenergie herkömmlicher Kälteerzeuger. Auch das CO2-Einsparungspotenzial ist enorm – es entstehen pro MWh nur 50 kg, bei herkömmlichen Klimaanlagen wären es rund 290 kg.

Vorreiter
In Österreich zählt die Stadt Wien ganz klar zu den Fernkältevorreitern. Aber auch in Linz setzt man zukünftig verstärkt auf Fernkälte. Großprojekte wie Brucknerhaus, AKH, SMZ Ost, BOKU, Ö3-Gebäude, Immobilienprojekt Skyline sowie teilweise der Business-Park Town Town konnten bereits mit Fernkälte ausgestattet werden.
Wien könnte in naher Zukunft sogar zu den klassischen „Fernkältestädten“ wie Paris, Stockholm oder Helsinki aufsteigen. Markterhebungen für Fernkälte in Wien haben ein erschließbares Potenzial von etwa 240 MW ergeben. Wien Energie Fernwärme will in den nächsten 5 Jahren rund 50 Mio. € investieren und massiv seine Fernkältezentralen und -netze ausbauen. Bis 2020 soll die installierte Leistung verzehnfacht und rund 200 MW Fernkälte angeboten werden.

Ausbau geplant
Aktuell werden einige Kältezentralen (z.B. 15 MW für das Gebiet um den Schottenring und Hotel Kempinski) im Zentrum zur Kälteversorgung errichtet. Als zukünftige Fernkältekunden hat man die Gebiete rund um Town Town, Büroprojekte auf der Donauplatte und am Wienerberg, weitere Krankenhäuser und den neuen ÖBB-Hauptbahnhof im Visier.  
Wolfgang Kadrnoska


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