Das Landespflegeheim in Bad Radkersburg schaffte sich eine neue Niedrigtemperatur-Heizung an, investierte anfangs keinen Euro und reduzierte den Energieverbrauch um 47 Prozent.
Rund ein Viertel der Kosten fiel auf die thermische Solaranlage zurück.
Es ist alt, groß und teuer: Das Landespflegeheim Radkersburg, am Rande der südsteirischen Weinberge gelegen, beherbergt durchschnittlich 128 Pflegegäste und 100 Pfleger. Dementsprechend hoch war auch der Energieverbrauch, der mit ein Hauptgrund für die Erneuerung des Pflegeheims war. „Die Landesimmobiliengesellschaft Steiermark hat sich Anfang 2008 zum Zwecke der Reduktion von Treibhausgasen dazu entschlossen, die Beheizung des Landespflegeheims in Bad Radkersburg ohne den Primärenergieträger Heizöl zu bewerkstelligen und parallel zum Heizungsswitch durch Energieeffizienzmaßnahmen den Energiebedarf bei Wärme, Wasser und Strom zu senken”, führt Alfred Scharl, Leiter Haustechnik der LIG an.

Gemeinsam mit der Grazer Energieagentur entwickelte das LIG Steiermark das Modell des „Integrierten Energiecontractings“ bei dem sowohl die Energieträgerumstellung, die Effizienzmaßnahmen und der Preis für Energielieferung, Betriebsführung und Anlagensanierung Vergabekriterien zur Auswahl des Bestbieters waren. Nach einer EU-weiten Ausschreibung ging der Auftrag an die Siemens Österreich AG für die Wärmeverteilung im Landespflegeheim Bad Radkersburg. Bei diesem Modell des Energiecontractings tätigt der Contracting-Partner Siemens die Anfangsinvestitionen, die sich für das Heizsystem auf 340.000 € beliefen. ”Siemens­ bekommt ihre Aufwendungen als kalkulatorischen Aufschlag auf die Betriebsführungskosten abgegolten,” so Scharl. „Die Vertragsdauer beträgt 15 Jahre. Während dieser Zeitspanne soll sich das Projekt auch amortisiert haben”, beschreibt Bernd Stampfl, Leiter Vertrieb Energieeffizienz, Building Technologies der Siemens AG Österreich. Insgesamt ist für das Landespflegezentrum ein positiver Cash Flow über 15 Jahre von 260.000 € inklusive Investitions- und jährliche Kosten prognostiziert.

„Das Landespflegezentrum Bad Radkersburg ist ein Vorzeigeprojekt für eine erfolgreiche Gebäudesanierung mittels Energie-Contracting“, freut sich Josef Stadlinger, Leiter der Siemens-Division Gebäudetechnik. Im Rahmen des Umbaus wurde durch gezielte Energieeinsparungsmaßnahmen (betreffend Raumwärme und Warmwasser) und die Umstellung auf Niedrigtemperaturen 47 Prozent des Verbrauchs reduziert. Die berechnete Energieeinsparung beträgt beim Wärmeverbrauch 35 % oder 364 MWh und beim Stromverbrauch 12 Prozent oder 51 MWh pro Jahr und ist von Siemens beim jährlichen Audit nachzuweisen.

35 prozentige Energieeinsparung beim Heizen
  • Neues bei der Raumwärme:
Das größte Einsparungspotenzial lieferte der Umstieg von Heizöl auf Holz für die Raumwärme. „Vor der Sanierung wurde mittels Ölkessel geheizt. Nun ist das Landespflegezentrum an das Biomasse-Nahwärmenetz angehängt worden, das von dem regionalen Versorger der Quelle GesmbH betrieben wird” , erklärte Stampfl. Durch den Anschluss an das Nahwärmenetz konnte die installierte Heizleistung von 1.860  kW Heizleistung der Ölheizkessel auf 500 kW (bzw. 320 kW im Endausbau) reduziert werden.
  • Neues beim Warmwasser:
Für den Warmwasserverbrauch installierte man eine thermische Solaranlage mit einer Kollektorfläche von 143 m². Der Speicherumfang der Anlage beiträgt zweimal 3.000 l und ist für eine Besetzung von 128 Pflegepatienten und 100 Mitarbeiter ausgelegt.

Stromverbrauch Senkung um 12 Prozent

Die wichtigsten Maßnahmen zur Senkung des Verbrauchs waren:
  1. Modernisierung und Umbau der Energieverteilung durch drehzahlgeregelte Umwälzpumpen
  2. Energiesparlampen statt Glühbirnen
  3. Elektronische Vorschaltgeräte statt konventionelle
Legionellen-Gefahr gebannt

Durch die Verwendung von Niedertemperaturen bei der Warmwasseraufbereitung stellte sich die Legionellenbekämpfung im Landespflegeheim Bad Radkersburg als problematisch heraus. Normalerweise werden diese laut AGES (Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit GmbH) durch thermische Behandlung, sprich durch Erhitzen des Wasser im Boiler abgetötet. Die gängigste Methode ist dabei die kontinuierliche thermische Behandlung. Laut Norm ÖNORM B 5019 darf die Wassertemperatur während der Zirkulationsphase und beim Rücklauf nicht unter 55° C betragen. Aufgrund der Niedrigtemperaturen jedoch kam diese Möglichkeit im Pflegeheim beim Umstieg nun nicht mehr in Frage. Deshalb verwendete Siemens die biochemische Variante.
Im Pflegezentrum Bad Radkersburg wird nur das Warmwasser behandelt. Die Dosierung des Wirkstoffes Anolyte, einer schwachen, pH-neutralen Natriumhypochlorit-Lösung, erfolgt volumenproportional zu der in das Warmwassersystem einfließenden Kaltwassermenge. Das heißt die zudosierte Menge an freiem Chlor ist direkt abhängig vom Warmwasserverbrauch. Die Konzentration an freiem Chlor beträgt in Bad Radkersburg zu Beginn an der Dosierstelle bei ca. 0,25 mg/l und liegt damit innerhalb der nach Trinkwasserverordnung zulässigen Höchstmenge von 0,3 mg/l.

Franz Mascher, Leiter der Abteilung für Wasserhygiene der Medizinischen Universität Graz, sieht in der Chlorung des Trinkwassers keine Probleme, solange die Konzentrationen eingehalten werden. Jedoch ist die Methode in Mittel-Europa wegen der geringeren Qualität des Trinkwassers etwas verpönt,” so Mascher. „Es gilt in diesem Fall zwischen Energiesparen durch Niedrigtemperatur und der Wasserqualität abzuwägen”, führt Hygieniker Mascher weiter aus.

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