Im Interview mit „energie-bau.at“ beklagt der Bundesvorsitzende der Architekten, dass bei energetischen Sanierungen viel zu wenig auf gestalterische Kriterien Rücksicht genommen werde.
Architekt Kompolschek kritisiert den "Trend zur Schuhschachtel".



Der Villacher Architekt Peter Kompolschek ist ungehalten. Täglich muss er ansehen, wie architektonische Qualität verlorengeht, weil bei Sanierungen lediglich auf U-Werte und kaum auf die Architektur Wert gelegt wird: „Ich stelle fest, dass gestalterisch nicht sehr gebildete Sanierungsexperten die Gebäude entstellen. Was vorher ein interessantes Gebäude der 60er oder 70er-Jahre war, mit klarer Formen- und beispielsweise dunkler Farbsprache, wird prötzlich eine beige Schuhschachtel. Was hier in Österreich passiert, halte ich für einen kulturellen Selbstmord.“

Gestaltung kommt zu kurz
Schuld sei, dass in Österreich vielfach die Bauanzeige reicht, während Kompolschek auf die Einbeziehung von Architekten pocht – was im Weg des Bauverfahrens abzuwickeln wäre. „Ich bin ja für eine energetische Sanierung – aber unter Einbeziehung von gestalterischen Vorgaben. Manchmal wird man eben eine etwas teurere Lösung vorziehen müssen – aber dafür bleibt das Gebäude in seiner Form erhalten.“
Während für Gründerzeithäuser oft schon ein Schutz besteht, „sind die 6oer/70er-Jahre zum Abschuss freigegeben“ (Kompolschek).
Nun hat Kompolschek als Bundesvorsitzender der Architekten diese Bedenken auch in einem offenen Brief kundgemacht, um eine Diskussion anzustoßen.

Offener Brief
Sehr geehrte Damen und Herren!
Die öffentliche Hand unterstuützt ? dem Gebot des Klimaschutzes folgend ? offensiv die thermische Sanierung von Bauwerken. Bausubstanz, die nach einem halben Jahrhundert Nutzung oft einen Tiefpunkt im Lebenszyklus erreicht, erhält so die Chance auf rasche bautechnische Nachrüstung.
Die Architektenschaft begrüßt die bundesweite Förderoffensive, muss aber kritisch feststellen, dass sie kein dem Energieaspekt übergeordnetes Ziel verfolgt. Eine umfassende Aufwertung des Baubestandes ist nicht beabsichtigt, die Förder- und Genehmigungsprozesse setzen sich nicht mit der räumlichen und kulturellen Bedeutung dieser Bauwerke auseinander. Auch wenn jährlich nur ein kleiner Prozentsatz des Bauwerksbestandes von dieser Nachrüstung erfasst wird, ist die Wirkung auf das Orts- und Landschaftsbild groß. Wie bei einem energetischen Ansatz auch zu erwarten, unterstützt die Förderoffensive die Nachrüstung der Gesamtheit der gealterten Bauwerke. Das auf bauphysikalische Kennwerte einzelner Bauteile und nicht auf Nutzwert und Gesamtwirkung ausgerichtete Förderverfahren zeitigt offensichtlich nachteilige Wirkungen: Oft gehen  entscheidende Qualitäten der Ursprungsbauten mangels sorgfältiger Planung verloren. Herausragende Bauwerke der Sechziger- und Siebzigerjahre stehen zwar mittlerweile unter Ensemble oder Denkmalschutz; dort muss jeder Eingriff in die Bausubstanz qualifiziert geplant und behördlich genehmigt werden.
Die Mehrheit energetisch motivierter Runderneuerungen wird aber ohne Prüfung von Qualitätsaspekten verwirklicht. Ein Verzicht auf eine architektonische Optimierung wird langfristig die Lebensräume nicht nur im örtlichen Maßstab schwächen.
Wir ersuchen Sie daher im Rahmen Ihrer Zuständigkeit die Voraussetzungen zu schaffen, dass die Baubehörden thermische Sanierungen nur bei Einhaltung gesamthafter Qualitätsaspekte genehmigen können. Über bloße Bauanzeigen ist dies nicht zu bewirken. Jedenfalls sollten für diese Vorhaben zwingend Baubewilligungsverfahren durchgefu?hrt werden.
Mit freundlichen Gru?ssen
Arch. DI Peter Kompolschek

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