Ein Jahr ist es her, dass die neuen Vorgaben des Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz(kurz ELWOG) – ein Gesetz, das unter anderem den Netzanschluss von Photovoltaik (PV)-Anlagen maßgeblich reguliert – in Kraft getreten sind.
Ein guter Zeitpunkt für den Bundesverband Photovoltaic Austria (PV Austria) Bilanz zu ziehen, ob die Änderungen des Gesetzgebers für eine Beschleunigung der Energiewende umgesetzt wurden. So viel vorweg: Es gibt keinen Grund zum Jubeln – wichtige Neuerungen sind von den Netzbetreibern noch ausständig.
Neuerung #1: Transparenz zu verfügbaren Stromnetzkapazitäten
Status Quo: Bisher nur einmal umgesetzt
Um die Transparenz und somit die Planbarkeit zu erhöhen, schreibt das ELWOG vor, verfügbare Kapazitäten im Stromnetz je Umspannwerk öffentlich einsehbar zu machen (§ 20). Eine quartalsweise Aktualisierung ist zudem vorgesehen. Bis auf die Netz Niederösterreich GmbH hat diese Transparenz bisher kein Netzbetreiber geschaffen.
• Unsere Forderung nach Transparenz: Netzkapazitäten müssen in Zukunft bis auf die untersten Netzebenen transparent einsehbar sein und dürfen kein gut gehütetes Geheimnis der Netzbetreiber bleiben!
Neuerung #2: Beschleunigter Netzzutritt für PV-Anlagen bis 20 kW
Status Quo: Mehr Schein als Sein
Weiters erleichtert wurden für kleine PV-Anlagen (bis 20 kW) die Bedingungen für den Stromnetzanschluss (§ 17a). Ziel ist, dass jede kleine PV-Anlage angeschlossen und
zumindest jene Leistung eingespeist werden kann, die an Ort und Stelle aus dem Stromnetz bezogen wird. Gesetzlich ist für die Abwicklung ein Zeitraum von vier Wochen vorgesehen. Die Praxis zeigt ein anderes Bild.
„Unsere Mitglieder berichten, dass selbst kleinere PV-Anlagen lange auf Antworten warten und dann teilweise nur im reduzierten Ausmaß bzw. gar nicht in das Stromnetz einspeisen können. Grund sind die oftmals nicht ausreichenden Stromnetzkapazitäten sowie die teilweise mit den Anfragen überforderten Netzbetreiber. Es zeigt sich schon jetzt, dass die Energiewende nur mit entsprechenden Automatisierungen und einem zielgerichteten Stromnetzausbauplan funktionieren wird“, schildert Vera Immitzer, Geschäftsführerin des PV Austria, die Situation.
• Unsere Forderung nach einem Ausbauplan: Ambitionierte Ziele erfordern einen klaren, zukunftsgerichteten und öffentlich zugänglichen Ausbauplan des Stromnetzes!
„Es ist unfassbar, dass angesichts der Dringlichkeit des erneuerbaren Ausbaus selbst ein Jahr nach Beschluss des neuen Gesetzes, wesentliche Vorgaben noch immer nicht umgesetzt und die Netzbetreiber mehrfach säumig sind!“
Vera Immitzer, Geschäftsführerin des PV Austria
Neuerung #3: Netzzutrittspauschale für solidarische Kostentragung
Status Quo: Unklare Gesetzeslage und keine Beachtung bestehender Anschlussleistungen
Neu geregelt ist, dass PV-Anlagen für das Einspeisen ihres Sonnenstroms einmalig eine Netzzutrittspauschale zu zahlen haben. Je höher die Leistung, umso höher ist die Pauschale (§ 54). Bei der Berechnung der Kostenpauschale kalkulieren die Netzbetreiber aber entgegen der Intention des Gesetzes. Die bereits einmal gekaufte (Bezugs-)Leistung für den Strombezug wird bei der Berechnung der Pauschale für Einspeiseleistungen, nur bei kleinen Anlagen (bis 20 kWp) abgezogen. Größere Projekte müssen für die gesamte Einspeiseleistung aufkommen und daher doppelt zahlen. Durch diese entgegengesetzte Auslegung wird ein wichtiger Anreiz zur forcierten Nutzung von bereits vor Ort bestehenden Netzkapazitäten vernichtet.
• Unsere Forderung nach einem geregelten Netzzutritt: Vorgaben und Kosten für den Netzzutritt von PV-Anlagen müssen österreichweit einfach und einheitlich sein!
Neuerung #4: Betrieb von Energiegemeinschaften
Status Quo: Umsetzung nur eingeschränkt möglich
Seit einem Jahr sollten Bürger*innen auch außerhalb des Gebäudes gemeinsam Strom erzeugen können und zwar über Energiegemeinschaften (§ 16 ff). Statt in einer Gemeinschaft ist man aber noch immer allein, denn aktuell ist es nur möglich, dass ein*e Teilnehmer*in der Energiegemeinschaft ausschließlich einer einzelnen Erzeugungsanlage zugeordnet werden kann. Auch können Bürgerenergiegemeinschaften nur innerhalb des Konzessionsgebiets eines Netzbetreibers umgesetzt werden. In beiden Punkten schreibt der Gesetzgeber jedoch umfassendere Umsetzungsmöglichkeiten vor.
„Es ist unfassbar, dass angesichts der Dringlichkeit des erneuerbaren Ausbaus selbst ein Jahr nach Beschluss des neuen Gesetzes, wesentliche Vorgaben noch immer nicht umgesetzt und die Netzbetreiber mehrfach säumig sind. Dabei ist die Energiewende DAS Riesen-Projekt der 20er Jahre und hätte längst vorbereitet werden müssen. Es war klar, dass die Stromnetze von gestern den Anforderungen von heute und besonders von morgen nicht gewachsen sind. Wir drohen den gerade erst geschafften Ausbauschwung in Sachen Erneuerbare Energie wieder zu verlieren, weil die Infrastruktur nicht im gleichen Tempo fit gemacht wird. Jetzt heißt es anpacken und investieren – und zwar in unser aller Zukunft“, sieht Immitzer die Entwicklungen kritisch und betont abschließend: „Wir brauchen Stromnetze statt Gasnetze“.
Letzter Ausweg: Schlichtungsstelle
Bei Problemen von zukünftigen Anlagenbetreiber*innen gibt es den Weg zur Schlichtungsstelle:
Anlagenbetreiber*innen, die nach einem Klärungsversuch mit dem zuständigen Netzbetreiber weiterhin ein Problem oder eine Beanstandung sehen, können sich an die Schlichtungsstelle der E-Control wenden. Zu finden unter https://www.e- control.at/schlichtungsstelle.