Eine neue Ausstellung in Wien thematisiert die Auswüchse des Viel-Reisens auf Städte und Regionen  – und mögliche Lösungen dagegen.

Einige der am schlimmsten von Kreuzfahrtschiffen betroffenen Städte haben schon reagiert. Bilder wie dieses gehören der Vergangenheit an. Seit August 2021 dürfen Kreuzfahrtschiffe einer bestimmten Größe nicht mehr durch Venedig fahren oder dort anlegen. Foto: Steve Varni / AzW

Immer mehr Menschen reisen öfter, weiter und kürzer. Welche Auswirkungen haben unsere Urlaubswünsche auf die gebaute Umwelt, das soziale Gefüge und den Klimawandel? Und wie können wir einen Tourismus imaginieren, der nicht zerstört, wovon er lebt?

Anhand von anschaulichen Illustrationen, Beispielen und Datenmaterial zeigt eine Ausstellung im Wiener Architekturzentrum (Do 21.03.2024 – Mo 09.09.2024 täglich 10:00–19:00) u. a. das Zusammenspiel von Tourismus und Wirtschaftswachstum, steigenden CO2-Emissionen oder der Verdrängung der lokalen Bevölkerung durch ausufernde Wohn- und Lebenshaltungskosten – auch seit touristische Unterkünfte vermehrt zu Anlageobjekten werden.

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Lachtal, Steiermark. Seit rund 20 Jahren werden auch in Österreich vielerorts Chaletdörfer gebaut. Sie vermitteln Privatheit und Exklusivität, aber sie verbrauchen auch ungleich mehr Fläche – und damit wertvollen Boden – als jede andere Beherbergungsform. Foto: Günther Bogensberger

Seit Jahrzehnten erfährt der Tourismus eine kontinuierliche Intensivierung und ist zu einem integralen Bestandteil unseres westlichen Lebensstils geworden. Er hat Wertschöpfung, Wohlstand und Weltoffenheit auch in die entlegensten Gegenden gebracht und so Abwanderung verhindert. Das ist die Sonnenseite des Tourismus. Auf der Schattenseite stehen negative Effekte wie Menschenmassen, grobe Umwelteingriffe und steigende Bodenpreise.

Touristische Hotspots leiden unter dem Ansturm der Besucher*innen, während andere Orte abgehängt werden. Gemeinden sind zwiegespalten: Einerseits profitieren sie vom Tourismus, andererseits nehmen sie immer stärker unerwünschte Nebenwirkungen wahr. Und bedenkt man, dass der Tourismus mehr als andere Wirtschaftssektoren vom Klima abhängt, ist es erstaunlich, dass der Klimawandel ausgerechnet hier oft noch ein Randthema ist.

Wie können wir Tourismus in Zeiten von Klimakrise, Kriegen, drohenden weiteren Pandemien, Fachkräftemangel und einer anhaltenden Energiekrise neu denken und in nachhaltigere Bahnen lenken? Welche Rolle spielen dabei Raumplanung und Architektur?

Die Ausstellung beleuchtet zentrale Aspekte des Tourismus wie Mobilität, Städtetourismus, Wechselwirkungen mit der Landwirtschaft, Klimawandel, die Privatisierung von Naturschönheit bis zum Wandel der Beherbergungstypologien und geht der Frage nach, ob und wie Tourismusentwicklung geplant wird.

Vor allem aber sucht die Ausstellung nach Transformationspotential. Viele Reisende sehen sich selbst ungern als Teil des Phänomens Massentourismus, und Zweifel an der Klimaverträglichkeit unseres Reiseverhaltens werden immer lauter.

Eine Vielzahl von Initiativen sind in letzter Zeit entstanden, die einen anderen Umgang mit der Natur, der lokalen Bevölkerung, dem Klima, Städten und Dörfern oder der Mobilität pflegen. Lokale und internationale Beispiele präsentieren wegweisende Lösungsansätze. Planungskonzepte unterschiedlicher Länder laden zu einem strategischen Vergleich. Zahlreiche gelungene Beispiele machen Lust auf eine Art des Urlaubens, die nicht mehr ausschließlich dem Konsum sowie dem Wachstumsparadigma folgt. Im Zentrum bleibt die Frage: Wie können wir einen Tourismus imaginieren, der nicht mehr das zerstört, wovon er lebt?

Über-Tourismus
Ausstellung im Wiener Architekturzentrum (Do 21.03.2024 – Mo 09.09.2024 täglich 10:00–19:00)

Kuratorinnen: Karoline Mayer & Katharina Ritter, Az W
Assistenz: Dina Unterfrauner
Ausstellungsarchitektur: ASAP, Ulrike Pitro & Florian Sammer
Ausstellungsgrafik: LWZ & Manuel Radde

Buch zur Ausstellung
Zur Ausstellung erscheint das umfassende und reich bebilderte Buch „Über Tourismus“ mit Essays von: Karla A. Boluk et al., Linda Boukhris, Ana Gago, Maria Kapeller, Helga Kromp-Kolb, Kurt Luger, Arno Ritter, Arthur Schindelegger.
Hrsg.: Karoline Mayer, Katharina Ritter, Angelika Fitz und Architekturzentrum Wien
Verlag: Park Books
Buchgestaltung: Manuel Radde & LWZ; Illustrationen: LWZ

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