Krankheit und Tod, Trauer und schmerzhafte, persönliche Verluste sind nicht wegzudiskutieren. Einige Branchen erlebten 2020 ihr wirtschaftliches Waterloo. Stadthotellerie, Reiseveranstalter, Konzerthallen oder so manch eine Kultur-Solo-Selbständige fielen in ein tiefes Loch. Aber das Virus hat direkt oder indirekt vielen geholfen, hat längst fällige Renovierungen angestoßen und neue Geschäftsmodelle entstehen lassen.
Und wer sind nun die Glücklichen, die trotz oder gerade wegen der Krise gut abgeschnitten haben? Hier ein naturgemäß unvollständiger Überblick, der sich aus persönlichen Gesprächen und den Veröffentlichungen der Unternehmen in der Wirtschaftspresse speist – eine Fundgrube erfolgreicher Unternehmer*innen, die trotz oder gerade wegen Corona blendende Geschäfte gemacht haben. Und bei den allermeisten dürfte das auch so weitergehen.
„Unsere“ Energie-Branchen und die meisten Bauwirtschaftsbetriebe, die Photovoltaiker, die Elektrotechniker und Heizungshersteller – sie profitierten massiv von den Lockdowns. Die Menschen warfen ihr Geld in Handwaschbecken, Bodenfliesen, Ziegel oder PV-Module. Stellvertretend für viele Baufirmen sei der Waldviertler Holzbaumeister Willi Longin genannt, der schon im November sagte: „Wir sind sehr zufrieden und haben Aufträge bis in den Herbst 2021.“ 2020 war für ihn ein gutes Jahr. Aber nicht nur für die Bauwirtschaft und die Energie-Spezialisten. Auch andere Branchen hatten ihren Corona-Effekt:
Testen und Beatmen
Klar, in der Pandemie boomt das Geschäft mit den Kampfmitteln dagegen. Und so meldete das Lübecker Unternehmen Drägerwerk Ende Oktober „volle Auslastung“. Dräger stellt Beatmungsgeräte und FFP-Masken her. Im dritten Quartal legte der Umsatz um ein Drittel auf 863 Millionen Euro zu, doch der operative Gewinn (Ebit) sprang von 10 auf 127 (!) Millionen Euro.
Ähnliches berichtet der Diagnostikkonzern Quiagen aus Venlo und Hilden (D): Im Vorjahr machte man mit den 1,53 Milliarden Umsatz, dank der Covid-19-Testlösungen werden es dieses Jahr um 22 Prozent mehr sein. Monitoring- und Beatmungsgeräte verhalfen auch dem Amsterdamer Konzern Philips zu einem Gewinnsprung im dritten Quartal von 208 auf 340 Millionen Euro.
Oder nehmen wir den Schweizer Pharma- und Diagnostikriesen Roche. Dessen Chef fasst die Rally im Oktober so zusammen: „Wir sind am absoluten Limit“. Fresenius, Sanofi, Pfizer und viele andere. 2020 war das Wirtschaftsjahr der Pillendreher und Virus-Tester. Ora et Labore Besonders gut dürften Labore derzeit verdienen: Pro Corona-Test bekommen sie laut FAZ 40 bis 50 Euro, je nachdem, wer bestellt.
Laut Robert-Koch-Institut haben „die knapp 200 Labore im Land (Anm.: Deutschland) zuletzt mehr als 1,2 Millionen Proben pro Woche durch ihre Geräte gejagt“. Macht im Durchschnitt 1,08 Millionen Euro Erlös pro Monat. Pro Labor.
Auch nicht ganz vergessen sollten wir die Apotheken unter den Profiteuren der Krise: Der März war für die Apotheken in Deutschland der umsatzstärkste Monat seit Beginn der Zeitreihen 1994. Liefern mit heraushängender Zunge
Jetzt aber genug mit der aktiven Seuchenbekämpfung. Sehen wir uns an, wer vom Lockdown der Gastronomie profitieren konnte. Hellofresh ist ein Unternehmen aus Berlin, das Zutaten für das Kochen zuhause liefert. Die letzte Prognose im November: 3,6 Milliarden Euro Umsatz 2020, 100 % mehr als 2019. Ähnlich geht es den meisten anderen Zustellern von Nahrungsmitteln oder Fertiggerichten. Der US-Essenslieferant Doordash verdreifachte gar seinen Umsatz in den ersten neun Monaten 2020 im Vergleich zum Jahr davor. Nämlich auf 1,92 Milliarden Dollar. Das war schon was und vielleicht geht 2021 noch mehr. Takeaway, Lieferando oder Delivery Hero heißen die neuen Helden in Zeit von Corona, deren Mitarbeiter*innen mit hängender Zunge die Pizzas und Food-Kisten zustellen.
Drei Handelsketten – 1,3 Milliarden Pfund Dividende
Auch Alnatura gehört zu den Gewinnern. Hier sind wir schon bei den stationären Märkten, in diesem Fall jener eines Biohändlers. 22 Prozent Plus, erstmals über 1 Milliarde Jahresumsatz. Nudeln, Reis und Tiefkühlkost wurden stärkstens nachgefragt. Bei den Supermärkten brauchen wir nicht lange zu verweilen. Sie haben allesamt ein pralles Jahr erlebt, von Krise keine Spur.
Nur ein Beispiel: Großbritanniens größte Kette Tesco meldete einen operativen Gewinn von 1,2 Milliarden Pfund für die Monate März bis August, ein Plus von 4 %. Die drei börsennotierten Supermarktkonzerne Tesco, Sainsbury's und Wm Morrisson haben insgesamt 1,3 Milliarden Pfund Dividende angekündigt. Krise sieht anders aus.
Seife und Shampoo
Übrigens hat Amazon angekündigt, allein im Vereinigten Königreich 7.000 neue Stellen besetzen zu wollen (oder: zu müssen), weil man den Bestellungen nicht nachkommt. Womit wir bei der Frage wären, WAS denn nun eigentlich im Handel nachgefragt wurde. Und WER also zu den Profiteuren dieses doch so vermaledeiten Jahres 2020 zu zählen ist.
Der Konsumgüterhersteller Beiersdorf meldete hohe Nachfragen nach Seife und Shampoo, der Weinhändler Hawesko (Hamburg) freut sich über ein 8,5 % Umsatzplus, und das Auktionshaus Ebay zählte hohe Suchnachfragen nach Rasierzubehör oder Haarschneidemaschinen (plus 314 %) und vor allem Spielen.
Puzzles und Barbie
Das Spielen zuhause hat jetzt Ganzjahressaison: „Die Boomer dieses Jahres sind die Puzzles“ sagt Hermann Hutter, der Vorsitzende des deutschen Spieleverlage-Verbundes. Aber auch Monopoly und Kartenspiele gehen über den – oft virtuellen – Verkaufstisch. 61 Prozent Plus berechnete Eurotoys-Marktdaten schon im Sommer. Eine Frau in den besten Jahren erzielte noch höhere Umsätze: Die blonde Puppe Barbie legte von Juli bis September um 350 % zu, und spielte sich mit dem besten dritten Quartal (532,2 Mio. Dollar Umsatz, plus 29 Prozent) in die Herzen der Mattel-Manager.
Und bei Sony gingen in den USA in den ersten 12 Stunden so viele Vorbestellungen für die neue PlayStation 5 ein, wie beim Vorgängermodell in 12 Wochen. Klar, die Zeit daheim muss irgendwie totgeschlagen werden. Das Virus ist auch in dieser Branche ein großer Pusher. Webcams und Computer
Oder es wird daheim gearbeitet. Und hier spielte dann erst recht die Musik: Alles was Industrie und Handel für die Ausstattung des Home-Offices bieten konnten, wurde gekauft. Oder zumindest gesucht, weil es überall ausverkauft war. Wie zum Beispiel Webcams, die bei Ebay eine um 2.149 Prozent höhere Suchanfrage im gerade veröffentlichten Jahresrückblick verglichen mit 2019, auslösten.
Auch der größte Computerhersteller der Welt, Lenovo, profitiert vom Heimarbeitstrend Corona sei Dank. Im zweiten Finanzquartal stieg der Umsatz um 7 Prozent auf 14,5 Milliarden Dollar zum Vergleichszeitraum, der Reingewinn sprang gleich um 53 Prozent auf 310 Millionen Dollar. Schön war das Jahr auch für die Elektronik-Händler. Ceconomy (Saturn, Media-Markt) freut sich in Deutschland über ein ein Plus von 5,5 % im vierten Geschäftsjahresquartal, das waren 5,3 Milliarden Euro. TV Geräte, Elektro-Kleingeräte und Heimelektronik verkaufen sich im Lockdown sehr gut (vielfach nunmehr digital).
Es sind also viele milliardenschwere Branchen (mit Millionen von Mitarbeiter*innen), die trotz oder oft sogar wegen des Virus-Wahnsinns sehr gut abschneiden und profitieren. Kleine und große Betriebe haben es geschafft und aus dem Corona-Jahr ein cooles Jahr gemacht. Man könnte noch so viele aufzählen. Hier nur noch einige wenige, die teilweise überdurchschnittlichen Kundenzuspruch erfuhren:
- Logistiker hatten ein Traumjahr und kamen mit dem Liefern nicht nach.
- Gartenmöbel-Erzeuger bauten, was das Holz hielt.
- Kinderbücher wurden verkauft wie nie.
- Verpackungs-Industrien ließen Sektkorken knallen.
- Baumärkte legten die Latte höher.
- Swimming-Pools waren vielfach ausverkauft.
- Wohnwagen waren noch nie so begehrt.
- Boote machten Leinen los um das Virus abzuhängen.
- Banken schlossen erstaunlich überdurchschnittlich ab.
- Teslas Aktienkurs explodierte.
- IT-Konzerne jubelten, weil alle über Cloud, Zoom und Teams kommunizierten.
- Ferienwohnungen in Mallorca stiegen wegen der Nachfrage im Preis (nicht alle).
- Immobilien im Umland erfreuten sich regster Beliebtheit.
- Notare schnitten wunderbar mit – weil sie prozentuell am Boom mitnaschten.
- Tiernahrung wurde gefressen, als gäb's kein Morgen.
- Heizpilze schossen aus dem Boden (und wurden wieder eingepackt).
- Holzbaumaschinen erlebten eine Zwischenkonjunktur.
- Fahrräder wurden von Leuten gekauft, die es sich davor nicht mal träumen liesen.
Auch die Kultur-Branche hat ihr Aha-Erlebnis. Während sich die meisten Bühnen verzweifelt um Hygiene-Konzepte bemühten, sind andere schon in der Kultur 2.0 angekommen: Streaming heißt das Zauberwort. Die britische Musikerin Dua Lipa brach mit 5 Millionen alle Online-Live-Stream-Rekorde. Die Karten waren in Europa um 10 Euro zu haben. Mag jemand rechnen? Nette Gage für einen Abend.
Warum diese Aufzählung?
Weil es doch recht wichtig ist, auch die Sonnenseiten dieses schattigen Wirtschaftsjahres zu sehen. Und die Chancen und die Möglichkeiten und unverhofften Gelegenheiten. Tod und Krankheit sind damit nicht wegzureden und für viele Unternehmer*innen, die kaum über die Runden kommen, ist das alles ein schwacher Trost. Aber vielfach vielleicht auch ein Ansporn. Denn 2021 wird nicht viel anders verlaufen als 2020 (hoffentlich täusche ich mich).
Herbert Starmühler
(Herausgeber)