Kommentar von Hans-Josef Fell

KOMMENTAR: Pünktlich zum Jahrestag kommt die Meldung, dass die Erneuerbaren Energien im ersten Quartal 2020 52% der deutschen Stromerzeugung lieferte.

Windkraftrad
Windkraft und PV sind die erfolgreichen Lieferanten für viel Strom aus erneuerbaren Quellen. Foto: Starmuehler_autarkk

Es gibt keinen schöneren und besseren Beweis für die fulminante Erfolgsgeschichte des EEG. Wer vor 20% Jahren vorhergesagt hättest, dass wir 2020 die Hälfte der deutschen Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien gewinnen, wäre wohl ins Irrenhaus eingeliefert worden. Aber heute könne wir daraus schlussfolgern, dass 100% EE bis 2030 machbar sin, also setzen wir es gemeinsam um. (https://www.spiegel.de/wirtschaft/service/energiewende-oekostromanteil-steigt-auf-52-prozent-a-6276e542-7175-4196-8844-954be6bafdf1)

Lesen Sie zum heutigen Jahrestag mein Interview im bedeutendsten europäischen online Magazin, Euractiv:

20 Jahre EEG: „Klarer Unwille der jetzigen Bundesregierung“
Die deutsche Energiewende wäre ohne das Erneuerbare-Energien-Gesetz nicht möglich gewesen. Heute vor 20 Jahren trat es in Kraft – zugleich läuft die Förderung für viele Ökostromanlagen dieses Jahr aus, Wind- und Sonnenenergie werden blockiert. Wie soll es weiteren mit dem grünen Strom? Ein Gespräch mit einem der Väter des EEG. (Link)

Herr Fell, für wie realistisch halten sie das deutsche Ziel, bis 2030 unseren Strom zu 65 Prozent aus erneuerbaren Energien zu beziehen?

Wenn die Blockadehaltung der Politik aufrechterhalten wird, werden wir das niemals schaffen. Aber ich habe die Hoffnung, dass Neuwahlen das nächstes Jahr ändern werden. Sollte es dann eine stark unterstützende Politik für Erneuerbare geben, könnten wir sogar noch 100 Prozent bis 2030 erreichen.

Die große Koalition kommt seit Monaten beim PV-Deckel und der Abstandsregelung für Windräder nicht voran. Wo hakt es?

Am klaren Unwillen der jetzigen Bundesregierung, ganz einfach. Seit etwa 2010 ist der Ausbau der Erneuerbaren Stück für Stück gebremst worden. Damals wurde für das Jahr 2020 das Regierungsziel von 35 Prozent Ökostrom gesetzt, das haben wir längst übererfüllt. Daran sieht man, wie restriktiv die Ziele der Bundesregierung sind. Sogar das Ziel für 2025, nämlich 45 Prozent Erneuerbare Energien, haben wir schon trotz aller gesetzlichen Ausbauhürden erreicht. Man könnte also bösartig sagen: Wenn man das Ziel für 2025 erreichen will, sollte man genauso handeln wie es die Bundesregierung tut – den Neubau weitgehend stoppen und die Bestandsanlagen Stück für Stück abschalten.

Das ist exakt die Linie, die momentan gefahren wird. Wir haben keinerlei Folgeregelung für all die Solar- Windkraft- oder Biogasanlagen, die nächstes Jahr aus der staatlichen Förderung herausfallen werden. Die werden so einfach keinen Absatzmarkt finden und es wird schwer sein, privatwirtschaftliche Lösungen dafür zu finden. Dafür fehlt schlicht die gesetzliche Grundlage.

Wie sollte eine staatliche Unterstützung ab 2021 denn aussehen? Wird nicht allein die Einführung eines CO2-Preises Ökostrom attraktiver machen?

Allein im CO2-Preis sehe ich keinen Anreiz, damit es mit den erneuerbaren Energien beschleunigt weitergeht. Der Ölpreisverfall infolge der Coronakrise hat zudem jede Wirkung eines CO2 Preises zu Nichte gemacht, wovor Kritiker immer gewarnt haben. Die Regierung hat gerade erst stolz den Rückgang der Emissionen 2019 bekanntgegeben, der aber leider zu einem großen Teil auf den Ausbau der Erdgasverstromung zurückgeht. Aber der Umstieg auf Erdgas ist mitnichten ein Beitrag zum Klimaschutz, denken Sie mal an das freigesetzte Methan, dort, wo das Gas gefördert wird. Umweltministerin Schulze hat auch zurecht darauf hingewiesen, dass der Anstieg erneuerbarer Energien im Energiemix 2019 allein daran lag, dass es genug Wind und Sonne gab, aber nicht am Neuzubau.

…welchen staatlichen Rahmen wünschen Sie sich also?

Es braucht ein Zurück zur festen Einspeisevergütung, statt Ausschreibungen. Sie war es doch, die in den letzten Jahren einen Großteil der Investitionen ermöglicht hat. Die Bundesregierung hätte zudem längst die Möglichkeit gehabt, die novellierte Erneuerbare-Energien-Richtlinie der EU umzusetzen und damit alle Diskriminierungen für Bürgerenergieprojekte abzubauen. Das tut sie aber nicht. Ich lese daraus einfach den fehlenden Willen.

Besonders die Windindustrie steckt ja momentan in einer tiefen Krise. Welchen Anteil wird Wind Ihrer Ansicht nach in einer Zukunft mit 100 Prozent Ökostrom spielen?

Ich denke Wind wird in Zukunft 40 Prozent des Energiebedarfs decken, Solarenergie etwa 50 Prozent, den Rest steuern Wasserkraft, Bioenergien und Geothermie bei. Natürlich wird es, je nach den meteorologischen Gegebenheiten, regional große Unterschiede geben. Denn am kostengünstigsten ist es, die Energieerzeugung lokal auszubauen und zu vernetzten, sodass 80 bis 90 Prozent des Energiebedarfs regional gedeckt wird. Das heißt, wir werden auch um Onshore-Wind nicht herumkommen.

Welche Chance liegt darin für Bürgerenergiegenossenschaften? Wird die deutsche Energiewende auch in Zukunft von ihnen vorangetrieben werden?

In der Vergangenheit, mindestens bis 2010, haben Bürgerenergie Projekte etwa 90 Prozent aller Investitionen in Erneuerbare Energien ausgemacht. Sie haben im EEG die zentrale Rolle gespielt. Inzwischen haben die vier großen Energieversorger die Erneuerbaren für sich entdeckt, weil sie so günstig geworden sind. Das hat natürlich auch seine gute Seite, denn noch 2005 gab es seitens der Unternehmen die Pläne, 52 neue Kohlekraftwerke zu bauen. Wir dürfen nicht vergessen, wo die Konzerne herkommen.

Aber deren Lobby hat auch durchgesetzt, dass der Bau neuer Anlagen jetzt in Ausschreibungen geschieht, was es der Bürgerenergie unheimlich schwer macht. Damit liegt der Ausbau Erneuerbarer Energien jetzt weitgehend in den Händen der Oligopolisten.

Kann der freie Markt die Energiewende denn nicht selber regeln? Zum Beispiel werden ja langfristige Stromlieferverträge, sogenannte PPAs, für Erneuerbare-Energien-Anlagen momentan sehr hochgehalten.

Ich freue mich über jede Möglichkeit, die die Privatwirtschaft den Erneuerbaren Energien bietet. Aber in den nächsten fünf Jahren wird das nicht in einem Maße stattfinden, dass wir damit die Pariser Klimaziele erreichen können.

Wie kann dieser Ausbau denn gelingen, ohne Teile der Bevölkerung zu verlieren? Die Widerstände gegen Windräder werden immer größer, dazu wird ein Preis auf CO2 eingeführt und die Klimaziele erhöht. Das ist vielen schwer zu vermitteln.

Die Bevölkerung ist nur zu einem kleinen, aber extrem lauten Teil gegen den Ausbau der Erneuerbaren. Sehr viele Menschen wollen gerne regionale Wind- oder Solaranlagen bei sich errichten.

Aber ja, es wird einfach keine Akzeptanzpolitik gemacht. Zum einen sind die Beteiligungsmöglichkeiten der BürgerInnen duch die Umstellung auf Ausschreibung beschnitten worden, zum anderen gibt es keine großflächigen Aufklärungskampagnen zu Solar-, Wind- Wasserkraft- oder Biogasanlagen, weder auf deutscher, noch auf EU-Ebene. Deshalb wird mit Ängsten und Fake-Argumenten debattiert, die kaum tragbar sind. Der Staat muss die Debatte in die Hand nehmen. Dass er das nicht tut, zeigt, dass die Lobbyisten des alten, fossilen Apparates die Politik nach wie vor in der Hand haben.

(https://www.euractiv.de/section/energie-und-umwelt/interview/20-jahre-eeg-klarer-unwille-der-jetzigen-bundesregierung/)

Hammelburg, 01. April 2020

Ihr Hans-Josef Fell

 

Hans-Josef Fell

Hans-Josef Fell

Hans-Josef Fell ist ehemaliger Bundestags-Abgeordneter der Grünen in Deutschland und Präsident der Energy-Watch-Group.