Die Veröffentlichung der neuesten EWG-Studie zu einem Deutschlandszenario mit 100% Erneuerbare Energien in allen Energiesektoren bis 2030 fand in zahlreichen Medien Resonanz und es gab große Wahrnehmung in Politik und Gesellschaft. Rückmeldungen und Fragen sind in der EWG eingegangen. Um sich dieser Fragen anzunehmen, hat die Energy Watch Group die wichtigsten Fragen zur Studie noch einmal kurz und klar beantwortet.
Die 5 wichtigsten Fragen & Antworten
Führt das vorgeschlagene 100% erneuerbare Energiesystem für Deutschland zur Klimaneutralität?
Eine Versorgung mit 100% Erneuerbaren Energien ist zwar der wichtigste Baustein und damit unverzichtbar für ein klimaneutrales Deutschland; aber noch nicht ausreichend, um letzteres zu erreichen. Klimaneutralität bedeutet, dass alle Treibhausgasemissionen beendet werden oder Restemissionen durch Kohlenstoffsenken (wie z.B. Aufforstung) ausgeglichen werden müssen. Ein 100% erneuerbares Energiesystem bringt alle Energieemissionen auf null, womit zwar der mit Abstand größte Emissionssektor klimaneutral wird. Aber allgemeine Klimaneutralität ist das noch nicht, da es noch weitere nichtenergetische Emissionssektoren gibt (z.B. die Landwirtschaft).
Sind alle Emissionen der Industrie mit 100% EE erfasst?
Der Energiebedarf der Industrie (Strom, Erdöl, Kohle, Erdgas) ist in der Studie vollständig erfasst und wird ab 2030 zu 100% mit Erneuerbaren Energien gedeckt. Nicht erfasst ist der Einsatz fossiler Rohstoffe für die stoffliche Produktion (z.B. Erdgas und Erdöl für die Produktion von Plastik) oder Emissionen, die bei der Umwandlung von Stoffen entstehen (z.B. das Austreiben von CO2 aus dem Kalkgestein bei der Zementherstellung).
Sind in der Studie alle Erneuerbaren Energien erfasst?
Nein. In der Studie ist nur die Ökostromerzeugung und Nutzung erfasst. Diese wird aber 85% bis 95% der gesamten Energienachfrage in einem 100%-Erneuerbare-Energien-Szenario abdecken. Der nicht unbedeutende Rest der erneuerbaren Energiebereitstellung durch andere Technologien wird durch Solarthermie, Geothermie, Biokraftstoffe und weitere Nicht-Strom-Energie gedeckt.
Ist die Versorgung auch in Dunkelflauten gesichert?
Ja, die Speicher und insbesondere die thermischen Kraftwerke mit Bioenergie oder grünem Wasserstoff sind so dimensioniert, dass selbst unter extrem ungünstigen Bedingungen für Wind- und Solarstrom (wie z.B. im Januar 2017) immer genügend Strom geliefert werden kann, um die entsprechende Nachfrage zu decken. Im Zusammenspiel mit dem europäischen Verbundsystem und bei der Nutzung von industriellen Flexibilisierungsmöglichkeiten ergibt sich eine weitere, in den Szenarien nicht berücksichtigte, zusätzliche Absicherung. Bei Nutzung all dieser Flexibilitätsoptionen könnte man de facto sogar mit weniger Speichern, Wasserstoff und Bioenergie auskommen ohne, dass die Lichter ausgehen müssen.
Werden die Klimaziele von Paris durch die Umsetzung des vorgestellten Energiesystems eingehalten?
Das Szenario zeigt lediglich auf, wie das Energiesystem gestaltet werden kann, um das Klima im Jahr 2030 nicht weiter zu belasten und keine weiteren energiebedingten Treibhausgasemissionen mehr zu verursachen. Um das Klimaziel von 1,5 °C einzuhalten, müssten darüber hinaus die Emissionen aus der stofflichen Nutzung sowie aus der Land- und Forstwirtschaft im ungefähr gleichen Zeitraum insgesamt eine ausgeglichene Bilanz erreichen. Wie das vollständig gelingen kann, muss weiter erforscht werden.
Hammelburg, 2. Juni 2021
Ihr Hans-Josef Fell