Stadt Wien verlangt mit 17.500 Euro 100 Mal so viel, wie für ein vergleichbares Loch für Gasleitungen.

Bohrung für Geothermie (hier in Korneuburg) ist in Wien ein teures Vergnügen. Foto: H. Starmühler

Wie kann es sein, dass für ein Bohrloch zur klimaschonenden Wärmeversorgung mittels Geothermie seitens der Stadt Wien 100 Mal so viel verlangt werden soll, wie für ein vergleichbares Loch im Gehsteig für Gasleitungen? Das fragen sich frustrierte Erdwärme-Aspiranten in der österreichischen Bundeshauptstadt.

In der jüngsten Zeit scheinen für die Nutzung der lokal verfügbaren, erneuerbaren Energie Erdwärme unerwartete Hürden aufzutauchen. Als Vertreter des Österreichischen Geothermiesektors wird der Verein Geothermie Österreich (GTÖ) immer wieder gefragt, was denn tatsächlich zu tun wäre, um das gemeinsame Ziel eines klimaneutralen Österreichs bis 2040 zu erreichen. Anlassbezogen wird dazu Stellung genommen.

Wer mehr CO2-freie Energie in Wien will, kann nicht einerseits EUR 7.500,-- Förderung gewähren um dann andererseits EUR 17.500,-- Nutzungsgebühr zu verrechnen...
Verein Geothermie Österreich (GTÖ) 

Der Geothermie-Verein schreibt: „Seit Jahren verfolgt die Stadt Wien einen glaubhaften, mit gutem Budget hinterlegten Dekarbonisierungskurs. Besondere Aufmerksamkeit gebührt den Anstrengungen der MA 20 – Energieplanung, die in den letzten Jahren positive Weichenstellungen getätigt bzw. vermittelt hat. Unter anderem hat sich die MA 20 auch dafür eingesetzt, öffentlichen Raum bzw. Grundstücke im Eigentum der Stadt Wien für Geothermie nutzbar zu machen. Hier ist auch die Stadtbaudirektion aktiv und versucht positiven Einfluss auf andere Bereiche der Stadt auszuüben.

...doch gerade im Kontrast zu diesen positiven Entwicklungen und Vorsätzen, fallen kontraproduktive Hürden umso mehr auf:
Bei der Umstellung von z.B. Gründerzeithäusern auf Geothermieversorgung zeigt sich oft, dass der Eigengrund ohne Abriss und Neubau einfach zu klein für eine volle Wärme- /Kälteversorgung durch Erdwärme ist. Aus diesem Grund wurde seit mehreren Jahren von Firmen beantragt, den Gehsteig vor betroffenen Gebäuden für diese Art der Energiegewinnung nutzbar zu machen. Der Status nach mehrjähriger Überzeugungsarbeit ist ernüchternd:

Gehsteige und Straßen:

Diese Flächen werden von der MA 28 verwaltet. Ende Dezember 2022 wurde ein Regelblatt veröffentlicht, welches klare Regelungen darüber trifft wer welchen Grund nutzen darf. Dies ist ein sehr begrüßenswerter Schritt in die richtige Richtung, viele Randbedingungen wurden berücksichtigt. Eine Randbedingung ist jedoch leider problematisch - im Zuge der ersten Genehmigungen Ende Dezember 2022 wurden die Kosten bekannt: Die MA 28 will etwa für die Nutzung von weniger als zwei Quadratmetern Grundstücksfläche auf einem Gehsteig in 1150 Wien über EUR 17.500,--! Diese enormen Kostensätze sind annähernd prohibitiv...

Der Hauptgrund warum oberflächennahe Erdwärme noch nicht jedes Haus mit umwelt- und klimafreundlicher freier Wärme und Kälte versorgt, sind die hohen Investitionskosten für Erdwärmebohrungen. Es gibt seit Jahrzehnten Regelsätze wie viel die Nutzung von einem Quadratmeter Gehsteig zur Leitungsverlegung kostet.

Diese wurden hier nicht angewandt, sondern um den Faktor 100 und mehr erhöht! Durch diese Regelung erhöht nun die MA 28 die Investitionskosten zur Nutzung von Erdwärmesonden um ca. 50%. Der GTÖ vermutet, dass diese Auswirkung bei der Festsetzung der Kostensätze nicht bekannt war und hofft, dass die MA 28 diese prohibitiven Kosten pro Quadratmeter auf das Niveau der Kosten für die Verlegung von Gasleitungen oder Internetkabel auf öffentlichem Grund absenken wird.

Parks:

Diese Flächen werden von der MA 42 verwaltet. Es scheint hier keine einheitliche Behandlung von Anfragen zur Erdwärmegewinnung zu geben. Erst kürzlich wurde die Bitte, eine Wasserleitung mit Grundwasser zur Verbindung von zwei Gebäuden neben einem Park zu einer hocheffzienten Wasser/Wasser Geothermie Anlage zu verlegen, ohne Angabe von Gründen abgelehnt.
Andere Grünflächen: Die MA 49 – der Klima-, Forst- und Landwirtschaftsbetrieb der Stadt Wien – verwaltet erhebliche Grünflächen in Wien. Auch hier wurde erst im vergangenen Jahr eine Zufahrt über lediglich 25 Meter einer landwirtschaftlichen Nutzwiese zu einer Geothermiebohrung ohne Angabe von Gründen untersagt – obwohl auf eben dieser Wiese generell schwerere Geräte zur Bewirtschaftung verkehren.

Der GTÖ hofft, dass sowohl die MA 42 als auch die MA 49 diese Praxis überdenken und einheitliche Rahmenbedingungen sowie transparente Auflagen definieren, unter denen es möglich wird, Leitungslegungen oder Bohrungen in diesen Grünflächen kostengerecht durchzuführen – oder auch nur Überfahrten mit Bohr- oder anderen Geräten zur Erdwärmenutzung zu vernünftigen Regelsätzen zu ermöglichen.

Dringende Bitte um faire Behandlung erneuerbarer Energie
Der GTÖ versteht das Bedürfnis der Stadt, Grund und Boden nicht gratis zur Nutzung bereitzustellen. Es ist jedoch zu hinterfragen, ob eine umwelt- und klimafreundliche energetische Nutzung des öffentlichen Raums nicht bevorzugt, rasch, unbürokratisch und möglichst kostengünstig durchgeführt werden sollte. Die derzeit geltenden Kostensätze übersteigen jedenfalls mehrfach alle angebotenen Förderungen zur Verbreitung von CO2- freier Energie! Wer mehr CO2-freie Energie in Wien will, kann nicht einerseits EUR 7.500,-- Förderung gewähren um dann andererseits EUR 17.500,-- Nutzungsgebühr zu verrechnen...

Website: www.geothermie-oesterreich.at

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