Kühles Wohnzimmer auch ohne neue Klimaanlage? Ja, sagt das Fraunhofer Institut. Aber auf Kondenswasser ist zu achten.

 Blick auf die Ecke des Testraums mit Radiator. Foto: Fraunhofer IBP
Blick auf die Ecke des Testraums mit Radiator. Foto: Fraunhofer IBP

Wenn die Fenster nicht zu groß und die Heizkörper nicht zu klein sind, können die Radiatoren zu Kühlzwecken durchaus verwendet werden – genauso wie Fußbodenheizungen. Dann eben als Fußbodenkühlungen. 

Das könnte ein gangbarer Weg für viele Wohnungen und Büros werden. Und das hat viel Sinn, denn die die Lage verschlimmert sich zusehends: Durch den Klimawandel nimmt die Zahl heißer Sommertage stetig zu.

Erhöhten Energieverbrauch durch Klimageräte vermeiden
Büros und Wohnungen heizen sich auf, die Nächte bringen kaum Abkühlung. Vor diesem Hintergrund ist mit einer deutlichen Zunahme an Neuinstallationen von Klimageräten auszugehen. Damit einher geht ein erhöhter Energieverbrauch. Eine potenzielle kostengünstige Alternative stellt die Nutzung des bereits installierten Heizsystems dar.

Wärmepumpe als Kältepumpe
Die zugehörige Wärmepumpe lässt sich im Umkehrbetrieb effektiv zum Kühlen einsetzen, wie eine Analyse des Fraunhofer-Instituts für Bauphysik IBP in Stuttgart (D) ergab. 

Hintergrund: Der weltweite Energieverbrauch von Klimaanlagen steigt kontinuierlich. Für die Kühlung von Wohn- und Geschäftsgebäuden wurden im Jahr 2016 rund 2000 Terrawattstunden verbraucht, so die Angaben der Internationalen Energie Agentur (IEA). Das sind geschätzt etwa zehn Prozent des gesamten Stromverbrauchs der Welt. Bis 2050 könnte sich diese Menge verdreifachen: Bis dahin würden in jeder Sekunde zehn Klimaanlagen verkauft. In Deutschland rechnen Experten in den nächsten 20 Jahren mit einer Verdoppelung des Kühlenergieverbrauchs im Wohngebäudebereich. Bei Nichtwohngebäuden ist laut Umweltbundesamt ein Anstieg von 25 Prozent zu erwarten.

Gleiches System für Heizen und Kühlen
Doch wie lässt sich die zu erwartende deutliche Zunahme an Neuinstallationen von Kühlsystemen vermeiden? Dieser Problematik stellten sich Forschende am Fraunhofer IBP. »Wenn man in Bestandsgebäuden eine vorhandene Wärmepumpe, also den Wärmeerzeuger, im reversiblen Betrieb zum Kühlen einsetzen könnte, ließe sich für die Kühlung das gleiche System verwenden, das bereits zum Heizen installiert ist«, sagt Sabine Giglmeier, Wissenschaftlerin am Fraunhofer IBP. So könne man die Neuanschaffung von Klimageräten umgehen und Energie einsparen.

Potenzialanalyse mit Radiatoren und Fußbodenheizungen
Für eine Einschätzung, inwiefern sich mit dieser Technologie sommerliche Überhitzung vermeiden lässt, haben die Ingenieurin und ihr Team eine Potenzialanalyse mit zwei Heizsystemen durchgeführt: Untersucht wurde, ob Radiatoren und Fußbodenheizungen, also die Wärmeverteiler, Klimageräte ersetzen können, die oftmals in Bestandsgebäuden verwendet werden.

Hoher Stromverbrauch der Klimageräte
Bei diesen Geräten wird die Abwärme über einen Schlauch durchs Fenster oder über einen Durchbruch in der Wand abgeführt. »Solche Klimaanlagen verbrauchen nicht nur viel Strom, sie sind laut und erzeugen Zugluft. Wenn sie nicht richtig gewartet werden, können hygienische Probleme entstehen«, so die Forscherin.

Es funktioniert – aber Tauwasser ist zu beachten
Das Ergebnis der Untersuchungen: Sowohl Radiatoren als auch Fußbodenheizungen haben das Potenzial, in Büroräumen mit einer Standardgröße von 16 qm2, Fenstergrößen bis zu drei qm2 und zwei Mitarbeitenden, die Raumlufttemperatur im Sommer signifikant zu reduzieren und einen angenehmen Kühleffekt zu erzeugen, ohne dass dabei unerwünschtes Tauwasser an kalten Oberflächen entsteht. Notwendig ist die Steuerung der Vorlauftemperatur des Systems entsprechend dem Taupunkt der Raumluft, um Bauschäden durch Tauwasserausfall zu vermeiden.

Wassertemperatur muss über dem Taupunkt liegen
„Die Taupunkttemperatur ist ein kritisches Maß, das wir bei unseren Berechnungen beachten müssen. Denn Feuchtigkeit schlägt sich an der Oberfläche nieder, wenn die Oberfläche kälter ist als die Taupunkttemperatur der Luft. Wichtig ist es daher, taupunktgeführt zu kühlen. Sprich, wenn die Taupunkttemperatur bei 13 Grad Celsius liegt, leiten wir kein Wasser durch die Heizung, das kälter ist, da das Wasser aus der Luft am Heizkörper und an den Zuleitungen kondensiert und sich Feuchte bilden kann.«

Reduktion der Überwärmungsstunden um bis zu 65 Prozent
Ein weiteres wichtiges Kriterium für die Berechnungen sind die Übertemperaturgradstunden. Dieses Maß gibt die Anzahl der Stunden und Kelvin über der Grenztemperatur des Raumes, die bei 26 Grad Celsius liegt, im Jahr an. In Wohngebäuden sind maximal 1200 Übertemperaturgradstunden, in Büros nur 500 im Jahr zulässig. Die Berechnungen der Forscherinnen und Forscher ergaben eine Reduktion der Übertemperaturgradstunden um über 40 Prozent bei einer Radiatorgröße von 70 Zentimeter mal ein Meter. Bei doppelt so großen Radiatoren lässt sich eine Reduktion von 65 Prozent erzielen im Vergleich zu einem ungekühlten Raum.

Alterantive zu teuren Klimageräten
»Alles in allem konnten wir nachweisen, dass die über Radiatoren abgegebene Kühlleistung bei einem moderaten Fensterflächenanteil ausreichend ist. Bei hohem Fensterflächenanteil hingegen ist eine größere Kühlfläche nötig, um komfortable Raumklimabedingungen einzuhalten. Diese Fläche kann über Fußbodenheizungen bereitgestellt werden, die nochmal deutlich höhere Kühleffekte erzielen, wie unsere Tests ergaben«, resümiert Giglmeier. Wärmepumpen mit Kühlfunktion könnten in Bestandsgebäuden eine Alternative zu teuren Klimageräten sein.

Wohlfühlfrage noch unbeantwortet
Noch zu prüfen ist nun, inwieweit das Gesamtsystem die Behaglichkeit des Nutzers beeinflusst, etwa durch zu kalte Fußböden, oder ob sich Temperaturwechsel auf Fußbodenbeläge und andere Materialien im Raum auswirken.

Die Potenzialanalyse der IBP-Forschenden wurde vom Fraunhofer-Leistungszentrum Mass Personalization gefördert.

Weitere Infos: 
Fraunhofer-Institut für Bauphysik IBP

(hst)

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