Kommentar von Herbert Starmühler
Herausgeber energie:bau Magazin
Tiny-Houses und Sharing Economy, Mini-Appartments und Neue Einfachheit – wer will mir den ganzen Bescheidenheits-Kram eigentlich einreden?
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Irgendwer da draussen will mich mit dem Argument ködern, dass alles nur ein bisschen kleiner sein möge, schon käme man in den Himmel.
Lieber nicht selbst besitzen, sondern ausborgen und verleihen, an dieser Weisheit würd‘ die Welt genesen. Winzig sei die wahre Größe – der Natur zuliebe, oder irgendwelchen bedrohten Völkern. Nun will ich nicht bestreiten, dass Überfluss und Übermut selten gut tun.

Oder wie der Dichter Adalbert Stifter sagte: Das rechte Maß besiegt den Erdkreis! Womit die Mäßigung gemeint war, im Gegensatz zur Völlerei jedweder Sorte.Aber ein Tiny House? So eine Bretterbude, bei der man den Herd hochklappen muss, um sich ins Bett legen zu können? Oder ein Mini-Appartment, weil es die Natur verlangt? 40 Quadratmeter Nachhaltigkeit? 

Leute, lasst euch das nicht einreden! Tiny und Mini und Sharing – das gibt es, weil in Europa eine prekäre Verdienst- und Verteilungslage entstanden ist: Weil Millionen junger Leute niemals mehr das Geld verdienen werden, um vernünftig wohnen zu können. Und ein eigenes Auto zu erhalten für sie schlichtweg unleistbar wurde. Wer nicht das Glück hat, vermögende Eltern sein eigen nennen zu können, muss heute nolens volens auf Kubikmeter verzichten.

Niemand, außer vielleicht ausgemachte Überzeugungstäter, würden, hätten sie die nötigen  Barschaft, auf Größe verzichten: Ein eigenes Haus ist eben komfortabler als die kleine Mietwohnung, das geräumige Auto vor der Tür praktischer als jedwede Car-Sharing-Schüssel.

Und kommt mir nicht mit der Energie! Die Sonne schickt uns gratis-Energie vom Himmel, das reicht für die 1.000-fache Menschheit, Tag für Tag, Jahr für Jahr. Um nur eine der erneuerbaren Primärenergien zu nennen. An dem ganzen Tiny-Hype klebt viel Verlogenheit. Besser wär eine Systemänderung, bei der alle genug verdienen, um eine seriöse Entscheidungsgrundlage zu haben: Wer sich DANN immer noch für eine Mini-Behausung erwärmt, hat dann auch unseren Beifall.
Herbert Starmühler

Dr. Herbert Starmühler

Herausgeber energie:bau Magazin

ist Herausgeber dieser Publikation energie-bau.at und verschiedener Fachmagazine im Bereich Technik, Architektur und Energieeffizienz. Als seit Jahren leidenschaftlicher E-Auto-Fahrer und Bezieher eigenen Sonnenstroms ist der Journalist jederzeit für innovative Ideen zu begeistern und holt sich beim Networken gerne Inspiration für neue Projekte.