Das Kapitalmarktgesetz und das Bankwesengesetz engen die Spielräume für gemeinschaftliche Finanzierung (Crowdfunding) von Projekten und Unternehmens-Investitionen in Österreich extrem ein. Auf Vorschlag der Bürgerinitiative des Waldviertler Schuhproduzenten Heini Staudinger (GEA) behandelte gestern der Finanzausschuss des Parlamentes die Materie. Man konnte sich in einem ersten Schritt darauf verständigen, dass für Genossenschaften die teure Prospektpflicht von 100.000 auf 750.000 Euro Projektvolumen angehoben wird. Darunter wird der Anlegerschutz einfach, darüber muss ein voluminöser Prospekt (mit Kosten ab ca. 100.000 Euro) aufgelegt werden.
Bis zum letzten Plenum am 3./4. Juli sollen die 750.000 Euro auch für alle anderen Körperschaften ausverhandelt und dann beschlossen werden. Zum Vergleich: In Europa sind fünf Millionen Euro Volumen erlaubt (und nicht unüblich), die österreichischen Grünen wollen 3 Milllionen Euro als Prospekt-Schwelle. Als Crowfunding-Bremser fungiert die SPÖ, die ÖVP ist eher auf Grünen-Linie.
Weitere Änderungen zur Erleichterung der Bürgerbeteiligungen, wie sie Heini Staudinger vorgeschlagen hatte, werden erst nach den Nationalratswahlen behandelt werden.
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Auszug aus dem Finanzausschuss vom 25. Juni 2013 (Quelle: http://www.parlament.gv.at/PAKT/PR/JAHR_2013/PK0598/index.shtml)
Bürgerinitiative für die Kreditfreiheit von BürgerInnen
Eine gesetzlich geregelte allgemeine Freiheit der direkten Kreditgewährung fordert der Waldviertler Schuhfabrikant Heinrich Staudinger als Erstunterzeichner einer Bürgerinitiative ( 55/BI). Die Bankenkrise habe das Vertrauen der Menschen in etablierte Institutionen des Geldwesens und die Bedingungen für die Finanzierung von Klein- und Mittelbetrieben drastisch verschlechtert und zur Entdeckung direkter Möglichkeiten der Kreditgewährung durch innovative Unternehmer, Initiativen und BürgerInnen geführt, die ihr Geld aufgrund eigenen Urteils und eigener Entscheidung ohne Bankenzwang direkt für Unternehmen und Initiativen ihres Vertrauens zur Verfügung stellen wollen, statt es einer Bank zur Verwendung für (meist) unbekannte Zwecke zu geben. Dagegen hat die Finanzmarktaufsicht (FMA) Verwaltungsstrafverfahren mit der Begründung eingeleitet, diese Finanzierungsform stelle ein gewerbliches Einlagengeschäft dar, die sofortige Rückzahlung der Darlehen verlangt und mit empfindlichen Strafen gedroht, berichtet Staudinger. Ein positiver Ansatz zur Kreditversorgung von KMU sowie ökologischer und sozialer Initiativen werde dadurch gefährdet , klagt Staudinger und schlägt vor, im Bankwesengesetz klarzustellen, dass die Entgegennahme von Darlehen zur direkten Verwendung im Betrieb oder für Initiativen wie z.B. Bürgerkraftwerke oder Sozialprojekte kein gewerbliches Einlagengeschäft darstellt. Die Entgegennahme von Darlehen zur Finanzierung von Investitionen aus dem Kundennetz und Freundeskreis sei kein bankgewerbliches Einlagengeschäft, argumentiert Staudinger. Denn das Einlagengeschäft der Banken besteht gerade nicht in der unmittelbaren Verwendung des Geldes, sondern in der Weitergabe der eingelegten Gelder an Kreditnehmerlnnen.
Abgeordneter Kai Jan Krainer (S) schlug vor, es KMU, NGO und Gemeinden zu ermöglichen, bei der Sammlung von Einlagen bis zu 750.000 € auf eine Prospektpflicht zu verzichten. Jemand, der sich Geld von anderen ausborge, müsse sagen, wer er sei, was er bis jetzt getan habe, wofür er das Geld verwenden werde und unter welchen Bedingungen er es zurückzahlen werde. Eine solche minimale Informationspflicht und ein Schutz der Anleger könnte durch eine Kontrolle der KMU durch das Austria Wirtschaftsservice, von NGOs durch die Gütezeichenkontrolle und im Fall von Gemeinden durch die Gemeindeaufsicht gewährleistet werden.
Demgegenüber hielt es Abgeordneter Peter Westenthaler (B) für unverständlich, warum BürgerInnen nicht die Möglichkeit haben sollen, einem kleinen Bäcker ohne Prospektpflicht Geld zu borgen, damit er einen Backofen bauen kann. Dies werde das österreichische Bankensystem nicht ins Wanken bringen, zeigte sich Westenthaler überzeugt.
Abgeordneter Michael Ikrath (V) hielt es für wichtig, KMU ergänzende Formen der Finanzierung zukommen zu lassen und wandte sich dabei gegen "Modelle kollektiver Besachwaltung".
Auch Abgeordneter Maximilian Linder (F) sprach sich für die Zulassung von Crowd-Funding und für mehr Freiheit für die Menschen bei der Entscheidung darüber aus, was sie mit ihrem ersparten Geld tun wollen.
Abgeordneter Werner Kogler (G) identifizierte die Frage des Anlegerschutzes und die hohen Prospektkosten als Problem und hielt es ebenfalls für wichtig, mehr Freiheit für Anleger bei Investitionen in die regionale Realwirtschaft zuzulassen.
Demgegenüber erinnerte Abgeordneter Christoph Matznetter (S) daran, dass der "Tsunami der Deregulierung" zu den Ursachen der Finanzkrise des Jahres 2008 gezählt habe und gab zu bedenken, dass das Wesen einer Spareinlage darin bestehe, jederzeit behebbar zu sein, was KMU nicht gewährleisten können.
Ausschussobmann Günter Stummvoll (V) registrierte das Aufeinanderprallen ideologischer Positionen beim Thema alternative Finanzierungsformen für KMU, NGO und Gemeinden und regte an, die Gespräche in den nächsten Tagen zielorientiert fortzusetzen.
Staatssekretär Andreas Schieder sah die Frage nicht ideologisch, sondern mahnte eine konsequente Haltung in der Frage des Anlegerschutzes an, der nicht nach kleinen oder großen Beträgen differenziert werden dürfe. Schieder unterstrich die Notwendigkeit eines Minimums an Information und Schutz der Anleger und hielt daher die Börse für den richtigen Ort, Unternehmen zu finanzieren, denn dort gelten gleiche Spielregeln für alle Anleger. Darüber hinaus wies Schieder auf zahlreiche bestehende Möglichkeiten hin, KMU zu finanzieren, wobei er Anleiheplattformen nannte und im Fall Heinrich Staudingers einmal mehr auf die Möglichkeit einer Genossenschaftslösung aufmerksam machte.
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Pressemitteilung zur Behandlung der Anliegen der parlamentarischen Bürgerinitiative im Finanzausschuß
Ergänzter Gesetzesvorschlag



