Zu einer Nullemissionswirtschaft gehört als Kern eine Energieversorgung ohne fossile Energien mit 100 Prozent Erneuerbaren Energien. Doch dies allein genügt nicht, da auch unsere Stoffwirtschaft erhebliche Emissionen verursacht, was insbesondere an den Schornsteinen der Müllverbrennung zu sehen ist. Auch die intensive Landwirtschaft verursacht erhebliche Treibhausgasemissionen, insbesondere Lachgas. Grundsätzlich sollten in allen Bereichen im Prinzip keine Emissionen mehr entstehen.
„Geht nicht, ist utopisch, nicht machbar und zu teuer.“
Den meisten Menschen, auch Entscheidungsträgern, erscheint die Aufgabe, eine solche Nullemissionswelt zu schaffen, viel zu komplex und zu groß. Daher höre ich als vielfache Antwort auf die Forderung nach Nullemissionen bis 2030: „Geht nicht, ist utopisch, nicht machbar und zu teuer.“
Die Konsequenz dieses Denkens und Handelns ist jedoch fatal: Wenn wir uns nicht für das Engagement und das Geld für Nullemissionen bis 2030 einsetzen wollen, dann landen wir gemeinsam als Menschheit im „kollektiven Suizid“ und in der „Klimahölle“, wie es UN-Generalsekretär Antonio Guterres formuliert.
Dabei gibt es bereits seit einiger Zeit erfolgreiche Projekte und wirklich ambitionierte Ziele, die mit Maßnahmen einhergehen, die Nullemission bis 2030 angehen und daher nicht aufgeben.
Oslo hat das Ziel 100 Prozent Nullemission bis 2030 zu verwirklichen
Ein starkes Beispiel ist die norwegische Hauptstadt Oslo. Dort wurde der politische Beschluss gefasst, bis 2030 die gesamte Stadt nahezu emissionsfrei zu gestalten, indem die Emissionen um 95 Prozent reduziert werden.
Alle Bereiche werden in Oslo konsequent auf Nullemission 2030 getrimmt:
Ein umfangreicher Maßnahmenkatalog für ein emissionsfreies Oslo sieht viele Aktivitäten vor. 16 Bereiche – im Prinzip das gesamte öffentliche und wirtschaftliche Leben – sollen emissionsfrei werden.
Der Energiesektor: Strom, Heizungen, Verkehr und Industrie sollen vollkommen auf 100 Prozent heimische Erneuerbare Energien umgestellt werden.
Grünanlagen und Außenbezirke sollen durch Aufforstungen und Begrünungen zu Kohlenstoffsenken werden, die nahezu keine Emissionen mehr erzeugen.
Der Hafen Oslo soll der erste emissionsfreie Hafen der Welt werden: Schiffe, Fähren und LKW-Verkehr sollen allesamt auf elektrischen Antrieb umgestellt werden.
Der Bausektor soll auf emissionsfreie Technologien wie Holz oder emissionsfreien Zement umrüsten.
Im Abfallsektor ist das Ziel eine emissionsfreien Kreislaufwirtschaft, die weitgehend keine Abfälle mehr produziert und somit die Müllverbrennung, die heute noch eine der größten Quellen für Emissionen ist, überflüssig machen soll.
Ein umfassendes Monitoring belegt bereits heute, dass Oslo in den letzten Jahren die Treibhausgasemissionen erfolgreich reduziert hat und überwacht die Einhaltung der Reduktionsziele.
Da der Straßenverkehr der Hauptemittent von Treibhausgasen in Oslo ist, liegt ein besonderer Fokus auf Maßnahmen zur Stärkung des öffentlichen Verkehrs, Förderung des Fahrradverkehrs und konsequente Umstellung auf elektrische Antriebe. Bis spätestens 2030 sollen alle Busse emissionsfrei sein. Die Umstellung der Dieselbusse auf E-Busse bringt nicht nur Vorteile im Hinblick auf den Klimaschutz, sondern bietet auch zahlreiche andere Vorzüge für die Stadt, darunter die Verbesserung der Luftqualität und die Reduzierung des Wartungsaufwandes sowie erhebliche Energiekosteneinsparungen für die Busbetreiber. Der Strom für alle elektrischen Antriebe soll aus Erneuerbaren Energien gewonnen werden, wobei die Wasserkraft in Norwegen optimale Voraussetzungen bietet.
Oslo ist in Teilbereichen bereits auf einem guten Weg und kann das schaffen
Dass Oslo das schaffen kann, zeigen zum Beispiel die Verkaufszahlen von emissionsfreien Elektroautos:
Anteil von E-Autos 93 Prozent
Im September 2023 betrug der Anteil von elektrischen Antrieben an allen verkauften Autos 93 Prozent, wobei 87 Prozent reine batterieelektrische Autos waren – ein weitaus größerer Anteil als in allen anderen Ländern und Städten der Erde.
Dieses Beispiel verdeutlicht, dass weit mehr möglich ist, wenn ein klarer politischer Wille zur Erreichung von Nullemissionen bis 2030 formuliert und mit entsprechenden Maßnahmen umgesetzt wird.
Und andere Städte?
Wenn Oslo dazu in der Lage ist, dann haben auch andere Städte diese Möglichkeit. Die deutsche Hauptstadt Berlin könnte sich beispielsweise an der norwegischen Hauptstadt Oslo orientieren und ebenfalls das Ziel der Nullemission bis 2030 anstreben.
Es gibt zahlreiche Studien, die belegen, dass eine rasche Umstellung auf eine Nullemissionswirtschaft machbar ist. Eine neue EU-Studie zeigt beispielsweise, dass die gesamte EU bis 2030 bereits auf 100 Prozent Ökostrom umsteigen kann.
Die Kehrseite der norwegischen Wirtschaft: Rekordgewinne mit Erdöl und Erdgas
Norwegen verdient sein Geld hauptsächlich mit Erdöl und Erdgas. Damit gehört Norwegen zu einem der Hauptverursacher der globalen Erdaufheizung. Etwa 25 Prozent des Erdgaskonsums der EU kommt aus Norwegen. Alleine im 1. Quartal 2022 sprudelten so 26 Milliarden Euro nur für Erdgasverkaufserlöse nach Norwegen. Seit dem Beginn des Krieges in der Ukraine haben sich die Einnahmen norwegischer Konzerne, insbesondere von Equinor, aufgrund der Preiserhöhungen auf ein Rekordniveau erhöht.
Die Emissionen aus norwegischem Erdöl und Erdgas werden jedoch nicht Norwegen zugerechnet, sondern den Verbraucherländern wie Deutschland. Dadurch kann Norwegen leicht den Anschein erwecken, ein klimaschützender Saubermann zu sein, obwohl dies nicht der Fall ist.
Auf der COP 28 in Dubai wird der weltweite Ausstieg aus der fossilen Energienutzung gefordert
Der größte Streitpunkt auf der kommenden Weltklimakonferenz in Dubai wird der weltweite Ausstieg aus der fossilen Energienutzung sein.
Um im Klimaschutz wirklich ehrlich und wirksam zu sein, müssten norwegische Regierungsvertreter bei ihrer Reise nach Dubai einen Beschluss oder eine Absichtserklärung vorlegen, in der sie sich verpflichten, die Förderung und den Verkauf fossiler Rohstoffe wie Erdgas und Erdöl bis zum Jahr 2030 komplett einzustellen.
Dann würden viele andere Städte und Länder in der Welt dem Beispiel Oslo rasch folgen und emissionsfrei werden wollen. Denn ein Ende der norwegischen Erdgas- und Erdölförderung würde weltweit eine Verknappung und damit eine erhebliche Verteuerung der fossilen Rohstoffe bringen und so den fossilen Verbrauch auch in vielen anderen Ländern schnell senken. Vor allem dann wären die großen Klimaschutzmaßnahmen und -ziele in Oslo und Norwegen auch wirklich vorbildlich und wirksam.
Als Konsequenz würde beispielsweise auch Deutschland die Planung für neue klimaschädliche Erdgaskraftwerke oder den Import von klimaschädlichem blauem Wasserstoff aus Norwegen schnell beenden müssen. Denn ohne die großen Mengen aus Norwegen würde das Erdgas weltweit schnell sehr teuer und knapp werden und so dem Erdgasbezug und dem blauen Wasserstoff der ökonomische Boden entzogen.
Insofern trägt also auch Deutschland Verantwortung dafür. Doch die Ausbaupläne der Ampelkoalition für neue Erdgaskraftwerke und blauen Wasserstoff machen die Bemühungen Deutschlands auf der COP28 für einen fossilen Ausstieg unglaubwürdig.
Norwegischer Förderstopp für Erdöl und Erdgas ist ab 2030 erforderlich
Und genau hier liegt das Problem bei Oslos Ziel der Emissionsfreiheit: Die Förderung und der Export von Erdgas und Erdöl bleiben unberührt, was bedeutet, dass die Klimabilanz der Hauptstadt Norwegens im Hinblick auf das Ziel der Nullemissionen bis 2030 letztendlich nicht so positiv ausfallen wird, wie es aus dem politischen Beschluss ersichtlich ist.
Norwegen besonders stark von den Folgen des Klimawandels betroffen
Sollte Norwegen tatsächlich einen echten Klimaschutz anstreben, dann müsste es eben auch die Erdöl- und Erdgasförderung einstellen. Allein zum Schutz des eigenen Landes vor den katastrophalen Auswirkungen des Klimawandels ist dies dringend erforderlich. Norwegen und Oslo werden in den kommenden Jahrzehnten besonders stark von den Folgen des Klimawandels betroffen sein, darunter das mögliche Versiegen des Golfstroms, der Anstieg des Meeresspiegels, das Schmelzen der Gletscher, vermehrte Stürme im Nordatlantik, Waldbrände selbst in den nördlichen Regionen der Samen und vieles mehr. Die Hitzewellen, Dürren und Waldbrände in Skandinavien in den letzten Jahren waren nur ein Vorgeschmack.
Immerhin: Norwegische fossile Einnahmen finanzieren Klimaschutz und nicht Terror und Kriege
Bedeutsam ist aber der große Unterschied der Verwendung der Finanzeinnahmen aus dem klimaschädlichen Erdöl- und Erdgasgeschäft in Norwegen im Vergleich zu den arabischen Ländern oder Russland. Norwegen setzt diese Einnahmen ein, um die Hauptstadt emissionsfrei zu gestalten, während Russland und arabische Länder sie hauptsächlich für Kriege oder die Unterstützung islamistischen Terrors verwenden.
Damit steht Norwegen klar auf der Seite der Humanität, selbst wenn die fossilen Geschäfte des Landes die Menschheit mit in den kollektiven Suizid stürzen.