Allein die EU hat nach Angaben von Tecson seit Kriegsbeginn 35 Milliarden Euro nur für Erdgaseinkäufe nach Russland transferiert. Im erschreckenden Kontrast dazu: Das internationale Geberpaket von gut 10 Milliarden Euro für humanitäre Hilfe der Kriegsopfer ist sehr viel kleiner als die Kriegsfinanzierung durch die enormen Energieeinkäufe in Russland.
Damit Deutschlands Energieversorgung im Zuge des notwendigen Boykotts russischer Energielieferungen auch im kommenden Winter gesichert ist, braucht es einen rasanten Ausbau der Erneuerbaren Energien in Verbindung mit substanziellen Energiesparmaßnahmen. Ein Energienotstandsgesetz, welches alle Bremsen für den Ausbau der Erneuerbaren Energien und der Energieeinsparung löst, ist dringend erforderlich.
Dagegen verbietet sich eine Diversifizierung von Erdöl, Erdgas und Kohle, z.B. mit LNG aus Katar, schon aus Klimaschutzgründen. Zudem wird das LNG sehr teuer werden und die angepeilten neuen LNG-Terminals können erst in einigen Jahren LNG-Gas empfangen. Dennoch werden hierfür massive Subventionen freigesetzt und schnelle Genehmigungen versprochen. Für das höchst klimaschädliche LNG aus Katar oder USA wird also alles getan, damit es russische Erdgaslieferungen ersetzen kann. Doch für den kommenden Winter werden die neuen LNG-Terminals keinen Beitrag liefern können.
Anders verhält es sich mit dem Ausbau der Erneuerbaren Energien. Sie könnten in diesem Sommer, Herbst und Winter substanziell viel neue Energie liefern, wenn die unter der Kanzlerin Merkel geschaffenen Bremsen des Ausbaus endlich abgeschafft würden.
Doch das jüngst im Kabinett verabschiedete Osterpaket der Bundesregierung ist alles andere als ein Energienotstandsgesetz für Erneuerbare Energien. Es bleibt vielfach innerhalb der unter den Merkel-Regierungen geschaffenen Bremsmechanismen, wie Ausschreibungen und hohe Bürokratie und sucht dort nur geringfügige Verbesserungen zu schaffen.
Aus der Presseerklärung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) zur Verabschiedung des Osterpakets – das auch die EEG-Novelle beinhaltet – ist zwar der große Wille von Klimaminister Habeck ersichtlich, den Ausbau der Erneuerbare Energien massiv zu beschleunigen. So Klimaminister Robert Habeck:
„Das Osterpaket ist Teil unserer Agenda und ist in den letzten Monaten unter Hochdruck erarbeitet worden. Es hat angesichts des völkerrechtswidrigen Angriffskrieges Russlands auf die Ukraine nun eine doppelte Dringlichkeit erhalten. Zum einen spitzt sich die Klimakrise zu. Zum anderen zeigt der Einmarsch Russlands, wie wichtig es ist, aus den fossilen Energien auszusteigen und den Ausbau der Erneuerbaren konsequent voranzutreiben.“
Doch höhere Ausbauziele bis 2030 und einige durchaus substanzielle Verbesserungen reichen bei Weitem nicht aus, um das zu schaffen, was akut notwendig ist: Ein massiver Ausbau Erneuerbarer Energien noch in diesem Jahr, um auch ohne russische Energielieferungen über den nächsten Winter zu kommen.
Grund für die Unzulänglichkeit der Maßnahmen ist, dass die unter den Regierungen Merkel geschaffenen großen Bremsklötze eben nicht abgebaut werden, sondern wenn überhaupt nur kleinteilige Verbesserungen vorgestellt wurden. Einen konsequenten Ausbau der Erneuerbaren Energien gibt es in den Bereichen Bioenergie und Geothermie gar nicht. Die kleine Wasserkraft muss hingegen gar um ihre Existenz fürchten, da sie als einzige vom richtigen neuen Grundsatz, dass der Ausbau der Erneuerbaren Energien im nationalen Interesse steht, ausgenommen ist.
Natürlich sind Solar und Wind die starken Säulen beim Ausbau der Erneuerbare Energien. Doch sich nur auf sie zu konzentrieren, ist ein fundamentaler Fehler, da Bioenergie, Wasserkraft und Geothermie erheblich zum Ausgleich der Schwankungen von Solar- und Windstrom beitragen können und müssen.
Damit das Ziel eines unter dem Eindruck des Krieges in der Ukraine stehenden notwendigen Ausbaus der Erneuerbaren Energien auch tatsächlich gelingen kann, müssen die folgenden, in der Vergangenheit geschaffenen massiven Hindernisse jetzt ausgeräumt werden:
Steuerfinanzierung EEG-Umlage, Beihilfeprüfung EU
Der EUGH hat 2019 zum zweiten Mal Recht gesprochen, dass das EEG keine Beihilfe sei, sofern keine Steuergelder zur Finanzierung der EEG-Umlage verwendet werden. Mit der Abschaffung der EEG-Umlage mit Hilfe einer Finanzierung aus Steuergeldern hat die alte Bundesregierung das EEG aber zu einer Beihilfe gemacht. Daher wird die EU-Kommission nach der Verabschiedung der EEG-Novelle im Bundestag und Bundesrat zunächst eine Beihilfeprüfung anberaumen. Diese wird sich erfahrungsgemäß bis Ende 2022 hinziehen. Bis dahin können die beschleunigenden Wirkungen des neuen EEG nicht greifen. Bis zum kommenden Winter kann das neue EEG daher keinen nennenswerten beschleunigten Ausbau der Erneuerbaren Energien entfachen. Die Bremsen der alten Regierung bleiben weitgehend bestehen, die Abhängigkeit von russischen Energielieferungen ebenfalls. Dabei gab es längst den Vorschlag zu einer EEG-Umlage II, die alle neuen Anlagen vergüten soll und eben nicht aus Steuergeldern bezahlt wird. Damit gäbe es keine Beihilfeprüfung und das neue EEG könnte gleich im Frühsommer in Kraft treten. Doch genau dies findet sich nicht im Kabinettsentwurf.
Bürokratie
Das EEG wurde in den 16 Jahren unter Kanzlerin Merkel zu einem Bürokratiemonster aufgebläht. Nur noch bezahlte Juristen können alle Zusammenhänge prüfen, um rechtssichere Investitionen zu ermöglichen. Die Bürokratiehürden liegen im EEG vor allem im Ausschreibungsdesign, in den Genehmigungsprozessen, in den Netzanschlussbedingungen sowie in den oft widersinnigen steuerlichen Auflagen bei Stromsteuer und Einkommenssteuer. Diese Bürokratie lähmt den Ausbau der Erneuerbaren Energien, da sie viele willige Investoren abschreckt. Mit dem vorgelegten Kabinettsentwurf wird die Bürokratie weiter aufgebläht. So gibt es z.B. weitere neue Ausschreibungsdesigns, statt eines Befreiungsschlages der weitgehenden Abschaffung der hochbürokratischen Ausschreibungen.
Ausschreibungen
Die Ausschreibungspraxis führt zu hohen bürokratischen Hürden, begrenzen unnötig das Ausbauvolumen, sperrt weitgehend die Bürgerenergien aus, führt zu höheren Kosten und über die im Gesetz vorgesehenen Pönalen sogar zu Insolvenzen, wie am Beispiel von Green City aus München zu sehen ist. Millionen von gutwilligem Bürgerbeteiligungskapital, welches jetzt dringend benötigt würde, wird einfach vernichtet. Mit einem Zurück zur festen Einspeisevergütung, zur gleitenden Marktprämie oder das neu im EEG vorgesehene „Contract of difference“ wären bestens dazu geeignet, die Ausschreibungen völlig zu ersetzen. Doch im EEG-Kabinettsentwurf werden die lähmenden Ausschreibungen sogar ausgeweitet. Da hilft es auch wenig, dass die Ausschreibungsvolumina deutlich angehoben werden sollen.
Wirtschaftlichkeit
Gerade beim wichtigen Segment der PV-Dachanlagen gibt es nur wenige Verbesserungen, stattdessen aber deutliche Verschlechterungen, wie Hermann Schrag in einem Beitrag im PV Magazin klar herausgearbeitet hat.
Die Vergütung für neue Anlagen sowie für Leistungsverbesserungen bei Wasserkraft bis 500 kW Anlagen wird ganz beendet. Damit wird ein Potential für den Ausbau der Erneuerbaren Energien einfach abgewürgt. Zudem können ökologische Verbesserungen nicht mehr vorgenommen werden und mittelfristig werden die Anlagen sogar in den wirtschaftlichen Ruin geführt.
Die notwendigen Flexibilisierungsanreize für bestehende und neue Bioenergieanlagen finden sich nicht im Kabinettsentwurf, obwohl sich Landwirtschaftsminister Özdemir genau dafür eingesetzt hatte. Damit kann ein großes Potential für den Ersatz russischen Erdgases nicht erschlossen werden.
Ungenügende Bürgerenergieanreize
Ca. 80 % aller Investitionen in Erneuerbare Energien waren bis etwa 2018 von bürgerlichen Investoren (Privatleute, Landwirte, Energiegemeinschaften, KMU) getätigt worden. Mit dem Umstellen auf Ausschreibungen sind deren Möglichkeiten massiv beschnitten worden, was die Hauptursache für den Einbruch des Ausbaus der Erneuerbaren Energien im letzten Jahrzehnt war. Zwar gibt es im Kabinettsentwurf nun eine Ausweitung der Befreiungen von der Ausschreibungspflicht für Bürgerenergien. Doch die Definition, was nun Bürgerenergie sei, ist so bürokratisch und einschränkend, dass befürchtet werden muss, dass dies ins Leere läuft. Zudem ist das Energy sharing – obwohl es nach der gültigen EU-Richtlinie ermöglicht werden muss – nicht im Kabinettsentwurf vorgesehen.
Fehlende Anreize für systemdienliche Investitionen
Alle Welt spricht davon, dass die Schwankungen von Solar und Windenergie ausgeglichen werden müssen. Am besten geht das, wenn vor Ort gleich systemdienliche Investitionen in einen digital zusammengeschalteten Mix aus Erneuerbaren Energien und Speichern, zusammen mit der Sektorenkopplung vorgenommen werden. Die EWG hat dazu einen Vorschlag für eine Kombikraftwerksvergütung vorgelegt. Doch nichts dergleichen findet sich im Kabinettsentwurf.
Stattdessen werden die Probleme des fehlenden Ausgleichs noch verschärft. Beispielsweise werden nun PV-Dachanlagen, die ohne Eigenverbrauch und Batteriepuffer arbeiten in der Vergütung bessergestellt als solche mit Eigenverbrauch, der ja meist mit Batterien für einen erheblichen Ausgleich sorgt. So wird nun die solare Einspeisespitze um die Mittagszeit weiter erhöht und erzeugt erhebliche Investitionen in die Netze, die aber mit Eigenverbrauch und Batteriespeichern deutlich reduziert werden könnten.
Auch in anderen Bereichen des Osterpakets sind die Vorschläge unzulänglich.
Beispiele sind: Genehmigungshindernisse der Länder, wie die 10H-Regelung in Bayern oder der 1000 Meter-Abstand in NRW werden nicht mit einem erforderlichen Bundesgesetz, welches die Länderöffnungsklausel abschafft, beseitigt.
Ein Schwerpunkt liegt auf dem Ausbau überregionaler Leitungen, statt sich endlich auf die Verteilnetze zu konzentrieren, wo ja die örtliche Einspeisung und Entnahme von Ökostrom stattfindet und die Umstellung auf Wärmepumpen wie auch bidirektionale Ladestationen für die E-Mobile gebaut werden müssen.
Abhängigkeit von russischer Energie nimmt zu
Zudem arbeitet die Bundesregierung aktuell an weiteren Maßnahmen, die die Abhängigkeit von russischen Energielieferungen weiter verschärfen, anstatt sich von ihnen zu lösen:
Statt die EU-Vorgaben für stärkere Feinstaubgrenzwerte mit technischen Maßnahmen wie z.B. effektivere Feinstaubfilter bei Holzfeuerungen zu schaffen, will sie nach Vorschlägen des Umweltbundesamtes die CO2-neutralen Holzfeuerungen gleich ganz verbieten. Das würde wieder einen Ausbau von höchst klimaschädlichen Erdgasheizungen bedeuten, die immer noch mit KFW-Mitteln subventioniert werden.
Die Nutzung von Biokraftstoffen soll weiter reduziert werden, obwohl sie unverzichtbar ist, um die wegfallenden fossilen Energien zu kompensieren.
Neue massive Subventionen für die Nutzung von fossilen Energien aus Steuermitteln sollen eingeführt werden, um die hohen aktuellen Energiekosten der Industrie zu reduzieren. Das genau würde erneut den Innovationsdruck für Energieeinsparung und den Ausbau der Erneuerbaren Energien nehmen und zusätzlich weiter die Staatsverschuldung nach oben treiben.
Noch immer liegt der Geist des EEG – wie die 16 Jahre unter Merkel – im Schaffen von großen zentralen Erneuerbare Energien-Strukturen und missachtet weitgehend den dezentralen wabenförmigen Ausbau von 100% Erneuerbare Energien-Zellen als schnellen und kostengünstigen Ausbau des Gesamtsystems.
Im Buch „Fossile Strategien“ von Anja Baisch wird genau beschrieben, wie mit dem Nachkommen der Interessen von Energiekonzernen, Klimaschutz und Versorgungsicherheit bisher verhindert wurde.
Das Buch wurde vielfach an Politiker*innen in Berlin versendet. Gelesen hat es dort wohl kaum jemand. Zumindest ist im Kabinettsentwurf des EEG nichts zu erkennen von einer notwendigen radikalen Kehrtwende zurück zur dezentralen demokratischen bürgerlichen Energiewende mit dem Ziel von 100% Erneuerbare Energien bis 2030.
Doch genau das wäre notwendig, um die aktuellen Herausforderungen mit einem Sofort-Boykott der russischen Energielieferungen und wirklich wirksamen Klimaschutz mit 100% Erneuerbare Energien bis 2030 zu meistern.
Nun ist der Bundestag gefragt, den Kabinettsentwurf zum EEG nochmal gründlich zu überarbeiten, um wenigstens die wichtigsten hemmenden Baustellen auszuräumen. Nur so lassen sich die Weichen dafür stellen, dass es noch im Sommer eine neue EEG-Novelle mit dem Sommerpaket geben kann, das zu wirklicher Energieversorgungssicherheit und Klimaschutz führt.
Ich rate den Abgeordneten, denselben Mut zu haben, den der Bundestag im Jahr 2000 bewies – wo er sich über die Interessen der Energiekonzerne hinwegsetzte und ein EEG beschloss, das ein Feuerwerk für die dezentralen Erneuerbare Energien entfachte und damit die industrielle Revolution anstieß, die die Erneuerbaren Energien heute zur billigsten Art der Energieerzeugung gemacht hat.