Der verpflichtende Fernwärmeanschluss für Graz hat nicht nur für Applaus gesorgt, sondern auch Empörung ausgelöst. Ein Blick nach Deutschland bestätigt: Kommunen greifen zunehmend härter durch.
Welche verpflichtenden Vorschriften zum Erreichen der Energiewende sind möglich und notwendig?
Graz führt innerhalb der nächsten 14 Jahre die Anschlusspflicht für Fernwärme ein, als Grund wird vor allem das altbekannte Luftgüteproblem genannt. Die rechtlichen Schritte dafür werden demnächst im Gemeinderat abgesegnet. Das verkündeten Bürgermeister Siegfried Nagl (VP) und die Grünen-Vizebürgermeisterin Lisa Rücker vergangenen Freitag in einem gemeinsamen Pressegespräch. (siehe auch Kommentar: Kohlen-Fernwärme?)

Auch bestehende Anschlüsse sind betroffen
Besonders pikant: Die Anschlusspflicht richtet sich nicht nur an jene, die neu bauen, sondern auch an Eigentümer bestehender Gebäude, die zum Umrüsten gezwungen werden. Bis zu 40.000 Haushalte werden betroffen sein, allerdings ist bei modernen Heizungen erlaubt, die Restlaufzeit auszunutzen. Erste Bescheide könnten schon im Herbst verschickt werden.

Sinnvoll für Einfamilienhäuser?
Schon im vergangenen Jahr erklärte der Obmann der steirischen Energiehändler, Jürgen Roth: "Fernwärme ergeben nur im Einzelfall Sinn - zum Beispiel im Falle großer, neuer Siedlungen. Bei Einfamilienhäusern ist das jedoch nicht zweckmäßig." Zur rechtlichen Situation gab Roth zu bedenken: "Ich glaube, man dürfte nicht zwangsverpflichtet werden - alleine aus rechtlicher Sicht, wenn man einen Baubescheid besitzt. Noch dazu sollte man Grenzwerte definieren - und dafür sind wir -, nur mit welchem Heizmedium man dann die Grenzwerte einhält, sollte jedem selbst überlassen werden", forderte Roth. Peter Merlini, der Landesinnungsmeister der Rauchfangkehrer: "Fernwärme bedingt das Aussterben des Rauchfangkehrer-Gewerbes. Es ist ein schwieriges Geschäft, seit die Heizungsentwicklung weitergegangen ist. Es gibt rund 140 Rauchfangkehrer in rund 20 Betrieben, die natürlich dann wegfallen würden."

Konsequenz oder Ökodiktatur?
Ein ähnliches Konfliktpotenzial mit politischen Dimensionen findet man in der deutschen Stadt Marburg. 2008 beschloss die rot-grüne Regierung ein bislang einmaliges Regelwerk: Hausbesitzer wurden zum Einbau einer solarthermischen Anlage verpflichtet, falls sie neu bauen, ihr Dach oder ihre Heizung erneuern wollen. Wer nicht mitmachte, sollte bis zu 15.000 Euro Strafe zahlen. Marburgs grüner Bürgermeister Franz Kahle, der die Solarsatzung als Bau- und Umweltdezernent verantwortet, bekam einen wenig schmeichelhaften Titel: Ökodiktator.

Streit mit ungewissem Ausgang
Die heftig umstrittene Solarsatzung steht noch immer zur Diskussion: Erst wurde sie vom Regierungspräsidium gestoppt, Verwaltungsrichter forderten Nachbesserungen. Als die beschlossen waren, legte Hessens schwarz-gelbe Landesregierung nach: Sie änderte die Bauordnung des Landes und erklärte die Vorschriften für ungültig. Kahle zeigt sich unbeeindruckt. "Seit 1. Juli 2011 ist diese Satzung wirksam", sagt er.

Merkel-Kritiker befürchten Ökodiktatur
Das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" sieht Marburg bereits in einer gewissen Vorbildfunktion für die Deutschland. Seit Angela Merkel (CDU) die Energiewende ausrief, wirft etwa RWE-Chef Jürgen Großmann auch ihrer Koalition den Weg in die Ökodiktatur vor. "Wir werden eine anspruchsvolle Gebäudesanierung fördern", kündigt die Regierung an."

Foto: Altmann/pixelio.de

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