Seit kurzem wird ein neues Vehikel durchs Dorf getrieben – das bidirektionale Laden. War es vor einigen Jahren das Codewort „Wasserstoff“ (alle reden beflissen darüber, wenige kennen sich aus), so lässt die Frau von Welt an der Theke das Bidirektionale Laden vom Redestapel. Und der weltgewandte Angesproche wird sicher antworten: „Ja, ich warte auch noch, bis die E-Autos bidirektional laden können“.
Unbedarfte wie wir trauen uns dann nicht, nachzufragen, was denn das sei, bidirektional, zu welchem Nutzen es uns verhülfe und was es denn eventuell kostete.
Daher hier einige Facts dazu, um unser Bargespräch zuküftig flüssiger machen zu können:
1. Was ist „bidirektional"?
Das ist simpel die Fähigkeit eines E-Autos, den Strom aus der Batterie wieder ins Netz zurückleiten zu können. Entweder ins Haus oder ins öffentliche Stromnetz. Die Codewörter dafür sind V2H („Vehicle to Home“) beziehungsweise V2G („Vehicel to Grid“).
2. Wem nutzt das?
Es nutzt der Hausfrau oder dem Hausherrn, die dann vielleicht keinen Stromspeicher anzuschaffen brauchen oder ihren bestehenden Hausspeicher mit der Autobatterie ergänzen können. Man könnte zum Beispiel bis zu 30 % der Autobatterie für die abendliche E-Heizung nutzen, bevor der teurere Netzstrom herangezogen wird.
3. Was heißt „netzdienlich“?
Das ist ein weiteres Wort, das sehr modisch geworden ist. Die Endkund:innen, die jahrzehntelang das Stromnetz bezahlt haben, sollen nun wieder zur Kasse gebeten werden: Es hat sich gezeigt, dass die Milliarden von der Politik zu einem guten Teil in den Haushalt der Länder geflossen sind und weniger zur Ertüchtigung der Netze. Nun scheinen die Netzbetreiber die volatilen Einspeisungen von PV und Wind unterschätzt zu haben und wollen eben mehr Geld für den Umbau. Wer Strom bezieht, wenn er im Überfluss vorhanden ist, soll weniger dafür zahlen (das geht jetzt schon) und wer zur rechten Zeit einspeist, bekommt dafür ein paar Extragroschen mehr (das ist derzeit nicht der Fall). Das ganze wäre dann „netzdienlich“.
4. Welche Fahrzeuge können bidirektional laden?
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Seit 10 Jahren schon kann das beispielsweise der Nissan Leaf, andere Marken folgten in jüngster Zeit nach. Der neue Renault 5 ist eines der ersten E-Autos, die (dzt. nur in Frankreich), die für V2G ausgerüstet werden. „Eigentlich ist das bidirektionale Laden ein bekannter, alter Hut“ sagt Rudi Raymann, gestandener Photovoltaik-Verbauer im niederösterreichischen Deutsch-Wagram (raymann kraft der sonne "photovoltaikanlagen" gmbh). Aber Raymann weist auch auf die Stolpersteine hin, die Teil der folgenden Zeilen sind.
Und nun zu den Hürden des Schönen Neuen Ladens
Was die Energie-Wende-Freund:innen und E-Auto-Auskenner:innen kaum bedenken ist:
- Es gibt keinen Business-Case - es rechnet sich nicht
Nur wenn ein Netzbetreiber ordentlich Geld für „netzdienliches Laden“ bezahlt, würden sich die höheren Ausgaben für die E-Autos, die Steuerungen, die Regelungen und Fachleute rentieren.
Das ist derzeit nicht in Sicht. So kosten die notwendigen V2G-Wallboxen wie von Moon oder die Ambibox in Deutschland derzeit eher das Drei- bis Fünffache eines normalen Wandladers. - E-Autobatterien gehorchen anderen Kriterien als Heimspeicher
Die vergleichsweise gemähliche Welt der Heimspeicher ist nicht mit den Auto-Traktionsbatterien und deren Lademanagements zu vergleichen. Der wechselweise Betrieb kann schnellere Abnützungen und höhere Gesamtkosten im Betrieb verursachen.
- Die Heimspeicher werden immer billiger
Die eigenen, stationären Heimspeicher zu vergrößerm dürfte weit ökonomischer sein, als die Autobatterie für den Hausgebrauch zu verwenden. - Es hapert bei den rechtlichen Rahmenbedingungen
Die Netzzugänge und die staatlichen Regulatorien sind derzeit in Europa fast durchwegs ungeklärt: Wer darf zu welchem Preis wo einspeisen? Wenn jemand in Linz beim Arbeitgeber tagsüber Kohlestrom lädt und abends daheim Grünstrom einspeist – wie soll das geprüft, verhandelt, gefördert werden? - Und dann sind da noch die technischen Normen
Die kleinen Ladegeräte in den Autos müssen dieselben Normen erfüllen können wie die Wechselrichter einer PV-Anlage. Das betrifft Abschaltgeschwindigkeiten, Ladezustände, Schnittstellen – das ganze sogenannte Setup. Und das ist in allen Ländern Europa jeweils ein bisschen anders geregelt. - Auch Garantiefragen noch gänzlich im Graubereich
Der ADAC schreibt zum Beispiel: „Ungewiss ist zudem, wie Autohersteller mit der Garantie für die Autobatterie umgehen, wenn sie auch fürs bidirektionale Laden freigegeben wird. Schließlich würde die Batterie dann häufiger be- und entladen, als bei normaler Nutzung allein zum Fahren zu erwarten wäre. Offen ist darüber hinaus die Haftung für eventuell auftretende Schäden an der Installation, sollte es doch einmal zu Fehlfunktionen kommen.“
Fazit:
Es wird noch viel Strom durch die Ladekabel fließen, bis aus dem Modewort „bidirektional“ ein alltagstauglicher Teil der häuslichen Energiewirtschaft geworden ist. Das E-Auto für das Eigenheim einzuspannen dürfte nicht gerade zu einem Massenereignis werden. Jedenfalls nicht auf Sicht.
Als Spielzeug technikverliebter Eigenstromjongleure taugt es allerdings gut (vorausgesetzt er ist kein Mindestpensionist).
„Überhaupt ist die wahrscheinlich einzige vernünftige Perspektive die tausendfache Speicherung und Entladung in einer Cloud, die dann die Spannungsschwankungen im Netz blitzartig ausgleichen kann“ sagt PV-Experte Rudolf Raymann. Dafür gibt es viele Ideen – aber noch keine realen Umsetzungen.
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Text von Herbert Starmühler (energie-bau.com)



