Eine „erbärmliche“ Umfrage, die „an den Ö3 Callboy erinnert“ werde in Radio Niederösterreich als seriös verkauft.

Der ORF vergaß, dazuzusagen, dass die OMV zu den Kunden der Umfrage-Agentur gehört ...

Die Lobbys rüsten offenbar zur Schlacht: Das Bohren tiefer Löcher beschäftigt Radiohörer und den Niederösterreichischen Landtag. Es verbraucht und gefährdet hektoliterweise Trinkwasser, ist viel zu aufwändig und verunstaltet ganze Landstriche. Sagen die einen. Fracking sollte man machen, meinen die anderen, wie die Industriellenvereinigung. Fracking, also das Herausbrechen von vermutetem Erdgas in 4.500 bis 6.000 Metern, spaltet nicht nur Gestein, sondern auch die Gesellschaft.

Hie die Bevölkerung in Niederösterreich, die das Gas-Bohren praktisch zu 100 % ablehnt, da die OMV und die Industriellenvereinigung, die das längst verworfene Projekt wieder aufwärmen wollen. Und der ORF. Der Staatsfunk tritt in letzter Zeit häufig mit allerlei Berichten zum Schiefergas an die Öffentlichkeit.

Und empört zunehmend: „In ihrem herausragend schlechten Beitrag heute Morgen im Radiojournal auf Radio NÖ (https://noe.orf.at/player/20220921/NGM/1663740103513) verbreiten Sie Fake News. Ihr Beitrag ist ein wesentlicher Tiefpunkt an niveaulosem und qualitätslosem Journalismus“, schreibt ORF-Hörer und Schiefergas-Experte Jochen Höfenstock an den ORF-NÖ-Redakteur.

Radiosprecherin weiß mehr als der OMV-Chef

„Im Weinviertel gibt es große Schiefergasvorkommen“ sagte die Moderatorin des NÖ-Radios, die offenbar besser informiert ist als OMV-Chef Alfred Stern (der mehrmals aussagte, es sei ungewiss, wie groß denn überhaupt diese tiefliegenden Gasvorkommen seien). Und dann ein Knaller der Radiosprecherin: „Eine neue Umfrage zeigt, dass Fracking zwar nach wie vor auf Skepsis stößt, dass aber eine Mehrheit in Österreich Fracking mittlerweile befürwortet“. 

Redakteur Felix Novak berichtet ausführlich über eine Umfrage, die von einer Agentur aus Baden/NÖ. (deren Kunde u.a. die OMV ist) mit erstaunlich kleiner Datenbasis durchgeführt wurde. ORF-Konsument und Fracking-Experte Jochen Höfenstock wunderte sich und fragte in besagtem Brief den ORF-Redakteur:

  • „Ist Ihnen aufgefallen, dass die „Agentur“ stolz die OMV als Referenzkunden anführt?
  • Haben sie erwähnt, dass die Befragten sich bei dieser „Agentur“ registrieren und so ein Zubrot dazu verdienen? Die Befragten also für Geld ihre Antworten abgeben! Also nebenberuflich diese Fragen beantworten?
  • Haben sie erwähnt, dass knapp 70% der Befragten unter Maturaniveau sind?
  • Dass knapp 85% angeben keinen oder „mittelmäßigen“ Wissensstand zu Fracking zu haben? Und sie dennoch diese Antworten als Wert ansehen, im Radio gebracht zu werden?
  • Haben Sie erwähnt, dass über 66% der Befragten, die unter Maturaniveau sind und diese Fragen beantworten, um Geld zu verdienen, gar nicht wissen, dass es Shale Gas im Weinviertel gibt?
  • Haben Sie erwähnt, dass die „Agentur“ bei den Fragestellungen lügt? Dass die „Agentur“ bei der Fragestellung behauptet, dass die Montanuni Leoben ein umweltschonendes Verfahren zum Fracking entwickelt hat. Dabei aber aktiv und vorsätzlich verschweigt, dass diese Methode noch nie zum Einsatz kam? Dass diese Methode ebenso bestehendes Lagerstättenwasser mit all den Chemikalien einsetzt?
  • Dass diese „Agentur“ bei ihren Fragen proaktiv verschweigt, dass Schiefergasfracking im Weinviertel zur jetzigen Versorgungsunsicherheit keinen Beitrag leisten kann? Dass frühestens in zehn Jahren der erste Tropfen Shale Gas fließen kann? Also nach 2030?
  • Dass diese „Mehrheit“ für Fracking auf den Antworten von 485 Personen mit überwiegend niedriger Bildung, ohne Wissen über Fracking und Vorkommen in Österreich basiert, die sich dafür bezahlen lassen?
  • Dass diese „Mehrheiten“ in absoluten Zahlen bei dieser „Studie“ ohne Auftraggeber 254 Personen sind, die sich für Fracking aussprechen und, dass 310 Personen sich für die Anwendung von „Clean Fracking“ aussprechen.
  • Ohne zu wissen, dass Clean Fracking defacto unmöglich ist?
  • Sie bezeichnen 254 Personen in einem ORF-Beitrag als repräsentative Mehrheit in Österreich? Das ist erbärmlich! Kommen Sie mal ins Weinviertel. Sie werden zehnmal so viele Menschen finden, die eine andere Mehrheit vertreten.“

Umfrage erinnert an den Ö3 Callboy

Helga Krismer, die grüne Landtagsabgeordnete in Niederösterreich, sieht die Kritik genauso. Sie schrieb an den Redakteur Novak:

„Die Umfrage bzw. Abfragemethode erinnert an den Ö3 Callboy und ich dachte mir heute beim Lesen einer Gratiszeitung, dass das OMV Lobbying wohl von anderen durchschaut werden wird und gab dem bis jetzt wenig Beachtung. In der Region gibt es ein 100% Nein, weil sich Menschen dort zu 100% informierten und die Zusammenhänge verstehen.
2013 gab es einen mehrheitlichen, vagen Beschluss im NÖ Landtag zu Fracking.
Im Weinviertel, va im oberen Weinviertel gibt es bereits jetzt Wassermangel.
Wer auch immer noch an fossile Energieträger glaubt, wem das Weinviertel egal ist, muss dennoch den limitierenden Faktor Wasser betrachten.
Zur Sicherheit bringe ich am Donnerstag in der Sitzung des NÖ Landtag einen Antrag ein.

LG
Helga Krismer

Schiefergasbohrungen endgültig erledigt

Die Grünen in Niederösterreich sind also vehement gegen Schiefergas-Bohrungen. Doch was sagen die Schwarzen der Türkisen in St.Pölten?

In einer Aussendung liest sich das so:
LR Pernkopf zur heutigen Bekanntgabe der OMV: Thema Schiefergasbohrungen endgültig erledigt 

 "Die durchgesetzte UVP-Gesetzesänderung hat die OMV zum Einlenken gebracht und dadurch konnten die Schiefergasbohrungen im Weinviertel verhindert werden. Der Abbau von Schiefergas in Niederösterreich ist damit endgültig Geschichte", so Energie-Landesrat Dr. Stephan Pernkopf zur heutigen Bekanntgabe der OMV.“

Also doch ein klares Njet zum Fracking? Eher ein Jein. Denn diese zitierte Pernkopf-Aussendung stammt vom 17.9.2012, das war also vor fast genau 10 Jahren. Aktuell ist die Regierungspartei in St. Pölten diesbezüglich eher auf Tauchstation. Bei der Niederösterreichischen Landtagswahl in rund fünf Monaten könnte Fracking ein Thema sein.

(hst)

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