Kommentar von Herbert Starmühler
Herausgeber energie:bau Magazin
Faszinierend, wie gemächlich in Europa, in Deutschland und Österreich, manche Prozesse ablaufen. Für Gebäude und Mobilität tät’ ein Turbo nicht schaden – doch das birgt auch Risiken.
Mehr Solar-Energie? Mit Maß und Ziel kann das auch funktionieren. Foto: pxhere
Wer sich ansehen möchte, wie schnelle Veränderung aussieht, sollte sich in die Vereinigten Arabischen Emirate begeben. Menschen reifen Alters haben von diesen Gebieten noch die folgenden Bilder in Erinnerung: Kamelkarawanen, Nomadenzelte und sehr viel Wüste. Das war 1960. Oder rund um diese Zeit. Dann kamen Öl und etwas später Gas – und eine neue Zeit.

Die älteren Araber dort waren anfangs ziemlich lange ziemlich skeptisch, sie hatten noch den Reichtum der Perlentaucher-Industrie und deren schnellen Niedergang erlebt (nachdem in Japan Kunstperlen erfunden worden waren). Nun fragte man sich, wie lange wohl dieser Öl-Aufschwung dauern würde. Mittlerweile ist eine neue Generation von Scheichs am Werk, die in England oder den USA studiert haben. Sie sind extrem fortschrittsgläubig.

Und das Öl sprudelt bis heute. 300 Millionen Doller spült es in die Kassen – pro Tag. Und damit haben die Scheichs einiges angefangen. Als ich in den 80er-Jahren im Emirat Sharshah war, gab es noch fast ausschließlich niedrige Gebäude – heute prägen hunderte Wolkenkratzer die Silhouette.

Doch die Araber schwimmen nicht nur im Geld, sie bereiten sich gerade auf die Nach-Öl-Zeit vor. Riesige Photovoltaikfelder sind in Planung und Bau, mit Masdar bauen sie in kurzer Zeit eine ganze Stadt der Nachhaltigkeit auf und in die Forschung pumpen sie Milliarden.

Umdenken beginnt im Kopf
Und wir in good old Europe? Wir mühen uns mit Klimagesetzen jahrelang herum, feilen und schärfen und verwerfen und schwitzen unter der Sonne, die die Klimaveränderung täglich brennend heiß in Erinnerung ruft. Warum dauert das alles so lang, warum ist hierorts alles so mühsam?

Eine Erklärung ist einfach, aber nicht ausreichend: Wir haben die beste aller Staatsformen, die Demokratie. Hier wird alles eben von mehreren Seiten beäugt. Und das ist eben gerade KEINE Schwäche, sondern eine unwahrscheinliche Stärke, um die uns so viele Menschen dieses Planeten durchaus beneiden.

Es gibt, damit auch zusammenhängend, eine zweite Erklärung: In diesen Demokratien (die den Namen auch wirklich verdienen), wird immer auch jemandem etwas weggenommen, wenn ein neuer Kurs einzuschlagen ist. Denn nach Jahrzehnten der Prosperität häufen sich Besitztümer und Pfründen an, die es zu verteidigen gilt.

Wenn deutsche Ingenieurkunst mitsamt den Patenten im Bereich der Dieselmotoren Weltspitze erreicht hat, will man das Terrain ungern verlassen. Das ist verständlich. Und ein allzu abruptes Umdenken und Umschwenken hülfe zwar dem Klima, aber sicher nicht allen Bediensteten in der etablierten Fahrzeugindustrie.

Was also ist zu tun, wenn wir einmal davon ausgehen, dass der monarchische Absolutismus der arabischen Emirate nicht die Lösung ist? Sicher müssen wir die Geschwindigkeit erhöhen. Im Gebäudesektor und der Mobilität muss die Treibhausgas-Emmission jedenfalls schneller verringert werden, der Umstieg zur erneuerbaren Energie rascher gelingen. Das ist zu schaffen, viele kleine und größere Gesetze ebnen den Weg, sie müssen nur erlassen werden.

Und dann ist da noch das Umdenken im Kopf: Wer sich von eingefahrenen Bahnen verabschiedet, öffnet sich viele Horizonte. Was da möglich wird, zeigt gerade die AUVA, die Allgemeine Unfallversicherungsanstalt.

400 Millionen Euro dauerhaft bei einem Budget von 1,5 Milliarden einzusparen, ohne die Leistungen nennenswert zu schmälern, wie man uns gerade versichert hat, zeugt davon, dass vieles möglich ist, wenn man nur will (oder muss). Dann sollte das auch in anderen Bereichen gelingen, die derzeit noch zwischen beratungsresistent und sturköpfig changieren.
Herbert Starmühler

Dr. Herbert Starmühler

Herausgeber energie:bau Magazin

ist Herausgeber dieser Publikation energie-bau.at und verschiedener Fachmagazine im Bereich Technik, Architektur und Energieeffizienz. Als seit Jahren leidenschaftlicher E-Auto-Fahrer und Bezieher eigenen Sonnenstroms ist der Journalist jederzeit für innovative Ideen zu begeistern und holt sich beim Networken gerne Inspiration für neue Projekte.