Kommentar von Herbert Starmühler
Herausgeber energie:bau Magazin
Längst sind die Technologie vorhanden und die Handwerker bereit – warum nimmt die Nutzung der Sonnenenergie also nicht mehr Fahrt auf?
Immer noch haben nur Vereinzelte umgedacht und nutzen die Energie der Sonne. Das muss sich ändern. Foto: pexels.com
Längst sind die Technologie vorhanden und die Handwerker bereit – warum nimmt die Nutzung der Sonnenenergie also nicht mehr Fahrt auf?Die solare Einstrahlung in Österreich ist zwar nicht vergleichbar mit Afrika, aber so gut, dass sich mit einer kleinen 5-Kilowatt-Anlage am Hausdach der Jahresbedarf an Strom beziehen lässt. Und eine solarthermische Anlage hilft wunderbar bei der Bereitstellung von warmem Brauchwasser oder von Heizungswärme. Die Sonne scheint ziemlich verlässlich – wahrscheinlich können wir uns drauf verlassen, dass sie die nächsten 1.000 Jahre noch jeden Tag am Himmel erscheint. Und dennoch dümpeln die Zuwachsraten der Sonnenenergie hierorts in peinlichen Mini-Größenordnungen. Was Österreich seit Bestehen der Aufzeichnungen an Photovoltaik insgesamt installiert hat, baute China im vergangenen Jahr PRO WOCHE! Dort geht richtig die Post ab. Aber auch andere Länder geben Gas – aber eben nicht Erdgas. Sie installieren und fördern deutlich mehr als Österreich.

Woran liegt das?
Es liegt an allem und allen. Zuerst einmal an uns, an den BenutzerInnen, ob Privatfrau oder Gewerbler, denen am Eigenheim immer nur die Farbe der Küche und die Größe des TV-Geräts wichtig ist. Und die den Rechenstift seit der Matura nicht mehr in die Hand genommen haben (denn Solarenergie würde viel Geld ersparen). Oder an den heutigen Politikern, die ihre Visionen beim Arzt abgegeben haben, sollten sie über solche jemals verfügt haben. Oder an der Industrie, die noch immer keine hübscheren, architekturverträglichen – und leistbaren – Bauteile zusammengebracht hat. Und an der, sagen wir, ausbaufähigen Lobbyarbeit der Verbände und Muliplikatoren. Es ist eine Gemengelage aus Wurschtigkeit, Dummheit und Ignoranz.
Das Wesen von Kipppunkten in der Natur ist, dass sich die Schrauben eben nicht mehr zurückdrehen lassen.
Natürlich soll man nicht vergessen, dass es Beharrungskräfte gibt, die den Umstieg, die sogenannte Energiewende, bremsen. Schließlich arbeiten viele von uns in Branchen, die von der Energiewende zuerst einmal vielleicht negativ betroffen sind. Das kann man derzeit an der Beharrung in der deutschen Automobilindustrie gut beobachten. Dort hat gerade der Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) in einem BILD-Interview den Managern vorgeworfen, dass sie „ihr Fehlverhalten ausbügeln und ihre Geschäftsmodelle an die ökologische und digitale Zukunft anpassen“ sollten. Was er nicht dazugesagt hat: Die Politik ist der beste Kumpel der Industrie, schließlich verdient man an Steuern und Gewinnen gerne mit – und beschließt alles, was sich die Herren der Automobile wünschen.

Unabhängig vom Ölgeschäft
Und so finanzieren wir mit dem Kauf von Benzin und Diesel aus Saudiarabien dort den Bau der weltgrößten Photovoltaikanlage. 200 Milliarden Dollar stecken die in den Bau dieser Mega-Installation, die sie ein gutes Stück unabhängiger von ihrem Ölgeschäft macht. Saudiarabien hat aber auch im eigenen Land im Jänner die Bezinpreise um 80 % erhöht. Es ist zum Haareraufen: Warum machen das gerade die menschenrechtsverachtenden Regime wie China und Saudi Arabien so gut, warum bauen nicht wir in Österreich die weltgrößte PV-Anlage?

Naja, vielleicht dreht sich das Rad doch bald schneller. E-Autos, smarte Gebäude und Wärme-Kraft-Kupplungen, Heizungen, die Wärme und Strom erzeugen, sind auf die Welt gekommen und erfreuen sich erster, zaghafter Beliebtheit. Die Kurve zeigt nach oben, und wenn die Bremsen der Beharrung erst mal nachlassen, dann sollte vieles möglich sein.

Nur ist es dann vielleicht zu spät, weil das Wesen von Kipppunkten in der Natur so ist, dass sich dann die Schrauben eben nicht mehr zurückdrehen lassen.
Herbert Starmühler

Dr. Herbert Starmühler

Herausgeber energie:bau Magazin

ist Herausgeber dieser Publikation energie-bau.at und verschiedener Fachmagazine im Bereich Technik, Architektur und Energieeffizienz. Als seit Jahren leidenschaftlicher E-Auto-Fahrer und Bezieher eigenen Sonnenstroms ist der Journalist jederzeit für innovative Ideen zu begeistern und holt sich beim Networken gerne Inspiration für neue Projekte.