Kommentar von Herbert Starmühler
Herausgeber energie:bau Magazin
Warum es für gestandene Motor-Journalisten so schwer ist, sich eine Welt ohne Auspuff vorzustellen.
Viele Verfechter von Verbrennern hängen dem Qualm noch nach. Wie lang wir diesen noch haben werden, ist aber eine andere Frage. Foto: pxhere.com
Zu den vergnüglichen Dingen meiner Arbeit gehört das Studium der etablierten Motorpresse. Aber auch die Auslassungen in den Auto-Seiten der Tageszeitungen sind vielfach bemerkenswerte Beweisführungen. In aller Regel versuchen dort Journalisten zu erklären, warum der Switch zur Elektromobilität nicht gelingen wird. Oder nicht ganz gelingen wird. Oder sehr schwierig vonstatten gehen wird.

So erreichte mich gerade ein Artikel mit dem zauberhaften, wenn auch, sagen wir, demagogisch nicht unproblematischen Titel „Volt ihr das?“. In der Einleitung steht: „Dem Dieselmotor drohen Fahrverbote, das Elektroauto gilt als sexy. Aber ein Vergnügen ohne Hürden wird das nicht“. Geschrieben hat das ein Herr Holger Appel in der Rubrik Technik und Motor der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

Es ist ein Lehrstück der Psychologie. Ein offengelegter Widerstreit von Bauch und Hirn, die  einander bekämpfen in diesen Tagen. Ein Spielfeld für kognitive Dissonanzen: Einerseits wissen wir, dass an den Elektroautos kein Weg vorbeiführt, andererseits hängen wir mit allen Fasern an den röhrenden, benzinduftenden Zwölfzylindern.

Keine „breite Kundenmasse“?
Also steht da: „Das Elektroauto gilt plötzlich als geniale Mobilitätslösung, leise und lokal emissionsfrei. Leider passen die geringe Reichweite, das umständliche Ladeprozedere und die hohen Anschaffungskosten nicht zur Nachfrage einer breiten Kundenmasse“. Aha.

Seltsam, warum haben sich dann vergangenes Jahr mehr als die Hälfte aller Autokäufer Norwegens für ein Elektrofahrzeug entschieden? Mehr als 50 % sind schon eine „breite Kundenmasse“, oder? Hier greift die kognitive Dissonanz voll zu: Ich will es nicht, muss aber verdrängen, dass ich langsam aber sicher zur altmodischen Minderheit gehöre. Was ich fühle ist leider überholt. Ich will es aber nicht wahrhaben. Also mache ich das Neue schlecht, solange das noch geht.

Wissend, dass die „ geringe Reichweite" nur mehr als Argument herhält, wenn ich es ablehnen WILL. Oder das Argument des "umständlichen Ladeprozederes“, das ist auch nett. Während Herr Appel mit seinem Fossil-Auto zur Tankstelle HINFAHREN muss, laden die Stromer daheim. Schon mal daheim getankt, Herr Appel? Eben! Das ist recht praktisch und gar nicht umständlich.

Mehr Lade- als Tankstellen
Aber auch unterwegs sieht nur Probleme, wer Probleme sehen will: In Österreich gibt es laut Tankstellenstatistik des Fachverbandes der Mineralölindustrie 2.760 Tankstellen. Diesen stehen aber schon 2.860 Elektro-Ladestellen in Österreich gegenüber. Und täglich kommen weitere dazu. Was die „hohen Anschaffungskosten“ betrifft, so hat die F.A.Z. gerade noch recht. Aber weil alles weitere günstiger kommt oder überhaupt wegfällt – von der Versicherung bis zum Service, von den Bremsen bis zum Ölwechsel – ist das E-Mobil schon nach kurzer Zeit des Gebrauchs günstiger als Benziner oder Diesel.

Was aber für den FAZ-Journalisten besonders ärgerlich ist, schreibt er dann so: „Wer etwa den im Jahr 2019 debütierenden VW Golf neben den zur gleichen Zeit auf den Markt kommenden Golf ID stellt, reibt sich ob des viel futuristischeren Auftritts des Elektrowagens die Augen.“ Da haben wir es, jetzt kriegen die Elektrischen auch noch das viel schönere Design. So was aber auch, der arrivierte Motorjournalist kann einem schon leidtun.

Und seine Verbündeten in den Chefetagen der Industrie laufen auch immer zahlreicher zum Feind über, wie er selbst schreibt: „Die Hochrechnungen der Autohersteller sehen rasante Wachstumsraten vor: Im Jahr 2025 werden 25 % der weltweit neu zugelassenen Fahrzeuge einen batterieelektrischen Antrieb haben, heißt es bei VW. Nicht nur dort. Die anderen 75 % werden zum Großteil elektrisch unterstützt sein.“

Naja, da brauchen wir jetzt nicht mehr viel dazu zu sagen – außer, dass wir glauben, dass es noch schneller gehen wird.
Herbert Starmühler

Dr. Herbert Starmühler

Herausgeber energie:bau Magazin

ist Herausgeber dieser Publikation energie-bau.at und verschiedener Fachmagazine im Bereich Technik, Architektur und Energieeffizienz. Als seit Jahren leidenschaftlicher E-Auto-Fahrer und Bezieher eigenen Sonnenstroms ist der Journalist jederzeit für innovative Ideen zu begeistern und holt sich beim Networken gerne Inspiration für neue Projekte.