Kommentar von Herbert Starmühler
Herausgeber energie:bau Magazin
Sind wir wirklich schon so träge geworden, dass uns nur mehr interessiert, wohin der nächste Urlaub geht?
Sind wir in Österreich zu träge für eine grüne Wende? Foto: Starmühler
Es gab mal eine Zeit, als die Welt von manchen von uns verbessert werden sollte. Ich meine jetzt nicht jahrhundertealte Bewegungen, sondern junge und alte Leute in Österreich und Europa, die sich vor zwanzig, dreißig Jahren um unsere Umwelt sorgten. Es war die Zeit der Entstehung von grünen Bewegungen und grünen Parteien in Europa, die dann auch in die lokalen, regionalen und nationalen Parlamente vordrangen. Wie es aussieht, ist man damit im Establishment angekommen. Die Begeisterung ist allmählich im Parteiengezänk zerbröselt, das Kernthema Umwelt der grünen Parteien in den Hintergrund gerückt. So sind sie austauschbar geworden und fielen zurück in den Abstiegskampf der demokratischen Institutionen. Zu recht, denn wer braucht eine Partei, die weder links noch rechts, weder sozial noch liberal, weder fortschrittlich noch konservativ genannt werden kann.

Geld machen statt Welt retten
Und wenn die Protagonisten von der Partei nicht mehr geliebt werden, schaden sie ihr möglichst auch noch im „After-Sales-Service“: Herr Pilz spaltet sich ab und tritt drei Mal, aber nur halb, zurück und Frau Glawischnig wechselt gleich zum ideologischen Erbfeind. Auch hier kein Unterschied zu den Putin und Oligarchen-Verstehern wie Hans-Jörg Schelling oder Alfred Gusenbauer. Allen geht es nur noch ums Geld.
Sind wir wirklich schon so träge geworden, dass uns nur mehr interessiert, wohin der nächste Urlaub geht? Oder wo man noch ein Immobilienschnäppchen machen könnte?

Es ist Zeit, umzukehren. Europa braucht das Engagement jedes Einzelnen. Und das kann man nicht delegieren an Herrn Kurz oder Herrn Strache. Gerade verfolgen wir ja in Echtzeit, was dann mit den Stimmen gemacht wird. Die bisherigen „Trendwenden“ waren erst mal politische Umfärbungen wie früher. Und der Rest kümmerlich und im Umweltbereich außer Plattitüden eher kontraproduktiv. Man muss ja schon froh sein, wenn man auf der 140-km/h-Teststrecke nicht auch noch zum Rauchen gezwungen wird.

Oben die Flugzeuge, unten die Wende?
Das Fehlen der Grünen, des bürgerlichen Umwelt-Engagements, die Erschöpfung der Initiativen, all das ist aber desaströs für viele Branchen in Österreich und Europa: Während in Australien, Norwegen oder China bahnbrechende Innovationen vorangetrieben werden, bleiben wir auf „Leuchtturm-Projekten“ picken, die kaum zur Nachahmung taugen, weil ohne Fördergeld alles wieder zusammenbricht. Statt wirklich einen neuen Aufbruch in der Klimapolitik, in Umwelt-Technologien oder Energie-Forschungen einzuleiten, beeilt sich die neue Regierung, den Wirtschaftsstandort in die Verfassung schreiben zu wollen. Um zum Beispiel die 3. Flughafenpiste in Schwechat schneller „durchboxen“ zu können, weil die wegen des verfassungsgemäßen Umweltschutzes verboten werden konnte. Heißt: Noch mehr Umsteige-Flug-Verkehr, noch mehr Kerosinverbrauch, noch mehr Lärm und noch mehr Overtourism. Tolle Aussichten? Kein gutes Omen für die kommenden Jahre.

Damit sind wir wieder dort, wo wir immer ankommen: Die Energiewende, die Mobilitätswende und die Agrarwende kommen von unten oder gar nicht. Hoffentlich sind wir nicht schon zu träge dafür.
Herbert Starmühler

Dr. Herbert Starmühler

Herausgeber energie:bau Magazin

ist Herausgeber dieser Publikation energie-bau.at und verschiedener Fachmagazine im Bereich Technik, Architektur und Energieeffizienz. Als seit Jahren leidenschaftlicher E-Auto-Fahrer und Bezieher eigenen Sonnenstroms ist der Journalist jederzeit für innovative Ideen zu begeistern und holt sich beim Networken gerne Inspiration für neue Projekte.