Kommentar von Herbert Starmühler
Herausgeber energie:bau Magazin
Europa ist dabei, sich mit Haut und Haaren in die Abhängigkeit Chinas zu begeben. Das ist eine Niederlage für Menschenrechte, Demokratie und Kapitalismus.
Foto: Chevrolet
Nun hat also Bosch seine Batterien-Forschung aufgegeben. Das sei zu teuer. Man müsse in die Fertigung 20 Milliarden investieren – zu riskant. Sowohl die Lithium-Ionen- als auch die Festkörper-Zellen-Forschung werde eingestellt, erklärte der Bosch-Gechäftsführer Rolf Bulander. Einem Unternehmen mit 21 Milliarden Euro Jahresgewinn vor Steuern (2017) ist es also zu „riskant“ und zu teuer, dieses Zukunftsfeld ernsthaft zu betreten? Das ist mehr als dramatisch. Offensichtlich hat man es technisch nicht geschafft, den großen Ankündigungen zur Feststoff-Technologie herzeigbare Ergebnisse folgen zu lassen. Oder steht mittlerweile nur mehr die Aktienkurspflege im Vordergrund?
Das Dramatische an dieser Meldung ist, dass bald überhaupt kein großer europäischer Player mehr am Rennen um einen 250-Milliarden-Euro-Markt teilnimmt.
Europa versemmelt seine Zukunft, weil man einfach zu ignorant, zu hochnäsig oder beides zugleich ist. Wir alle wissen, dass die Elektromobilität nicht nur nicht aufzuhalten ist, sondern eine riesige Dynamik aufweist: Alles geht jetzt viel schneller als gedacht. Wenn man die unglaublich dreistdummen Infragestellungs-KomikerInnen weiterhin ernst nimmt, die all die faden Argumente wiederholen, warum denn die Elektromobilität NICHT funktionieren kann, wenn nicht endlich Fahrt aufgenommen wird in Politik und Industrie, werden wir in Europa untergehen. Denn an der Automobil-Industrie hängt wahnsinnig viel.

Dead-Car-Rolling
Jeder halbwegs dem Windelalter entwachsene Mensch kann die folgende Frage beantworten: Was ist besser – ein System, bei dem der Sprit in Kasachstan aus der Erde gepumpt wird, mit hohem Aufwand in einem Schiff nach Rotterdam gelangt, dann mit dem Tankwagen nach Wien fährt, von dort weiter verteilt wird bis zu den Tankstellen, von welchen wir dann nach ein-zwei Kilometer Fahrt die paar Liter in unseren Tank füllen, um wieder nach Hause zu fahren oder: ein System, dass 10 Meter Stromleitung vom Dach ins Auto benötigt.

Also was wird sein? Das Benzinauto ist ein Dead-Car-Rolling. Der Diesel wird sowieso gerade begraben. Ist doch klar.

Niederlage Europas
Das Elektroauto ist watscheneinfach, nur die Batterie tricky. Leistungsfähige und leistbare Batterien sind unabdingbar und wer die Batterien hat, hat das Auto. Und hier wird es wirklich dramatisch. Der wichtigste, mächtigste Player sind die Chinesen. Und dort sind die Menschenrechte ein Fremdwort, jedenfalls nach unserem Verständnis. China ist eine Diktatur, die – entgegen beharrlicher Beteuerungen – krakenhaft nach Weltgeltung greift. Wir begeben uns also sehenden Auges in die Abhängigkeit eines Menschenrechts-Unrechts-Regimes. Das ist eine Niederlage für die Europäischen Wertvorstellungen und unsere Demokratie. Wie sollen wir denn gegen die Machenschaften Chinas vorgehen, wenn Schlüsseltechnologien von dem Land abhängig sind. Und zwar gleich alle. Und es ist eine Niederlage für den Kapitalismus, der hier erkennbar gegen den Kommunismus chinesischer Prägung untergeht. Sicher, Batterien werden auch von den Demokratien in Taiwan, Japan und Korea in großem Stil hergestellt, doch China gibt den Ton vor.

Wir sind mittlerweile so weit, das wir den letzten Rest an Anstand der Gier geopfert haben: Bosch macht seine 21 Milliarden Euro Gewinn bei einem Umsatz von 102 Milliarden. Diese Riesenmargen waren früher undenkbar. Es wird Zeit, hier einzulenken. Der Raubtierkapitalismus frisst unsere Werte sonst völlig auf.
Herbert Starmühler

Dr. Herbert Starmühler

Herausgeber energie:bau Magazin

ist Herausgeber dieser Publikation energie-bau.at und verschiedener Fachmagazine im Bereich Technik, Architektur und Energieeffizienz. Als seit Jahren leidenschaftlicher E-Auto-Fahrer und Bezieher eigenen Sonnenstroms ist der Journalist jederzeit für innovative Ideen zu begeistern und holt sich beim Networken gerne Inspiration für neue Projekte.