Kommentar von Herbert Starmühler
Herausgeber energie:bau Magazin
Oft werden die Grenzen des Denkens von der Angst gezogen. Von der Angst vor dem Undenkbaren.
Energieautarke Wohnhäuser können Sicherheit bedeuten. Foto: Starmühler
Man mag nicht glauben, was zu radikal, also von der Wurzel her, gedacht werden muss. So ist es mit der Autarkie. Viele Menschen wollen nicht wahrhaben, wie unglaublich eng die Grenzen der Autarkie-Kreise werden. Ist es ein Staat, ein Ort vielleicht nur, gar ein Haus? Dazu lassen sich noch trefflich Autonomie- vs. Autarkie-Definitionen diskutieren. Das ist eine Spielwiese für übergescheite alte Herren mit großem Technikwissen und wenigen Haaren.

Verschiedene Blickwinkel
Genauso können wir uns endlos über die Frage der Wirtschaftlichkeit unterhalten. Spannend ist in diesem Zusammenhang immer: WER fragt? Für einen Hersteller von Groß-Energie ist es fraglos besser, er rechnet so, dass der Kreis groß gehalten wird. Internationale Konzerne wollen nichts weniger als den ganzen Erdkreis, die Welt also, für den ökonomisch sinnvollen Autarkie-Kreis zirkeln – erst wenn jeder Cent Gewinn bewertet wurde, ob in Kongo, Burma oder Pischelsdorf, erst dann könne das wirtschaftliche Maximum erzielt werden. Manche nennen das Ausbeutung. Aber wenn Werte wie Sicherheit, Komfort, Prestige oder Moral ins Kalkül einbezogen werden, engt sich der Kreis unglaublich ein. DAS ist spannend!

Systemgrenze Wohnhaus
Die Energiewende brachte es mit sich, dass die achtzig Jahre Zentralität plötzlich zu einer unfassbar dezentralen Energieversorgung führen, zu einem sehr engen Autarkie-Kreis führen können. Die Systemgrenze nähert sich immer mehr dem Wohnhaus an. Das inspiriert die Menschen: Sie erzeugen und kaufen PV-Dächer und Module, sie installieren Batterien (und stellen sie mittlerweile zur Schau), sie laden damit den elektrischen Fuhrpark, heizen mit Strom und freuen sich über Sicherheit, wenn ihr Haus erleuchtet ist in einem Meer der Finsternis (letzteres ist nicht esoterisch gemeint oder belletristisch, sondern ganz banal, weil sich das buchstäblich so in Afrika zeigt, wenn wieder einmal für Stunden der Strom ausfällt).

Radikal und real
Autarkie ist machbar, Herr Nachbar! Es ist radikal und real. Das einzige, was uns hindert, sind überkommene Regulative, die verständlicherweise von jenen verlangt werden, die von der Liberalität nicht profitieren, und die Scheren im Kopf, für die wir aber selbst verantwortlich sind.
Nehmen wir die Kassandrarufe von den alten Herren mit dem schütteren Haupthaar nicht ernst – und folgen wir der steirischen Volksweisheit gegenüber solchen „Wahrheiten": "Net amol ignorieren!“
Herbert Starmühler

Dr. Herbert Starmühler

Herausgeber energie:bau Magazin

ist Herausgeber dieser Publikation energie-bau.at und verschiedener Fachmagazine im Bereich Technik, Architektur und Energieeffizienz. Als seit Jahren leidenschaftlicher E-Auto-Fahrer und Bezieher eigenen Sonnenstroms ist der Journalist jederzeit für innovative Ideen zu begeistern und holt sich beim Networken gerne Inspiration für neue Projekte.