Niedrigenergiehaus, Sonnenhaus, Passivhaus und Plusenergiehaus - unterschiedliche Haus- und Gebäudekonzepte werden derzeit lebhaft diskutiert. Eine Studie soll jetzt konkret vergleichen - vorgegeben sind gleicher Standort und Grundriss.
Insgesamt werden 28 fiktive Gebäudekonzepte entwickelt (vier Bautypen mal sieben Baustoffkombinationen)
Schon beim IBO-Kongress "Das muntere Sprießen der Gebäudekonzepte" berichtete energie:bau über die Diskussion der beteiligten Interessengruppen (s. Artikel "Die Ziegel-Lobby in der Höhle des Löwen"). Seit Februar nehmen die Experten der Austrian Cooperative Research (ACR) die vier gängigen Ökobautypen Niedrigenergiehaus, Sonnenhaus, Passivhaus und Plusenergiehaus jeweils in den vier Baustoffarten Beton, Holz, Holzspanbeton und Ziegel unter die Lupe.

Reibungspunkte vorprogrammiert
Schon im Vorfeld zeigen sich die klassischen Reibungspunkte zwischen Passiv und Massiv. Ziel der Studie sei es "nicht wie etwa beim Passivhaus, alles auf den Heizwärmeverbrauch pro Quadratmeter zu reduzieren", schreiben die Salzburger Nachrichten in einem aktuellen Bericht und greifen damit ein klassisches und nicht minder umstrittenes Argument der "Ziegelfraktion" auf.
Die IG Passivhaus ist beim Projekt nicht direkt involviert, signalisiert aber den klaren Wunsch nach produktiver Zusammenarbeit, wie Architekt Johannes Kislinger (ah3) gegenüber energie-bau.at deutlich macht: "Wir steigen jederzeit gerne ein in einen qualifizierten Dialog mit der Wirtschaft und Industrie. Es ist höchste Zeit, alle Kräfte zu bündeln, um die grüne Revolution zu ermöglichen." Allerdings fügt er vielsagend hinzu: "Alle anderen Konzepte sind die abgeschwächte Form des Passivhauses mit Rücksicht auf Baustoffe und deren Einschränkungen."

"Ausbalanciert"
Bei ACR ist man sich der Konflikte bewusst, Natalie Konir gegenüber energie-bau.at: "Die Studie wird im Rahmen des Programms 'Haus der Zukunft' vom Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie durchgeführt. Bei der Auswahl der Forschungsinstitute und des Beirats haben wir darauf geachtet, dass es gut 'ausbalanciert' ist. Uns ist natürlich bewusst, dass die Vertreter der unterschiedlichen Interessengruppen den Ablauf und die Ergebnisse sehr interessiert im Auge behalten."  
 
28 fiktive Gebäudekonzepte
„Für die Erstellung der Bilanzen werden insgesamt 28 fiktive Gebäudekonzepte entwickelt, vier Bautypen mal sieben Baustoffkombinationen, die auf einem jeweils gleichen Gebäudegrundriss bzw -plan sowie Gebäudestandort basieren“, erklärt Projektkoordinator Andreas Oberhuber vom FGW (Forschungsgesellschaft für Wohnen, Bauen und Planen): „Zwecks Erreichung bestimmter Gebäudeeigenschaften wie Passivhaus, Sonnenhaus etc. müssen freilich entsprechende Dimensionierungen wie Dämmstärken, Fensterqualitäten usw. vorgenommen werden.“ Dadurch solle aber die Vergleichbarkeit der Ergebnisse nicht leiden.

Lebenszyklus
Bei der Studie werden die relevanten ökologischen und ökonomischen Kennzahlen im Lebenszyklus eines Gebäudes errechnet und evaluiert. Maßgebliche Unterschiede der einzelnen Gebäudetypen und Konstruktions- sowie Baustoffvarianten werden objektiv erfasst und fließen in eine umfassende Gesamtbewertung über den gesamten Lebenszyklus ein. Neben den Gebäudetypen und Konstruktionsweisen fließen unterschiedliche Baumaterialien, Haustechnik- und Wärmedämmkonzepte als weitere Parameter in die Analysevarianten ein. Die Ergebnisse sollen im Frühjahr 2013 vorliegen.

Wirtschaftliche Interessen
Die Ergebnisse können auch dazu führen, dass sich bestimmte Kombinationen von Gebäudetypen und -techniken als weniger optimal herausstellen als andere. An die Gefahr, dass die wirtschaftlichen Interessen die Ergebnisse verzerren könnten, glaubt Oberhuber nicht: „Das ist nicht zu befürchten. Die bereits beschriebene Methodik in der Projektabwicklung, vollständige Transparenz und gewährleistete Objektivität wird zu einer hohen und klaren Aussagekraft der Forschungsergebnisse führen. Zweifellos wird das Projekt auch seitens der Baustoffverbände und -industrien mit großem Interesse beobachtet werden.“

Involvierte Forschungsinstitute
Die ACR ist ein Netzwerk von 16 außeruniversitären kooperativen Forschungsinstituten. Schwerpunkt der ACR ist „Nachhaltiges Bauen“. Für die genannte Studie haben sich das Bautechnische Institut Linz (BTI), die Bautechnische Versuchs- und Forschungsanstalt Salzburg (bvfs), die Forschungsgesellschaft für Wohnen, Bauen und Planen (FGW), die Holzforschung Austria (HFA), das Österreichische Forschungsinstitut für Chemie und Technik (ofi) sowie das Forschungs-institut der Vereinigung der österreichischen Zementindustrie (VÖZFI) zusammengefunden. Für das zweijährige Projekt sind 245.000 Euro budgetiert.

Quellen:
acr.at
Salzburger Nachrichten


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