Die neu errichteten Hertha-Firnberg-Schulen entsprechen weder dem Niedrigenergie- noch im Passivhausstandard. Schwachsinn oder intelligente Lösung? Günther Lang, IG Passivhaus, und Architekt Johannes Michel sind unterschiedlicher Ansicht.
Seit September 2010 läuft der Schulbetrieb in den neu erbauten Hertha-Firnberg-Schulen für Wirtschaft und Tourismus. Direktorin Marlies Ettl zeigt sich froh, über genügend Platz für die Schüler zu verfügen und stolz, „dieses elegante Haus zu leiten“. Jedoch waren in der ersten Zeit des Betriebs einige Probleme zu bewältigen: So funktioniere beispielsweise die Heizung nicht einwandfrei und schwanke die Temperatur des Öfteren in den einzelnen Räumen. Ihr Fazit: „Das Haus ist dermaßen hochtechnisiert, dass wir eine eigene Technikerin oder einen Techniker bräuchten, die bzw. den wir natürlich auch gerne mit anderen Schulen teilen würden. Die Schulwarte allein sind hier überfordert.“ Zu allem Überdruss konnte der ebenfalls neu errichtete Turnsaal aufgrund eines massiven Wasserschadens monatelang nicht benützt werden.

Kostengünstig statt energiebewusst
Auch der Baden-Württembergische Architekt Johannes Michel, der gleichzeitig auch das angrenzende Bernoulligymnasium erweiterte, sieht nicht alles rosig – insbesondere nicht den Heizwärmebedarf von 50 kWh/m²a: „Das 2007 geplante Gebäude unterschreitet die Mindestenergiekennwerte aus der Wiener Bauordnung aus dem Jahr 2007 in energietechnischer Sicht deutlich. Aus heutiger Sicht wurde aber nicht sehr energiebewusst gebaut.“ Dennoch sei es gelungen, ein „optimales“ Kosten-Nutzen-Verhältnis bei Baukosten von 17 Mio. € netto zu realisieren: mit einer kompakten Bauweise und nur 12 cm Fassadendämmung.
„Das Gesamtenergiekonzept basiert auf einem klassischen System mit Fensterlüftung und Zentralheizung“, erklärt Michel. Die massive Stahlbetonkonstruktion diene als passive Speichermasse zur Regulierung der sommerlichen Wärme im Gebäude. In der Aula werde eine Nachtabkühlung über elektrische Fensterflügel mit vollautomatischer Steuerung und Regen- bzw. Windwächter erzielt. In den Groß- und Lehrküchen ist eine Wärmerückgewinnung eingebaut. Beheizt wird das Gebäude mit Fernwärme – dies sei „effizient und kostengünstig“.

Günther Lang, ehemals Geschäftsführer der IG-Passivhaus: Der in der OIB-Richtlinie ausgewiesene Wert von 22,75 kWh/m3a bedeute umgerechnet einen maximal zulässigen Heizwärmebedarf von grob 100 kWh/m2a. Damit erfülle das Gebäude komfortabel die rechtlichen Vorgaben. Dennoch spricht er von nicht zeitgemäßer Bauweise: „Der Trend geht ganz klar hin zum Passivhaus. Alles andere wäre Schwachsinn – alleine schon deshalb, weil die Komfortlüftung zu einer besseren Konzentration der Schüler führt“, erinnert er an schlechte Ergebnisse bei Pisa-Studien. Zum anderen schreibe die im Vorjahr beschlossene EU-Richtlinie ohnehin Nullenergiegebäude ab 2018 vor, für die noch strengere Vorschriften gelten als für Passivhäuser. „Das heißt, dass 2015 oder 2016 der Passivhausstandard allgemeiner Baustandard sein wird.“ Während die Bundesländer „ihre“ Landesschulen immer häufiger in Passivhaus-Bauweise bauen, sei der Bund säumig: „Er hat noch kein einziges Gymnasium in Passivhausstandard gebaut, dafür aber das Gefängnis in Korneuburg. Dabei sollte doch gerade der Bund wie alle anderen öffentlichen Stellen mit gutem Beispiel vorangehen.“

Differenziert sieht die Situation Johannes Michel, der gerade in Egg in Vorarlberg ein neues Sozialzentrum mit einem jährlichen Heizwärmebedarf von 5 kWh/m² errichtet: „Die Bundesimmobiliengesellschaft ist der Passivhaus-Bauweise sehr aufgeschlossen, doch die Budgetierung des Ministeriums spricht eine andere Sprache.“ Klarerweise würde sich ein Passivhaus auch im Schulbereich in Bezug auf die Lebenszeit im Vergleich zu energiefressenderen Gebäuden rentieren. Dennoch sei das Kosten-Nutzen-Verhältnis der Hertha-Firnberg-Schulen optimal. Das in etwa gleiche Gebäude in Passivhaus-Bauweise hätte – je nach Konzeption – zwischen 5 und 15 % mehr gekostet. „Dazu kommt die bessere Grundstücksausnutzung, denn aufgrund der verstärkten Dämmung verliere man beim Passivhaus bei gleicher Geschoßfläche etwa 5 % der Nutzfläche.“ Anders ausgedrückt: Der Preis des Passivhauses erhöht sich um weitere 5 %.
Klaus Faißner
Foto: AMP-Architekten

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