Rot, robust, selbstbewusst: Mit dem Haus 2+ kommt erstmalig ein nahezu 100%iger Holzbau auf den Holzmarkt. Inmitten der improvisierten Ästhetik des bekannten Berliner Kreativquartiers setzen die jungen Architekt*innen Moojin Park und Benjamin Scheerbarth mit klarem Gestaltungswillen ein Zeichen für Nachhaltigkeit.
Noch bis ins frühe 19. Jahrhundert war der Holzmarkt am Spreeufer ein wichtiger Berliner Umschlagplatz für Holz. Später Grenzgebiet der DDR, wurde er nach der Wende zur Brachfläche, auf der 2003 die legendäre Bar25 entstand. 2012 ging daraus der Holzmarkt 25 hervor: ein genossenschaftlich organisiertes Kulturquartier – mit Konzerthalle und Studios, Restaurants, Club und vielen kleinen Buden und Zelten am öffentlichen Spreeufer, das jedes Jahr rund 500.000 Besucher anzieht.
Neuer roter Haupteingang ins Quartier
In dieser scheinbar improvisierten Gemengelage schafft Haus 2+ Klarheit. Strahlendrot von Dach bis Boden, markiert es den neuen Haupteingang des Quartiers. Seine prägnante wie komplexe Form setzt sich aus einfachen geometrischen Körpern zusammen. Auf drei Etagen ergeben sich individuelle Raumzuschnitte für die entsprechend heterogene Mieterschaft. Denn die knapp 200 Quadratmeter teilen sich: eine lokale Bäckerei und eine Booking-Agentur, ein Tattoo-Studio und ein Physiotherapeut, ein Künstler und ein Fotoatelier.
Günstig musste es sein und ressourcenschonend
Das Baubudget war klein, der Anspruch an Ressourcenschonung und Flächeneffizienz maximal. Darum nutzt das Haus 2+ das, was bereits da ist: Wie ein „friendly parasite“ dockt es an das außenliegende Treppenhaus des benachbarten Konzertsaals an und macht dadurch die eigene Erschließung aus CO2-intensivem Beton überflüssig. Einen bereits vorhandenen Keller nutzt es als Bodenplatte, die darin befindliche Fernwärmestation als Energiequelle. Die Dachterrasse vom Haus 2+ wird Teil der Landschaft aus offenen Laubengängen, Brücken und Balkonen des Quartiers.
Drei unterschiedliche Holzbausysteme treffen im Haus 2+ aufeinander – Massivholz für die Innenwände, Holzhohlkastenelemente für die Decken, Holzrahmen mit vorgehängter Holzfassade für die Außenwände. Regional vorproduziert, sortenrein verbaut und ausschließlich geschraubt statt geklebt, können alle Bauteile ohne großen Aufwand wieder abgebaut, getrennt und weiterverwendet werden. So kehrt der Holzmarkt frei nach dem Prinzip Cradle to Cradle sogar ein wenig zu seinen Wurzeln als Umschlagplatz für Holz zurück.
Mehr zu Haus 2+
Städtebau
Drei mehrgeschossige Hallen aus Betonfertigteilen bilden das bauliche Rückgrat des Holzmarkts, das die Genossenschaft in den letzten Jahren sukzessive für Konzerträume, Gastronomie, Büros und Studios ausgebaut und mit einem festgelegten Fassadenrepertoire verkleidet hat. Zur Spree hin sind alle Räume und Etagen über offene Treppenhäuser und Laubengänge zugänglich. Zwischen den Riegeln markiert das Haus 2+ nun den öffentlichen Haupteingang zum Quartier. Es bildet eine schmale Gasse, die die Besucher*innen zum „Marktplatz“ des Quartiers und zum Ufer der Spree führt. Auf einer schmalen Grundfläche von rund 5 × 15 Metern dockt es an das Treppenhaus der Veranstaltungshalle Haus 2
an. Die Gebäudehöhe spiegelt seine gegenüberliegende Bebauung und ist ebenso durch Brandschutzanforderungen definiert.
Architektur P
Durch die differenzierte Außenform vom Haus 2+ ergeben sich auch im Inneren unterschiedliche Raumzuschnitte. Auf jeder seiner drei Etagen findet sich eine Rundung: Das Erdgeschoss verjüngt sich zur Holzmarktstraße hin und lädt Passanten ins Quartier sowie
in die Läden im Erdgeschoss ein. Im Obergeschoss schirmt das Tonnendach den Lärm von Straße und Hochbahn vom Quartiersinneren ab. Im Inneren ergibt sich dadurch die doppelte Raumhöhe mit Oberlicht – ideale Bedingungen für eine Künstleratelier. In der mittleren Etage schafft eine weitere Kurve in Richtung Marktplatz Raum für einen kleinen privaten Balkon. Alle sechs Gewerbeeinheiten sind über die Bestandstreppe des Nachbarbaus erschlossen. Die beiden Läden im Erdgeschoss sind für den Publikumsverkehr barrierefrei zugänglich. Eine Dachterrasse mit Spreeblick ist für alle nutzbar.
Dreifach nachhaltig
Haus 2+ verfolgt aktive und passive Strategien zur Ressourcenschonung: Es baut auf nachwachsenden Rohstoff Holz. Es nutzt die graue Energie der Bestandsbauten für die eigene Erschließung. Und es unterschreitet dank Low-Tech-Ansatz mit natürlicher Be- und Entlüftung sowie sehr hohen Dämmwerten den Primärenergiebedarf um 41 Prozent.
10119 Berlin
Die Außenwände bestehen aus einem Holzrahmenbau mit vorgehängter hinterlüfteter Holzfassade aus Lärche. Die Decken sind aus materialeffizienten Holzhohlkastenelementen. Das Massivholz der Innenwände dient der Aussteifung und akustischen Trennung. Alle Holzprodukte sind zertifiziert und sortenrein verbaut und verhelfen dem Bau zu sehr guten Werten in der Lebenszyklusanalyse.
Eckdaten Haus 2+, Berlin
Architektur: Office ParkScheerbarth
Bauherrin: Holzmarkt Betriebs GmbH
Bauaufgabe: Sechs Gewerbeeinheiten und öffentliche Dachterrasse Größe: 204 m2 BGF
Fertigstellung: August 2023
Tragwerksplanung: Buro Happold
Gebäudetechnik: Planungsteam E+B
Brandschutz: im.KONTEXT
Holzbau: Arche Naturhaus
Fotografie: Jan Bitter
Über Office ParkScheerbarth
Office ParkScheerbarth wurde 2019 von Moojin Park und Benjamin Scheerbarth in Berlin gegründet. Mit intellektuellem Anspruch und praktischem Ansatz möchten die beiden urbane Interventionen und Architekturen von eigener Schönheit und nachhaltigem gesellschaftlichen Mehrwert schaffen. Mit dem Haus 2+ hat das Büro seinen ersten Gewerbebau in Holzbauweise realisiert.
(hst)