Die Hälfte des öster­reichischen Abfallbergs wächst auf Baustellen – derzeit sind es etwa 27 Mio. t pro Jahr. Bis 2020 soll sich das ändern. Von Anton Sprenger
Die Stadt als Rohstoffquelle - Urban Mining. Bild: Wikimedia Commons Von Sheiko - Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0
Die EU-Abfallrahmenrichtlinie 2008/98/EG sieht für Bau- und Abbruchabfälle vor, dass bis 2020 das Recycling und die stoffliche Verwertung auf mindestens 70 Gewichtsprozent erhöht werden. Mittels einer Schadstofferkundung und eines geordneten sowie verwertungsorientierten Rückbaus von Bauwerken soll das erreicht werden. Wie das ökologisch und ökonomisch sinnvoll und technisch bewerkstelligt werden kann, wurde vor Kurzem im Forschungsprojekt „Rahmenbedingungen für den Aufbau und die Initiierung eines regionalen Wiederverwendungsnetzwerkes für Bauteile aus dem Bauwesen als Beitrag zur Ressourcenschonung (RaABa)“ dargestellt. Zusammen mit einem ungarischen Forschungspartner konnte die Ressourcen Management Agentur (RMA) zeigen, dass für einzelne Bauteile Wiederverwendung möglich ist. Die rechtlichen Rahmenbedingungen hemmen die Umsetzung. Nichtsdestotrotz existieren Märkte für einzelne Bauteile. Das belegen die funktionierenden Wiederverwendungsnetzwerke in Deutschland, den Niederlanden und der Schweiz. „Im Projekt RaABa haben wir dargelegt, was für eine rationelle und wirtschaftliche  Wiederverwertung von Bauteilen nötig ist und wo Konfliktfelder sind“, betonte Johann Daxbeck, GF Obmann des RMA-Vereins, beim Workshop in Wien.
Bauteilgruppen, die sich für Wiederverwendung in einem Wiederverwendungsnetzwerk eignen, sind in erster Linie nicht-tragende Elemente wie Bodenbeläge, Fens­ter, Türen, Sanitärinstallationen, Elektroinstallationen, Geländer oder Dachdeckungen. Auch tragende Bauteile wie Mauerziegel oder Dachstühle können geeignet sein.

Ein Spannungsfeld in der Alpenrepublik ist der zerstörungsfreie Rückbau. Dieser ist nicht Stand der Technik und nicht vorgeschrieben. Der Abbruch von Bauwerken wird in Österreich über Landesbauordnungen/Gesetze geregelt. Die Sammlung und Verwertung der beim Abbruch anfallenden Baurestmassen ist hingegen durch das Abfallwirtschaftsgesetz geregelt. Dort ist nicht klar festgelegt, wann rückgebaute Bauteile nicht als Abfall gelten. Eine Hürde ist die EU-Bauproduktenverordnung. Sie regelt über die CE-Kennzeichnung die Inverkehrsetzung von industriell gefertigten Bauprodukten. Derzeit existiert für rückgebaute und aufbereitete Bauteile keine Ausnahme.

Mit dem magdas-Hotel hat man in Wien ein Beispiel für die Umsetzung von Wiederverwendung und Upcycling im Bauwesen geschaffen. Das Hotel, welches um- und neugestaltet wurde, hat man entkernt und alle wiederverwendbaren Bauteile wie Waschbecken, Armaturen oder Beschläge wieder eingesetzt. Teilweise hat die RMA die Bauteile einem Upcycling-Prozess unterzogen. In Testabbrüchen am Übungsbauhof der BauAkademie Wien wurde der zerstörungsfreie Rückbau von Bauteilen durchgeführt und dokumentiert. Dabei hat man die Arbeitsschritte des Rückbaus bzw. die anfallenden Abfälle und den wiederverwendbaren Bauteil erfasst. Ziegel, Sanitäreinrichtungen und Zarge wurden von Lehrlingen unter Aufsicht von Lehrpersonal zerstörungsfrei rückgebaut. Das RaABa-Projektteam dokumentierte den Aufwand und die technische Durchführung des Abbruchs.

Praxisleitfaden mit Handbuch
Mit diesen Informationen konnte die Wirtschaftlichkeit und technische Umsetzbarkeit des verwertungsorientierten Rückbaus berechnet werden. Fehlende Informationen hat man durch Expertenbefragungen oder Literaturangaben ergänzt. Dabei zeigt sich ein differenziertes Bild je nach Bauteil. Generalisierte Aussagen zur Rückbaufähigkeit und Wirtschaftlichkeit sind schwer zu treffen. Nichtsdestotrotz gibt das RaABa-Handbuch Hilfestellungen, um Entscheidungen in Bezug auf Rückbau oder Demolierung von Bauteilen zu treffen.
Das Handbuch ist ein Teil des Praxisleitfadens. Zusätzlich wurde ein Schulungskonzept für Baustellenarbeiter und für die aufbereitenden Gewerbebetriebe entwickelt. Ein Bauteilkatalog enthält die potenziell wiederverwendbaren Bauteile sowie Handlungsanweisungen. Das Handbuch steht auf raaba.rma.at zum Download bereit.

Was bedeutet das für die Praxis?
Die Qualität der Materialien variiert. „Wir haben Schätzungen bei Häusern von 1900, wo man bis zu 90 % wiederverwenden kann. Häuser der 70er- oder 80er-Jahre haben teilweise weniger als 10 % wiederverwertbare Bauteile“, meint GF Matthias Neitsch, RepaNet. Ein kritischer Punkt in der Umsetzung ist, dass künftig jeder Bauherr, der einen Abriss macht, eine Schadstoff- und Störstoffuntersuchung machen sollte. Es muss dokumentiert werden, welche Bauteile wiederverwertet werden können. Ein Ansatzpunkt, um die Wiederverwendung und Wiederverwertung im Bauwesen zu stärken, liegt darin, die handelnden Akteure besser zu vernetzen. Dies ist gegenwärtig zu wenig ausgebaut. Allerdings ist auch der Kostendruck im Bauwesen groß. Daher ist der Spielraum für innovative Ansätze gering – besonders, wenn „zu billige“ Baustoffe beim Abrissprojekt verwendet worden sind. „Bauherren und Planer können von historischen Bauwerken, bei welchen reparaturfähige und langlebige Baumaterialien eingesetzt worden sind, lernen“, war ein Ergebnis beim RMA-Workshop in Wien. Wie der Trend des Wohnbaus hin zu flexiblen Raumnutzungen und modularer Bauweise der Wiederverwertung entgegenkommt, wird sich weisen.Insgesamt sind Materialien verfügbar. Aber jeder will sein neues Haus individuell gestalten. Deshalb sind es oft lange Zeitspannen, bis Baustoffe wieder Verwendung finden. Ein Ausweg: Ein Online-Marktplatz „Bauteilbörse im Internet“, bei dem Materialien schon vor dem Abbruch angeboten werden und so die Lagerkosten entfallen.

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