Eine Tiroler Architektin plant  in Afrika ein Haus und verzichtet daher auf Außendämmung. Dafür wird die Sonne genutzt, dass es eine Freude ist.


Wer sich dem Boutiquehotel nähert, entwickelt den Tunnelblick: Man sieht dann nur noch das Schöne, der Unrat aus Plastik und Papier entlang der Straße bleibt ausgeblendet. Denn Alois Weiß, ehemals Verlagseigentümer in Innsbruck und Wien hat sich mit seiner Frau Nina in Gambia, an der Atlantikküste, ein Schmuckstück bauen wollen. Auf dieses Kleinod inmitten afrikanischer Realverfassung steuern wir nun zu.
 
Schauen wir, ob es geklappt hat.
 
Nur die umgebende Mauer, Tribut an örtliche Sicherheitsüberlegungen, ähnelt noch ein wenig den Gebäuden der Umgebung. Dann, im Inneren der Anlage, eine mediterane Melange. Sind wir in Nizza oder Menton? In Südspanien oder an der Algarve?
 
Wir sind in Gambia, eine halbe Stunde südlich der Hauptstadt Banjul, die man wie Bantschuhl ausspricht. Die junge Architektin, Angelika Mitterer, hat ihr Werk noch nie gesehen. Unüblich, aber verständlich, Gambia liegt nicht gerade ums Eck. Mitterer schafft in Aldrans, in Tirol, 5.899 Kilometer entfernt, weniger Meer.
 
Sie sagt: „Nina und Luis Weiß waren aber im Jahr vor Planungsbeginn längere Zeit in Gambia und haben sich sehr mit dem Thema Bauen in diesen Ländern auseinandergesetzt. Die beiden waren somit meine Informationsquelle für die geplante Bauphysik. Jedoch war es für mich schon ungewohnt, ein Haus mit nur verputzten Wänden zu planen, oder keinen Keller bzw. Frostschürzen die ja ebenfalls unnötig bei einem relativ gleichbleibenden Klima sind. Andererseits gab es die Anforderung mit extremen schwallartigen Regenfällen umzugehen und das Haus vor Überhitzung möglichst ohne großen Energieaufwand zu schützen.“
 
Wetterdaten, Lagepläne und Internetrecherchen mussten ausreichen.
 
Es scheint geklappt zu haben: Der luftige Eingangsbereich führt uns ins offene Restaurant, Blick auf Garten, Pool und Meer. Schatten und Sonne sind die Zutaten, auf die es ankommt. Rückzug ist erlaubt und möglich, die Architektin hat uns einige schräge Nischen geschenkt. Afrikanische Masken, Holztruhen und Schalen an Brüstungen, Wänden und Steinboden. Hier ist es klar, perspektivisch und trotzdem gemütlich.
 
Gehen wir mit Alois Weiß aufs Dach: Hier, inmitten seiner PV-Modulen fühlt sich Alois Weiß genauso wohl wie in der Küche (in der er das Kommando über ein halbes Dutzend einheimischer Kräfte führt). 18 Kilowattpeak hat er hier aufständern lassen, die Module kamen mit dem Container aus Europa. Und das architektonisch Schöne ist: Man muss schon mit dem Heißluftballon über dem Haus schweben, um sie wahrzunehmen: Von nirgendwo am Boden sind sie zu sehen, sie „stören“ die Architektur also nicht.



Der Bauherr erzählt: „Wir haben auch simple schwarze Kunststoffrohre zwischen die PV-Module verlegt, hier gab es auch eine der wenigen Pannen: Wir haben die Dimensionierung der Schläuche zu den Pumpen falsch ausgelegt. Jetzt aber funktioniert alles“. Das Pool wird damit in den Übergangszeiten temperiert, denn nicht immer hat es hier 40 Grad im Schatten. Ein Tank am Dach sammelt das heiße Wasser und dient als Pufferspeicher. Kurze, technisch einfache, Wege zum Verbraucher.
Hier, im Flachdach, hat die Architektin eine Dämmebene gegen die Überhitzung vorgesehen und den örtlichen weißen Muschelkies als Flachdachabschluss eingeplant, „da ja eine weiße Oberfläche optimal für starke Sonneneinstrahlung ist“. (Mitterer).
 
Nichts hat die beiden Reisefreaks erschüttern können, Ussancen, Stile und Werkzeuge mussten mit afrikanischen Mentalitäten in Einklang gebracht werden. Architektin Mitterer beobachtete aus der Ferne: „Herr Weiß lange gekämpft, musste sich dann aber doch damit abfinden, dass man in gewissen Punkten Kompromisse eingehen muss, weil der Baustandard vor Ort doch ein ganz anderer ist und die vorhandenen Facharbeiter nicht von heute auf morgen unsere Standards umsetzten konnten. So wird bei uns schon sehr auf Schallschutz geachtet, gerade auch in der Hotelerie, in Gambia werden aber einfach standardmäßig alle Leitungen in der Wand verlegt und nicht wie bei uns im Boden.“



Schnell noch in den Technikraum, vorbei an vielen obligaten LED-Leuchten: Wechselrichter und Dieselaggregat ergänzen einander, um das Hotel mit Strom zu versorgen, vor allem, wenn das örtliche Netz mal wieder schwächelt. Displays zeigen den Temperaturverlauf und den Status quo an, damit Weiß für seine 6 Gästezimmer immer am Laufenden ist. Nina Weiß, in Leo´s Hotel für Organisation und Marketing und vor allem für die Gäste aus nah und fern, aus Gambia, Senegal oder Europa zuständig, sagt: „Unsere Gäste merken gar nichts von diesen Überlegungen. Hauptsache, alles funktioniert und das Essen schmeckt!“.