Die Wasserstoff-Technologie ist seit Jahrzehnten Forschungsthema. Nur in wenigen Bereichen wird sie sich durchsetzen können, glaubt der Energie-Experte Bernhard Reinitzhuber. Im Interview mit energie-bau.at-Chefredakteur Herbert Starmühler.

AltTxt Reinitz
Energie-Experte Bernhard Reinitzhuber (links) beantwortet die Fragen von Herbert Starmühler (energie-bau.at)

Die Vision von einem Wasserstoffzeitalter und die in diesem Zusammenhang getätigten Aussagen, zeigen von enormem Informationsbedarf. Wir sprachen mit Fachexperten Bernhard Reinitzhuber. Hier geht es zum Video.

Welche Bedeutung hätte Wasserstoff als Energieträger in unserem Energiesystem?
Wasserstoff ist keine Energiequelle wie Öl, Gas oder Biomasse. Er muss zunächst aus anderen Energieformen hergestellt werden. Dies geschieht entweder über Dampf-Reformierung aus fossilem Erdgas oder mittels Elektrolyse aus Strom. Derzeit wird Wasserstoff überwiegend aus fossilem Erdgas hergestellt.  Derartige Umwandlungsprozesse sind mit Verlusten, wie Wärmeabgabe, verbunden. Bei intelligenter Energieraumplanung könnte man diese Verluste z.B. für Gebäudeheizwerke nutzen.Irreführend sind auch die Begriffe Elektroauto und Wasserstoffauto. Beides sind Elektroautos, wobei in einem Fall die Batterie der Stromspeicher ist und im anderen Fall der Wasserstoffstank mit der Brennstoffzelle. Mit Strom aus erneuerbaren Quellen für die großtechnische Wasserstofferzeugung ist erst beginnend mit 2030 in Österreich zu rechnen, vorausgesetzt es wird ein ganz massiver Ausbau der erneuerbaren Energieträger durchgeführt.

Welche Vor- und Nachteile hätte aus ihrer Sicht Wassertoff in der zukünftigen Anwendung?
Bei den Vorteilen werden zumeist die höhere Reichweite, die kürzere Betankungszeit, sowie der Verzicht auf Rohstoffe, wie Lithium und Kobalt, genannt. Da auch bei den batteriebetriebenen Fahrzeugen die Entwicklung nicht stehenbleibt, relativieren sich diese Vorteile mittlerweile sehr stark. So hat ein modernes Mittelklasse Elektroauto (z.B. Hyundai Kona mit 64kWh) eine Reichweite von gut 449 km nach WLTP (weltweit harmonisiertes Testverfahren für PKWs). Mit einer Ladeleistung von 100 kW, lassen sich pro 10 Minuten 100 km in das Fahrzeug tanken.Noch eine Kleinigkeit aus der Praxis: Ein E-Auto lade ich meist nicht voll, sondern nur so viel, wie zur Erreichung meines nächstes Fahrziels benötigt wird. So haben heutzutage bereits viele Hotels oder auch Einkaufszentren eine Lademöglichkeit.Nicht zu unterschätzen ist auch die längere Betankungsdauer eines Wasserstoffautos, vergleichsweise zu einem Diesel- oder Benzinauto. Zumeist werden 5 Minuten für einen Betankungsvorgang genannt. 

Ein Wasserstoffauto benötigt 4-mal mehr Strom als ein batterieelektrisches Auto.

Da Wasserstofftankstellen in ihrer Ausführung mit hohen Kosten verbunden sind, wird der Ausbau nur sehr schleppend vorangehen. So wäre beispielsweise im Urlauberreiseverkehr vermutlich mit längeren Wartezeiten zu rechnen.Der größte Nachteil beim Wasserstoffauto ist aber die geringe Energieeffizienz.  Es benötigt rund 4-mal mehr Strom, als ein batterieelektrisches Auto. Damit ist die Basis der Energiewende, die Forderung nach Energieeffizienz, nicht erfüllt. Des Weiteren kann ich nicht meinen eigenen Strom zu Hause, z.B. aus Photovoltaik oder Kraft-Wärme-Kopplung, in das Fahrzeug tanken. Dadurch ist eine zweite Forderung der Energiewende, die Dezentralisierung des Energiesystems, nicht erfüllt. Viele E-Autofahrer suchen in der Praxis kaum noch eine Tankstelle im herkömmlichen Sinne auf. Sie tanken einfach dort, wo sie gerade parken. Zu guter Letzt: Wasserstofftechnologien sind nicht fertig entwickelt und für den sofortigen Einsatz in Großserie nicht geeignet.

Ist Wasserstoff gefährlich?Ja. Es wäre unethisch den Menschen gegenüber, die in Zukunft mit Wasserstoff zu tun haben und sich dessen Gefahrenquellen aussetzen müssen, dies zu beschönigen. Wasserstoff hat einen unheimlich breiten Zündbereich. Das zündfähige Wasserstoff-Luft-Gemisch ist äußerst variabel.
Wasserstoff zündet bereits bei den geringsten statischen Aufladungen der Luft und kann bei Ausströmung aus der Druckflasche selbst entzünden. Hinzu kommt, dass die extrem hohe Flammgeschwindigkeit, das führt eben zu dem "Knall" bei der Verbrennung. Daher wird ein Wasserstoff-Sauerstoff Gemisch auch als "Knallgas" bezeichnet. Damit ist der technische Aufwand hoch, Wasserstofffahrzeuge sicher zu machen.

Auf Grund seiner geringen Dichte, ist Wasserstoff sehr flüchtig. Strömt dieser aus einem Tankbehälter, so steigt er schnell nach oben. Daher werden auf öffentlichen Verkehrsmitteln, wie Bus oder Bahn, die Tankflaschen zumeist auf dem Dach montiert. Dies soll maximale Sicherheit gewährleisten.  Die gefährlichsten Situationen mit Wasserstoff sind Transport zu finden, wenn z.B. ein kryogener Tanklastwagen durch einen Tunnel fahren muss, stellt dies eine Gefahrensituation dar.

Sind sie ein Gegner von Wasserstoff?
Klares Nein. Wasserstoff wird in fernerer Zukunft vermutlich  eine Bedeutung für Nischenanwendungen haben. Das ist bereits heute im Bereich der Raumfahrt der Fall. Nicht zu vernachlässigen ist der Einsatzbereich für chemische Anwendungen in der Industrie. Die dort zum Einsatz kommenden Mengen, müssten im ersten Schritt mal erneuerbaren Energien hergestellt werden, derzeit werden diese noch aus fossilem Erdgas hergestellt, erst danach wäre Wasserstoff für die Mobilität verfügbar.Wasserstoff nach dem Gießkannenprinzip für den gesamten Verkehrssektor zur forcieren, schadet nicht nur der Energiewende, sondern auch der Wasserstoffwirtschaft selbst. Vernachlässigen sollte man Wasserstoff nicht, wenn global 2-3% der Fahrzeuge mit Wasserstoffantrieb fahren würden, könnte sich dies für das kleine Österreich zu einem bedeutsamen Markt entwickeln.

Zur Person:
DI Bernhard Reinitzhuber ist Absolvent der technischen Universität Graz für Energie- und Umwelttechnik. Er war jahrelang in der der Automobilindustrie in der Wasserstoffentwicklung führend tätig. Nach rund 2 Jahren als Energieplaner der Landeshauptstadt Klagenfurt, betreibt er heute ein unabhängiges Consultingunternehmen im Fachbereich Energie und Umwelt in Klagenfurt.

https://youtu.be/CsOAjdZhPzI

 

Leserbriefe, Anmerkungen, Kommentare bitte an redaktion(at)energie-bau.at

ebau newsletter