Kommentar von Angelika Delen
Head SRI bei Mercer in Österreich

Schon heute sind die Auswirkungen des Klimawandels überall spürbar. Laut dem Weltklimarat war der Zeitraum von 1983 bis 2012 die wärmste 30-Jahr-Periode der letzten 1400 Jahre. Doch wenn sich aktuelle Vorhersagen bestätigen und die globalen Temperaturen bis zum Jahr 2100 mindestens 3°C über dem vorindustriellen Durchschnitt liegen, drohen uns einschneidende Veränderungen in den nächsten 30 Jahren.

Foto: Pexels

Auch auf die zu erwartenden Renditen von institutionellen Anlegern wird die Erderwärmung infolge des Klimawandels einen erheblichen Einfluss haben. Laut der neuen Studie „Investing in a Time of Climate Change – The Sequel“ von Mercer sind bei einer Erwärmung von über 2°C bereits mittelfristig deutlich negative Effekte auf die Rendite zu erwarten. Eine Ausrichtung auf nachhaltige Anlagen kann diese Auswirkungen jedoch abmildern.

Die Studie, eine Neuauflage und Weiterentwicklung eines im Jahr 2015 veröffentlichten Mercer-Reports, betrachtet drei Szenarien für den Klimawandel: eine durchschnittliche Erwärmung um 2°C, 3°C und 4°C im Vergleich zu vorindustriellen Niveaus. Diese werden über Zeiträume bis 2030, 2050 und 2100 betrachtet, um die Auswirkungen von Naturkatastrophen und Ressourcenverfügbarkeit aufzuzeigen. Investoren können anhand dieser Auswertungen das finanzielle Risiko des Klimawandels in Bezug auf ihr Gesamtportfolio – über alle Assetklassen und Industriesektoren hinweg – erfassen und entsprechend handeln. 

Die globale Risikolandschaft

In den frühen Neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts wurden spezielle globale Institutionen gegründet, die sich mit dem Klimawandel befassen, darunter die „United Nations Framework Convention on Climate Change (UN FCCC)”, die 1992 aus der Taufe gehoben wurde. Seitdem wächst das Bewusstsein für die mit dem Klimawandel verbundenen Risiken. Die Erkenntnis, dass der Klimawandel für Unternehmen und Regierungsvertreter ein Risiko darstellt, spiegelt sich auch im jüngsten „Global Risks“-Report des Weltwirtschaftsforums wider, der über einen Zeitraum von elf Jahren (2009 bis 2019) den zunehmenden Fokus auf ökologische und soziale Risiken im Vergleich zu wirtschaftlichen, geopolitischen oder technologischen Risiken widerspiegelt.

Basierend auf den Erkenntnissen dieses Reports skizziert die Abbildung 1 die am häufigsten wahrgenommenen Risiken sowie die negativen Auswirkungen auf mehrere Länder oder Branchen. Wie deutlich ersichtlich ist, dominieren Umweltrisiken, insbesondere Klimaveränderungen und deren Auswirkungen. Viele der Risiken sind auch miteinander verbunden. Auch die Teilnehmer der Mercer-Studie sind überzeugt, dass ein zurückhaltendes Vorgehen gegen Klimaveränderung die Wirtschaft und Investoren vor neue Herausforderungen stellen wird, darunter extreme Wetterbedingungen, Naturkatastrophen und Trinkwasserkrisen. Diese Herausforderungen führen zu unfreiwilliger Migration und Konflikten. Und führt man sich vor Augen, wie sich diese Herausforderungen untereinander beeinflussen, wird klar, dass die Antizipation und die Vorbereitung auf einen sich ändernden Investorenkontext eine immer größere Rolle spielen.

 

Globale Risiken und ihre Wahrnehmung in Bezug auf Wahrsscheinlichkeit und Auswirkung (Quelle: World Economic Forum. Global Risks Report 2019)

 

Wie kann Mercers Modellierung des Klimaszenarios Investoren helfen?

Das neueste Klimaszenariomodell von Mercer basiert auf einem integrierten Bewertungsmodell (Integrated Assement Model, IAM) für den Klimawandel, das klimawissenschaftliche und ökonomische Daten kombiniert, um die Renditeaussichten von Anlegerportfolios über Anlageklassen und Branchen hinweg zu analysieren. Das Modell hilft Investoren, zwei Aspekte im Hinblick auf ihre Renditeerwartungen zu bewerten: die Auswirkungen klimabedingter physischer Schäden (physical risks) sowie die Transformation zu einer CO2-armen Wirtschaft (transition risks).

Eine wichtige Schlussfolgerung der Analysen ist, dass Investitionen für ein 2⁰C-Szenario zwingend erforderlich und sinnvoll sind und nicht zuletzt veritable Chancen bieten:

  • In fast allen Anlageklassen, Regionen und Zeiträumen führt ein 2⁰C-Szenario zu einer verbesserten Renditeprognose gegenüber 3⁰C oder 4⁰C und damit zu einer höheren Renditeerwartung sowie einem besseren Ergebnis für die Investoren.
  • In einem 2⁰C-Szenario entstehen in der durch CO2-Reduktion gekennzeichneten Übergangsphase viele attraktive Investitionsmöglichkeiten.

Eine steigende Anzahl von Studien kommen zu dem Schluss, dass aufgrund des Klimawandels finanzielle Auswirkungen für Investoren zu erwarten sind. Es besteht deshalb die Möglichkeit, dass Finanzaufsichtsbehörden die Erwartungen hinsichtlich des Risikomanagements formalisieren. Klimarisiken und das Management derselben könnten als weitere Verpflichtung für Investoren gestaltet werden. Folgende Schlüsselelemente unterstützen diese These:

  1. Finanzielle Bedeutung des Übergangsrisikos bzw. physische Risiken
    Die notwendigen (und teilweise bereits laufenden) technologischen und politischen Veränderungen, um die Wirtschaft von fossilen Brennstoffen als Primärenergiequelle wegzuentwickeln und zusätzliche Temperaturanstiege abzumildern, stellen ein Übergangsrisiko („transition risk“) dar. Die größten daraus resultierenden finanziellen Auswirkungen sind natürlich im Energiesektor zu finden. Aber auch der transformative Wandel wird erhebliche Auswirkungen auf alle energieabhängigen und emissionsintensiven Sektoren der Wirtschaft haben.

    Physische Risiken umfassen hingegen die Zunahme von Schäden, die sich aufgrund des Temperaturanstiegs nicht vermeiden lassen. So werden Stürme, Waldbrände und Überschwemmungen häufiger werden, und die Verfügbarkeit natürlicher Ressourcen wie Nahrung und Wasser wird sich reduzieren. Die Bereitschaft und Fähigkeit der Gesellschaft sich an diese Veränderungen anzupassen, ist ungewiss. Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass es im besten Interesse der Anleger ist, die Übergangsphase hin zu einer Reduktion des CO2-Ausstoßes aktiv zu begleiten, um die schlimmsten physischen Schäden zu vermeiden.

  2. Wachsende rechtlicher und regulatorischer Konsens hinsichtlich der Berücksichtigung klimarelevanter Faktoren
    Das Bewusstsein der finanziellen Bedeutung von klimabezogenen Faktoren hat zugenommen. Daher ist es nicht weiter verwunderlich, dass Finanzaufsichtsbehörden in einer Reihe von Ländern Investoren auf die Notwendigkeit hinweisen, klimarelevante Risiken zu berücksichtigen und zu managen, um ihren bestehenden Verpflichtungen nachzukommen.

Die Welt befindet sich im Wandel, und das Bewusstsein für die wachsende und alternde Bevölkerung sowie für die Knappheit natürlicher Ressourcen nimmt zu. Diese Entwicklung spiegelt sich auch in einer veränderten öffentlichen Meinung und in Anpassungen bei der Regulierung wider. Für Investoren steckt darin Risiko und Chance zugleich. Wir glauben, dass ein Investmentansatz, der ESG-Faktoren (Environmental, Social, and Governance) und Themen wie Klimawandel berücksichtigt sowie aktive Eigenverantwortung miteinbezieht, eine bessere Aussicht auf nachhaltige Anlageergebnisse hat.

 

Angelika Delen

Angelika Delen

Head SRI bei Mercer in Österreich