Kommentar von Wolfgang Eichberger
Co-Founder VisoTech

Künstliche Intelligenz ist eine der meistdiskutierten Trends in der Energiebranche.

Ist Künstliche Intelligenz im Energie-Handel wirklich notwendig? Foto: Pexels

Sie wurde bereits für unterschiedliche Anwendungen implementiert: Von der Optimierung der Netzleistung über die Steigerung der Energieeffizienz von Gebäuden bis hin zur präventiven Wartung, um Ausfälle zu vermeiden, noch bevor sie auftreten. Aber ist KI im Energiehandel wirklich notwendig?

Bislang waren Energiehändler mit aus der Finanzwelt übernommenen Modellierungstechniken, wie etwa Monte-Carlo-Simulationen, durchaus erfolgreich. Der Intraday-Handel wird jedoch durch unzählige Faktoren, wie Wetter, grenzüberschreitende Kapazitäten und Kraftwerksausfälle beeinflusst, die sich auf Preise und Volatilität auswirken. Das Datenvolumen und die komplexen Zusammenhänge zwischen den einzelnen Faktoren machen eine Abschätzung der Preisbewegungen basierend auf historischen Daten schwierig.Eine der Hauptstärken der heutigen künstlichen Intelligenz liegt in der Fähigkeit, große Mengen komplexer Daten zu verarbeiten, um Muster zu finden und Vorhersagen über die Zukunft zu treffen. Maschinelle Lerntechniken wie Deep Learning haben daher das Potenzial, ein tiefes Verständnis des Marktverhaltens in all seiner Komplexität zu erlangen und daraus genaue Vorhersagen über das zukünftige Marktverhalten zu treffen – insbesondere, was wann zu welchem Preis gehandelt werden soll.

Die Voraussetzungen für tiefe neuronale Netze: Sind wir schon dort?

Seit Jahrzehnten wissen Experten, wie maschinelles Lernen funktioniert. Ein neuronales Netzwerk ahmt das Verhalten des menschlichen Gehirns nach: Informationen sind wie Neuronen in Schichten miteinander verbunden. Mit jeder Schicht lernt das Netzwerk mehr Details: Im Grunde genommen ist es in der Lage, mehr Beziehungen zu berücksichtigen und eine größere Anzahl von Verbindungen herzustellen.

 

Bei jeder Lernwiederholung passt die Maschine die Gewichtung jeder Verbindung geringfügig an, so dass die Wahrscheinlichkeit der korrekten Lösung des angegebenen Problems zunimmt.

In jüngster Zeit haben technologische Fortschritte eine neue Generation des maschinellen Lernens ermöglicht:

Als Deep Neural Networks werden Netzwerke mit einer sehr großen Anzahl von Schichten bezeichnet. Das bedeutet, dass viel mehr Verbindungen hergestellt werden und komplexere Lernerfolge verzeichnet werden können. Diese Technologie ist bereits heute Realität und unterstützt eine Vielzahl von Anwendungen. Viele Aufgaben, z. B. die Bilderkennung, können von intelligenten Maschinen inzwischen präziser als von Menschen erledigt werden.

 

Ein Kinderspiel: Wie Software lernt

Die Umstellung auf künstliche Intelligenz ist ein bedeutender Paradigmenwechsel: Von Systemen, die auf der Grundlage von erstellten Expertenregeln etwas wissen, bis hin zu Systemen, die anfangs nichts wissen, sondern nur basierend auf Daten lernen. Maschinen lernen dabei auf drei verschiedene Arten – wie es auch bei Kindern der Fall ist:

  • Durch Unterricht: Supervised Learning. Wenn Sie der Maschine kategorisierte Daten geben, (z. B. als Katzen oder Hunde markierte Fotos), werden Muster und Unterschiede identifiziert und die Regeln hinter den Daten ermittelt. Diese Methode eignet sich gut für einfache Aufgaben wie Regression oder Klassifizierung, erfordert jedoch viel mehr Aufwand bei der Datenaufbereitung. Im Energiehandel ist dies nützlich für Aufgaben wie die Vorhersage von Nachfrage, Produktion oder Marktpreisen.
  • Durch Beobachtung: Unsupervised Learning. Wenn Sie der Maschine unkategorisierte Daten geben, werden Struktur, Zusammenhänge, Muster und Unterschiede identifiziert und erkannt. Ein großer Vorteil dabei ist, dass unkategorisierte Daten unbegrenzt sind. Mit diesem Modell können Maschinen umfangreiche, nicht binäre Darstellungen der Welt erstellen. Diese Methode eignet sich gut für komplexere, kreative Aufgaben wie Clustering oder generative Modellierung. Zum Beispiel nutzen wir dies, um verschiedene Marktzustände zu erkennen oder um einen synthetischen Markt zu schaffen.
  • Durch Erkundung: Reinforcement Learning. In einer simulierten Umgebung erforscht die Maschine die Regeln der Umgebung, erprobt verschiedene Strategien, erhält Feedback in Form einer Art von Belohnungssignal (z. B. einer Punktzahl) und versucht somit, ein definiertes Ziel zu erreichen. Diese Methode wird verwendet, wenn es sich bei der Maschine um eine Art Agent handelt, der mit einer Umgebung interagiert. In Verbindung mit dem zuvor erwähnten synthetischen Markt ermöglicht das Reinforcement Learning einem Trading-Bot, die optimalen Möglichkeiten zur Platzierung von Orders auf dem Markt vorherzusagen.

Der unschlagbare Trading-Bot

Im algorithmischen Energiehandel wurden bis heute immer komplexere regelbasierte Algorithmen eingesetzt. Der nächste Schritt beim Handel mit Algorithmen umfasst künstliche Intelligenz, insbesondere Deep Neural Networks.

Die KI ist datenhungrig. Glücklicherweise produzieren die Energiemärkte riesige Mengen an Handelsdaten. Das Datenvolumen ist erstaunlich. In nur vier Lieferstunden im Intraday-Stromhandel existieren 40 Produkte. Ein einzelnes stündliches Produkt erzeugt während seiner Lebensdauer etwa 10.000 Ereignisse. Nehmen wir an, dass wir in jedem Beobachtungsschritt maximal 200 Orders und 20 Trades speichern müssen, so erhalten wir insgesamt über 100 Millionen Datenpunkte!

Wir müssen Wege finden, um mit dieser enormen Datenlast umzugehen.

Die Daten müssen auf irgendeine Weise strukturiert und aggregiert werden. Wir müssen herausfinden, welche Daten für das Ergebnis wichtig und welche unwichtig sind. Beispielsweise ist die Aktivität kurz vor Gate-Closing deutlich wichtiger als die in der Zeit davor. Trades und die Entwicklung von Volumen und Preis sind wichtiger als Aktivität im Orderbuch.Energiehandel erfordert ein Verständnis von Wahrscheinlichkeiten, und auch der algorithmische Handel bildet da natürlich keine Ausnahme. Prognosen aus neuronalen Netzen – wie etwa Preise – sind ohne Wahrscheinlichkeitsinformationen unbrauchbar. Eine wichtige Frage könnte zum Beispiel lauten: „Soll ich die Menge jetzt vermarkten oder noch fünf Minuten warten, um einen besseren Preis zu erzielen?“ Deep Neural Networks können Ergebnisse in Form einer Wahrscheinlichkeitsmatrix generieren. Dies gibt Einblick in den wahrscheinlichsten Preisverlauf und in die Volatilität. Wenn Sie wissen, ob der aktuelle Kurs nahe am oberen oder unteren Ende des wahrscheinlichen Bereichs liegt, können Sie entscheiden, ob Sie jetzt oder erst später handeln.

 

Wolfgang Eichberger

Wolfgang Eichberger

Co-Founder VisoTech