Kommentar von Herbert Starmühler
Herausgeber energie:bau Magazin

Wie bereits in Teil 1 angesprochen, nehmen die aktuellen Entwicklungen unterschiedliche Richtungen an. Verzichtparolen der Einzelpersonen werden laut, während die Politik sich ausruht. Doch wie viel bringt dieser Verzicht wirklich? Wo hapert es an der Aufteilung und der Gesetzgebung?

Serie: Die Trends der Zukunft

Das Thema Sharing Economy und Verdichtung wird uns noch länger beschäftigen, daher hier der Versuch einer Einordnung: Sind der Verzicht, die Verdichtung und die Vergemeinschaftung der einzig richtige Weg, um der Klimakatastrophe zu entkommen? 


Es gibt viele Lösungsansätze. Eine Flugsteuer ist nur eine davon. Foto: pexels

Weil alle in die Stadt wollen und dort der Raum knapp geworden ist, wird nach "Verdichtung" gerufen. Natürlich gibt es eine – eher kleine – Schar ehrlicher Makler für das Klima, die städtische Verdichtung der Stadterweiterung vorziehen. Doch den größten Reiz haben wohl Gewinnmaximierung für die Baubranchen und Finanzierbarkeit für die Kundschaft. Kleine Einheiten werden gebaut, weil größere nicht mehr verkaufbar/bezahlbar sind.

Die Politik spitzt die Ohren

Zur Einordnung einige Zahlen: Ein Handelsangestellter im 9. Jahr verdient nach  österreichischem Kollektivvertrag ab 1.1.2019 in der mittleren Tätigkeitseinstufung (D) 2.043 Euro brutto pro Monat. Vom Nettobetrag bleibt dann zu wenig übrig um die immer höher werdenden Mieten (und Nebenkosten) zu berappen. 511.00 Handelsangestellt gibt es in Summe in Österreich (2018) – schon mal keine Klientel für üppigen Wohnraum. Doch auch die meisten anderen "Normal-Verdiener" fallen aus, sie können sich nur in die Schlange der gemeinnützigen Wohnbaugesellschaften einreihen und froh sein, wenn sie das in Wien tun ­– während hier ein hoher Prozentsatz für die Geringverdiener reserviert und gebaut wird, haben andere Großstädte bereits ein sichtbares soziales Problem: In Paris sind die Gelbwesten nicht zuletzt wegen der Wohnungspreise auf die Straße gegangen und in Berlin wollen Zehntausende die private "Deutsche Wohnen" enteignen, um leistbare Mietverhältnisse wiederherzustellen. Städtebauliche Verdichtung ist das Ergebnis ökonomischer Verschlechterung – und nicht ökologischer Überlegungen.

Verdichtung für die Reichen?

Es ist politisch opportun, kleine Wohnungen zu errichten, um wenigstens irgendetwas in der aktuellen Wohnungspreis-Misere zu tun. Doch wer sich die Penthäuser in Wien näher ansieht, erkennt schnell – hier wird ausschließlich für die sehr Wohlhabenden gebaut. Die Verdichtung dient vielfach den Reichen, und selbst die neuen, kleinen Einheiten können sich nur Upperclass-StudentInnen oder Rentner leisten, die noch über gediegene Pensionen verfügen. Verdichtung ist also auch oft ziemlich unsozial.

Ungenügende Privatsphäre

Und Verdichtung ist auch unlustig: Mittels Architektenwettbewerbs suchte man vergangenes Jahr in Zürich einen Vorschlag mit dem Ziel, "eine bestmögliche, wirtschaftliche und zukunftsorientierte Arealnutzung im Sinne einer nachhaltigen Verdichtung mit einer starken Identität auf dem Areal zu realisieren" (Zitat FAZ). Ein Fiasko, wie die Jury dann urteilte: Sie bemängelte in erster Linie eine ungenügende Privatsphäre der Wohnungen in mehreren Entwürfen. Daneben wurden immer wieder die Lichtverhältnisse und die zu steilen Stiegen kritisiert.

Lösungsansätze:

Anreize schaffen, um Jobs in der Peripherie zu schaffen

Die allermeisten neuen Arbeitsplätze sind nicht mehr mit klassischer Produktion verbunden. Selbst wer für die Industrie arbeitet, braucht nicht mehr vor Ort zu sein (außer die unmittelbar Hand Anlegenden). Was hindert uns also, in Leibnitz, Gänserndorf oder Zell am See mehr Jobs für all die White-Collar-Guys zu schaffen? Wenn die Jobs wieder in ländlichen Gegenden entstehen, werden auch Kultur, Gastronomie und Entertainment – zumindest in einem gewissen Ausmaß – nachfolgen. Und die Pendlerkilometer verringern sich. 

Sonne, Wind und Wasser nutzen

Der Ausbau der Erneuerbaren Energie geht einfach zu langsam vonstatten. Statt die CO2-Sünder Erdöl oder Erdgas über Tausende Kilometer herbeizuführen und hier zu verbrennen, sollten wir endlich Nägel mit Köpfen machen, um die saubere und kostenlose Energie zu nutzen, die uns jeden Tag geschenkt wird. Dazu muss man die richtigen PolitikerInnen wählen, die derzeitige Mannschaft hat andere Prioritäten: Gas darf in NÖ wieder gesucht werden, Diesel wird gefördert, die 3. Flughafenpiste gebaut, 140 km/h-Zonen eingerichtet, Windräder zurückgedrängt, die Photovoltaik-Industrie nach China exportiert ...

Der Einzelne soll dafür ins Mini-Appartment? Ins Tiny House?

Kerosin besteuern – Bahnen ausbauen

Ein internationaler Anachronismus gehört in die Mottenkoste der Klimageschichte: Die Mehrwertsteuerbefreiung von Kerosin. Und mit den Einnahmen kann gleich der Bahnausbau gefördert werden. 

Emissionshandel forcieren, CO2-Steuern einführen

Statt Benzinauto-Sharing und Verdichtung allerorten sollten alle Verursacher zur Kasse gebeten werden. Das kann mittels Emissionshandel wahrscheinlich am effizientesten bewerkstelligt werden. Wer von uns zu viel verbraucht, muss zahlen. Aber kräftig. CO2-Steuern wären ein weiterer Weg, hier kommt es stark auf die wirtschaftlich vertretbare Umsetzung an.

Fazit: Der Einzelne kann das Klima nicht retten

Jeder einzelne von uns ist aufgerufen, seinen Teil zur Vermeidung von klimaschädlichem Verhalten beizutragen. Und Mäßigung ist gut, Verschleudern von Ressourcen schlecht.Aber den Rahmen gibt die Politik vor, müsste ihn vorgeben – und müsste Rahmenpläne auch umsetzen (was derzeit oft nicht der Fall ist). Die Klimaveränderung sollte nicht den Einzelnen und schon gar nicht den einkommensschwächeren Gruppen umgehängt werden. Auf die Moral der Einzelnen zu pochen ist zu wenig.

Herbert Starmühler

Dr. Herbert Starmühler

Herausgeber energie:bau Magazin

ist Herausgeber dieser Publikation energie-bau.at und verschiedener Fachmagazine im Bereich Technik, Architektur und Energieeffizienz. Als seit Jahren leidenschaftlicher E-Auto-Fahrer und Bezieher eigenen Sonnenstroms ist der Journalist jederzeit für innovative Ideen zu begeistern und holt sich beim Networken gerne Inspiration für neue Projekte.