Kommentar von Herbert Starmühler
Herausgeber energie:bau Magazin

Wir stecken mitten in einer der größten Krisen der Geschichte. Doch wie viel bringen die Verzichtparolen, das Sharing und Caring wirklich? 

Serie: Die Trends der Zukunft

Das Thema Sharing Economy und Verdichtung wird uns noch länger beschäftigen, daher hier der Versuch einer Einordnung: Sind der Verzicht, die Verdichtung und die Vergemeinschaftung der einzig richtige Weg, um der Klimakatastrophe zu entkommen? 


Leben auf kleinstem Raum. Der neue Trend hat auch seine Tücken und Probleme. Aber ist es trotzdem die Lösung? Foto: wohnwagon.at

Halten wir zuerst einmal fest: Der Mensch, und zwar in seiner milliardenfachen Zahl, setzt durch die Freisetzung verschiedener Verbrennungs-Gase dem Klima so sehr zu, dass wir auf eine Katastrophe zusteuern, bei dem Wetterkatastrophen nur die tödliche Vorboten sind. Millionen von Menschen werden fliehen müssen, um sich vor dem ansteigenden Meereswasser in Sicherheit zu bringen.

  1. Wir sind die Sünder

Unstrittig ist auch: Die allergrößten Umweltsünder sind wir selbst, insbesondere die reichen Industrieländer USA und Europa und in der Masse auch China. Doch auch Russland und Indien spielen ganz vorne mit, je nachdem, welche Statistikzahl man gerade hernimmt. 

Wir verpesten also die Luft mittels Autoverkehrs, Raumheizungen und Industrie-Abgasen. Alle Sektoren haben bereits ihre Grenzwerte verpasst bekommen, die allerdings oftmals überschritten, lasch kontrolliert werden oder nicht verbindlich sind. Und alle drei Bereiche gehören unlösbar zusammen: Die Industrie produziert zum Automobile, die die Pendler vom Eigenheim zur Arbeitsstätte bringen. Überall entstehen Schadstoffe. Je mehr und größer Automobile, umso mehr CO2-Ausstoss, je länger der Fahrweg umso mehr Feinstaub und je mehr Fossil-Öfen in Eigenheim und Arbeitsstätte, umso mehr Treibhausgase.

  1. Verzichtsparolen erscheinen logisch

Logisch, dass die Verzichtsparolen ins Kraut schießen: Retten wir die Welt, indem wir verzichten – insbesondere auf zu große Räume und auf eigene Autos. Sharing sei der neue Luxus und Tiny die wahre Größe.

Das hat etwas für sich: Dem Treibhauseffekt hält entgegen, wer statt auf 80 nur auf 40 Quadratmetern wohnt, wer auf sein neues Auto verzichtet und stattdessen zum Sharing-Abo greift. Und doch ist der Ansatz falsch. Es verlagert nämlich die Verantwortung von der Politik zum Individuum – und zwar in der Regel zum sozial schwächeren. 

  1. Carsharing führt zu MEHR Verkehr

Während durch Sharing-Modelle neue Zielgruppen angesprochen werden können, die sich ansonsten kein Auto leisten würden, verkaufen die wenigsten Autobesitzer ihre Verbrenner-Modelle, nur weil sie in der Stadt ein Car2Go mieten können. Einige ja, viele nicht – max. 2,6 Prozent wie eine deutsche Studie voriges Jahr ermittelte. Doch viele Nutzer öffentlicher Verkehrsmittel können nun leichter auf das Auto ausweichen. Carsharing führt eher zu MEHR Individualverkehr.

  1. Carsharing hilft auf dem Land wenig

In den vergangenen Jahren hat sich weltweit, insbesondere in Europa, die Landflucht verstärkt fortgesetzt. In Linz oder Wien findet der Mensch Arbeit, im Waldviertel schaut es eher trostlos aus. Carsharing ist ein städtisches Phänomen, am Land blieben die Sharing-initiativen bisher Exoten. Viel wichtiger wäre es, Arbeitsplätze auf dem Land zu schaffen, das wurde in den vergangenen 30 Jahren aber versäumt. Jetzt den Leuten auch noch das Auto wegnehmen zu wollen, hat etwas Zynisches.

  1. Der Klima-Killer: Flugzeugsharing

Das meistverbreitete Sharing-Mobilitätstool heißt Flugzeug. Es ist das umweltfeindlichste Fortbewegungsmittel, erfreut sich riesiger Beliebtheit, wird staatlich vielfach gefördert und – wird immer unerträglicher für den Reisenden. Eingepfercht mit kleinstmöglicher Bein-Un-Freiheit ertragen es die Menschen gerade noch, weil es wahnsinnig billig ist. Fliegen muss wieder teurer werden, wenn wir es mit der Klimarettung ernst meinen. Die Politik sieht das anders – und lässt den großen Wiener Flughafen zum Umsteige-Riesenterminal ausbauen. 

  1. Schmutziges Sharing: Kreuzfahrten

Während die allermeisten Menschen dieses Planeten niemals auf Urlaub fahren (können), haben sich die reichen Westler und eine wachsende Schar von Asiaten ein neues Hobby zugelegt: Kreuzfahrten. So ein Schiff ist ein Wunderding der Technik – und eine schwimmende Klimakatastrophe. Sowohl an Bord als auch in den Häfen erzeugen sie gesundheitsschädliche Feinstaub- und Stickoxidemissionen, die weit über den Grenzwerten liegen, die im Straßenverkehr gelten. Fast alle dieser Ozeandampfer verfeuern nämlich Schweröl mit einem hohen Schwefelanteil bis 3,5 %, das ist 3500-mal mehr, als an Land in Benzin und Diesel erlaubt ist (Die ZEIT). Tolles Sharing, oder? Wer redet darüber?

Und nun zum Tiny-House:

Ein Haus von der Größe eines Wohnwagens bleibt so unpraktisch wie ein Wohnwagen eben ist – lustig nur für drei Wochen Kroatien-Urlaub. Es mag für einige Überzeugungstäter die Endform von Schöner Wohnen bedeuten, für die meisten anderen ist es eher ein enger Alptraum.

Viel mehr Verbreitung erlangen aber die Mini-Wohnungen und Verdichtungsprojekte, die gerade en vogue zu sein scheinen. Doch seien wir ehrlich: Entspringen diese 40 m2-Appartements dem ökologisch bestimmten Ziel der zukünftigen Nutzer nach Verkleinerung, dem Klima wegen? Oder nicht doch fast ausschließlich der ökonomischen Möglichkeit, sich überhaupt noch Wohnraum in der Stadt finanzieren zu können?

Herbert Starmühler

Dr. Herbert Starmühler

Herausgeber energie:bau Magazin

ist Herausgeber dieser Publikation energie-bau.at und verschiedener Fachmagazine im Bereich Technik, Architektur und Energieeffizienz. Als seit Jahren leidenschaftlicher E-Auto-Fahrer und Bezieher eigenen Sonnenstroms ist der Journalist jederzeit für innovative Ideen zu begeistern und holt sich beim Networken gerne Inspiration für neue Projekte.