Kommentar von Herbert Starmühler
Herausgeber energie:bau Magazin

Wenn man im Wirtshaus hartnäckige Besetzer von Stammtischen fragt, was sie denn von Elektroautos halten, so bekommt man häufig die Antwort: „Das wird sich nicht durchsetzen, ich bin für Wasserstoff“. 

Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz setzt auf Wasserstoff. Foto: Neue Volkspartei

Die Festigkeit dieser Meinung steht meistens im Gegensatz zur technischen Expertise der fidelen Tischrunden. Macht aber nix, Hauptsache, man muss sich nicht intensiv damit befassen – das Problem Umwelt-Klima-eigenes-Auto ist mal vom Tisch.

Nun hat sich der österreichische Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz der Stammtische angenommen, denn er ist ja nun hauptberuflich im Wahlkampf. 

WASSERSTOFF!!! Yess! Das bringt die meisten Stimmen bei geringstmöglichen Risiken. Außer ein paar Experten, auf die sowieso keiner hört, außer ein paar Klimaaktivisten, die ohnehin ins Extremismuslager verschoben werden können, außer ein paar Studienautoren, die man beauftragt und bezahlt hat und die zu ganz anderen Ergebnissen gekommen sind und deren Studien keiner liest, außer also diesen wahltaktisch unerheblichen Gruppen kapiert sowieso keiner, was der Unterschied zwischen Wasser und Wasserstoff ist. Perfekt!

Sebastian Kurz denkt also nach: 

  1. Ich brauche die Jugend! All den Freitagsunterrichtsschwänzern sage ich: „Problem erkannt! Ich bin ab jetzt euer Umwelt-Kanzler. Chefsache!“
  2. Ich brauche die Mittelalten! Denen sage ich: „Leute, Kommando retour, keine Angst, ihr könnt eure CO2-Schleudern behalten, E-Autos bringen‘s eh nicht, wir fahren auf Wasserstoff ab (aber da forschen wir erst mal)!“
  3. Ich brauche Industrielle, OMV und Parteispender! Denen verkünde ich: „Ihr kriegt unser Fördergeld, wir machen Österreich zum Wasserstoffland der Welt! (und bremsen Photovoltaik, Wind und E-Mobilität!)“ 

Sebastian Kurz freut sich, er hat eine gute Idee gehabt: Wasserstoff ist das Heil und alles wird gut. Vielleicht erst in 100 Jahren und wir sind dann schon alle verglüht, aber jetzt müssen wir erst einmal den September 2019 überstehen. 

Wer sich Wasserstoff so sehr verschreibt, verschleppt das CO2-Problem des Verkehrs absichtlich, denn die Technologie ist der Elektromobilität völlig hinterdrein. 

Standard.at zitierte das Umweltbundesamt: "Nahezu sämtliche infrastrukturelle Einrichtungen die für eine Etablierung des Kraftstoffes im Verkehrssektor notwendig wären, wie die Wasserstoff-Produktion, der Transport und die Verteilung, sind in Österreich nicht vorhanden", heißt es auf der Homepage des Umweltbundesamts (UBA). 

Herr Kurz will es trotzdem. Der schnellen Stimmen wegen. Ob er sich da nicht ein bisschen verrechnet hat? Nun haben alle „Extremisten“ zwei Monate Zeit, dieses billige Populismus-Strategie zu zerpflücken. Ans Werk!

Herbert Starmühler

Dr. Herbert Starmühler

Herausgeber energie:bau Magazin

ist Herausgeber dieser Publikation energie-bau.at und verschiedener Fachmagazine im Bereich Technik, Architektur und Energieeffizienz. Als seit Jahren leidenschaftlicher E-Auto-Fahrer und Bezieher eigenen Sonnenstroms ist der Journalist jederzeit für innovative Ideen zu begeistern und holt sich beim Networken gerne Inspiration für neue Projekte.