Kommentar von Helena Zottmann
Journalistin
Die Branche der Elektrotechniker sucht händeringend nach Lehrlingen und Fachkräften. Währenddessen müssen in Unternehmen, die auf fossilen Energien fußen, tausende Mitarbeiter gekürzt werden. Erste Zeichen einer neuen Energie-Welt.
Wenn das Smart Home kommt – wer wird sich um sichere Verbindungen kümmern? Wenn das E-Auto sich durchsetzt – wer wird die Batterien warten? Wenn jeder Haushalt eine PV-Anlage am Dach hat – wer wird das dezentrale Stromnetz koordinieren? Die Branche der Elektrotechnik wird mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien noch mehr Fachkräfte benötigen, als ohnehin schon gebraucht werden. Um den Umstieg auf erneuerbare Energien zu schaffen, braucht es jetzt Investitionen beim Stromnetz, bei der Mobilität, in der Infrastruktur.

Das ganze Leben braucht Strom
Wurde bisher hauptsächlich fossil geheizt und gefahren, steigen gerade immer mehr Menschen auf Elektrogeräte um. Das bedeutet einen steigenden Bedarf an Strom, der im Sinne der Energiewende ebenso aus erneuerbaren Energien kommen soll. Wer sein E-Auto mit Strom aus dem Kohlekraftwerk lädt, verlagert den CO2-Ausstoß lediglich. Ein Symptom der Übergangsphase – aber die Energiewende ist nicht mehr aufzuhalten. Unternehmen, die nicht rechtzeitig in erneuerbare Energien investiert haben, müssen Arbeitsplätze kürzen und Elektro-Unternehmen kommen mit der Arbeit nicht mehr nach. Franz Feldbacher, der in der Bundesinnung für Elektro-, Gebäude-, Alarm- und Kommunikationstechnik im Arbeitsausschuss für Aus- und Weiterbildung sitzt, bestätigt das: „In ganz Österreich und vor allem auch im urbanen Gebiet suchen wir dringend Fachkräfte, finden aber kaum Lehrlinge. Ich würde so gerne sehen, dass viele Menschen zu Elektrotechnikern ausgebildet werden, aber die Nachfrage nach diesem Beruf ist gering.“

Arbeitsplätzeüberschuss und Lehrlingsknappheit
„Die Branche hat ein Imageproblem“, meint Feldbacher. Junge Leute gehen lieber in die Schule und „stehen dann mit einer Befähigungsprüfung zum Studieren da“, wie Feldbacher sagt, statt mit einer Lehrabschlussprüfung und einem Beruf, der neben Geld auch die Möglichkeit einer Meisterprüfung nach einigen Jahren im Job bringt. Feldbacher formuliert überspitzt, wie sich ein Fachkräftemangel in Zukunft auswirken könnte: „Kommen keine Fachkräfte nach, könnte der Einbau eines Lichtschalters in fünf Jahren 1.500€ kosten.“ Obwohl es auch die Privaten spüren könnten, trifft der Mangel an Arbeitskräften aber vor allem den Strommarkt. Schon jetzt seien die Netze in Zentraleuropa überlastet und teilweise renovierungsbedürftig, meint Gerald Lippitsch, der am BFI Wien Menschen zu Elektrotechnikerinnen und Elektrotechnikern aus- und weiterbildet. Der Ausbau und die Renovierung des Stromnetzes wäre dringend notwendig und würde zehntausende Arbeitsplätze schaffen. Arbeitsplätze, die derzeit niemand bezahlen und irgendwie auch niemand einnehmen will.

Smart Home mit erneuerbaren Energien
„Ich glaube wohl, dass die Konzentration auf erneuerbare Energien Arbeitsplätze eher schafft als kürzt“, meint Feldbacher weiter und auch Lippitsch unterstützt das. „Dieser Trend wird anhalten und es sollte noch viel mehr gefördert werden“, sagt er. Industrie 4.0, Automatisierungsprozesse, Smart Grid, Smart Home, Elektromobilität – diese Schlagworte bestimmen den Umbruch am Energiemarkt. Es gibt einen weltweiten Trend in diesen Berufsbildern, da werden die neuen Elektrotechniker benötigt. Der moderne Elektrotechniker muss sich neben der Installation von Steckern und Leitungen auch mit Datensicherheit auskennen. „Das Berufsbild wird sich stark verändern“, bestätigt Lippitscher, der das in der Ausbildungspraxis am BFI bereits erlebt. Die Digitalisierung und sensible Fragen zum Datenschutz im Smart Home werden fähige Menschen und Sicherheitsexperten notwendig machen.



Kommentar derStandard zu den 7.000 gekürzten Stellen bei Siemens: „Siemens reagiert mit seinen Plänen auf die schwache Nachfrage nach Gasturbinen für Kraftwerke und großen Elektromotoren für die Industrie.“

Beitrag zur Studie „Wertschöpfung 4.0. in der österreichischen Energiewirtschaft“ von A.T. Kearney

BFI Wien

Bundesinnung für Elektro-, Gebäude-, Alarm- und Kommunikationstechnik
Helena Zottmann

Helena Zottmann

Journalistin

ist Autorin bei energie:bau, holzmagazin und e:mobil, studiert an der Universität für Bodenkultur Agrarwissenschaften und beschäftigt sich mit nachhaltiger Landwirtschaft, erneuerbaren Energien und Elektromobilität.