Sondersitzung im Deutschen Budestag: Die Abhängigkeit von Russland durch die Gasimporte soll abgebaut werden.

Deutschlands Bundeskanzler Olaf Scholz bei seiner Regierungserklärung auf der Sondersitzung des Deutschen Bundestags. Screen: ARD

Rund 50 % des Erdgases, das in Deutschlands Heizkesseln, Küchenherden oder Industrie-Prozessen verbrannt wird, kommt aus Russland. Seit vielen Jahren weisen Beobachter, Umweltschützer und Energiefachleute auf die bedrohliche Abhängigkeit europäischer Staaten hin.

Seit dem 24. Februar 2022 ist die Gefahr Allgemeinwissen geworden.

Umdenken in Energiefragen

In seiner bemerkenswerten Rede in der sonntägig Sondersitzung des Deutschen Bundestags bezog sich Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) darauf und kündigte Umdenken an. 

Er kündigte den „zügigen Bau von zwei Flüssiggas-Terminals in Deutschland“ an, um bei der Energieversorgung unabhängiger von Russland zu werden. Die Entscheidung sei getroffen, in Wilhelmshaven und Brunsbüttel schnell zu bauen, sagte Scholz am Sonntag in seiner Regierungserklärung im Deutschen Bundestag.

„Erneuerbare Energien sind Freiheitsenergien“
Christian Lindner (FDP), Deutschlands Finanzminister

Kurzfristig wolle man zwei Milliarden Kubikmeter Gas über staatlich abgesicherte sogenannte Long-Term-Options beschaffen. Zusätzlich wolle man im EU-Verbund weiteres Erdgas auf den Weltmärkten beschaffen. Man werde insgesamt umsteuern, die Abhängigkeit von einzelnen Lieferanten überwinden und die erneuerbaren Energien vorantreiben.

Energiepolitik ist Sicherheitspolitik

Vorausschauende Energiepolitik sei nicht nur für Wirtschaft und Klima wichtig: "Sondern entscheidend auch für unsere Sicherheit", sagte Scholz. Deutschland bezog zuletzt rund 55 Prozent seines Erdgases aus Russland. Wirtschaftsminister Robert Habeck hatte bereits für den Aufbau einer Gasreserve für nächsten Wintern und auch eine Kohlereserve angekündigt.

Bewertung von Erdgas als „Brückentechnologie“ soll überprüft werden

Über eigene Flüssiggasterminals wird seit Jahren diskutiert, ohne staatliche Hilfen gelten sie aber als nicht umsetzbar. Flüssiggas ist tendenziell teurer, aber kann etwa aus Katar oder den USA beschafft werden.

Erdgas wird – ob zu Recht oder zu unrecht – als Brückentechnologie nach dem geplanten Aus für Atomenergie (2022) und Kohlekraft (2030) in Deutschland nötig. Allerdings werden auch diese Daten jetzt vor dem Hintergrund der Energiesicherheit in Frage gestellt. „Unsere Bewertung für die nächsten Jahre werden wir an die geänderte Lage anpassen müssen“, sagte Finanzminister- und FDP-Chef Christian Lindner.

Breitere Zustimmung zum Ausbau der Erneuerbaren Energien

Auch er sprach sich für den beschleunigten Ausbau von Wind- und Solarstrom aus: „Erneuerbare Energien sind Freiheitsenergien“, sagte er im Bundestag. Oppositionsführer Friedrich Merz (CDU) sagte, er sei bereit, über alle Optionen in der Energieversorgung zu reden. Eine Verlängerung der Akw-Laufzeiten gilt aber als unwahrscheinlich, da auch die Industrie sie ablehnt.

Jedenfalls sitzt Deutschland und damit auch die EU in einer selbstgestellten Falle. Denn die schnelle Substituierung von Erdgas ist nicht möglich. Selbst wenn die Flüssiggas-Terminals (LNG-Stationen für Liquified Natural Gas) irgendwann fertiggestellt werden, die Mengen, die am Markt zu bekommen sein werden, dürften begrenzt sein.

(hst) 

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