Wir sprachen mit Stefan Zach, Sprecher der Niederösterreichischen Stromnetze (NÖ Netz), warum der Anschluss größerer PV-Anlagen manchmal so extrem teuer ist.

Strom-Masten
Der Netzausbau kostet Geld – wer welchen Teil davon bezahlen soll ist umstritten. Foto: sentiero/starmühler

Die Modulpreise sinken, der Netzanschluss-Preis steigt. So kommt es manchen Photovoltaik-Investoren zuweilen vor. Jetzt, wo die Photovoltaik in Österreich aus einem leichten Dämmerzustand erwachen soll, mehren sich die Beschwerden oder zumindest das Unverständnis über die Anschlusskosten.

Wir müssen selbst für mehr Transparenz sorgen um Missverständnisse zu vermeiden. Stefan Zach, EVN-Netze

Wobei es vor allem größere Anlagen sind, die Kummer bereiten. Das bestätigt auch Stefan Zach, der bei der EVN-Tochter NÖ Netze nicht nur Pressesprecher sondern auch eine Art Mediator ist – er muss eine Mittlerrolle zwischen den Anliegen des Stromkonzerns und jenen der Landwirte, Privatpersonen oder auch Gemeinden einnehmen, die gerne größere Anlagen bauen würden. Und sich wundern.

Der Netzausbau ist vollkommen intransparent, ebenso wie die unverhandelbaren Zugangsbedingungen auf allen Ebenen. Walter Eberl, PV-Projektant

Er sagt: „Wir müssen selbst auch für mehr Transparenz sorgen. Wobei die Netzmitarbeiter ja keine Berater sind. Dennoch wollen wir uns bemühen, Missverständnisse von vorneherein zu vermeiden.“

Während sich die EVN selbst stark in den Ausbau der Erneuerbaren engagiert, behindere sie den Netzzugang der privaten Betreiber, so die Kritiker.

Walter Eberl, der mit seiner Firma ECO Solutions im Wald- und im Weiviertel Niederösterreichs größere Anlagen bauen möchte, hat im Rahmen der EVN Hauptversammlung am 21.1.2021 kritische Fragen wie zum Beispiel diese gestellt:

„Warum bekomme ich für meine Firma ECO-Solution Eberl KG seit über 2 Monaten keine Antwort auf meine Zählpunktanfrage vom 11.11.2020 mit gezeichnetem Datenblatt der Netz NÖ für 100 kW PV in 3804 Thaua? Die OeMAG Fördereinreichung am 12.1.2021 ist dafür inzwischen abgelaufen.

Wie vertreten sie diese willkürliche Behinderung des Netzzuganges (der Netzmonopoldiktatur) für meine geplanten PV-Anlagen und den sonst geförderten Ausbau von Ökostrom-Anlagen insgesamt? Welche Konsequenzen und Möglichkeiten gibt es dazu? Schadenersatz, Ökostromgesetz, ElWOG, EAG, e-control ?

Ohne auf den konkreten Fall antworten zu können, hat  EVN-Sprecher Stefan Zach für energie-bau.com die aktuelle Sachlage recherchiert und fasst sie so zusammen.

Es gilt, folgende Klassen von Photovoltaik-Projekten unterscheiden. Und so sehen die Regelungen in Niederösterreich aus, wenn jemand zur Installation schreiten möchte. In anderen Bundesländern sind ähnliche, aber bisweilen deutlich abweichende Gebühren in Funktion.

1. Kleinstanlagen bis 800 Watt.
Das sind die „Balkonanlagen“, die direkt in die Steckdose gesteckt werden (auch wenn das die Elektriker gar nicht gerne sehen).
Meldung: an NÖ-Netz, nach maximal 72 Stunden muss das Netz einen Bestätigung darüber abgeben. Die Angabe des Energielieferanten kann erfolgen, muss aber nicht.
Kosten der Anmeldung: Keine (ev. muss der Elektriker für Stecker oder Steckdose gerufen werden).

2. Anlagen bis 30 kW (KVA)
Das sind 98 % aller Anfragen an das NÖ Netz. Es sind die typischen Hausdachanlagen, z.B. mit 5 kWp.
Meldung ans Netz: erforderlich, nach max. 72 Stunden muss NÖ Netze einen Netzzugangsvertrag (Zählpunkt) übermitteln.
Keine Netzanschlusskosten, außer bei (ganz seltener) Volleinspeisung, dann sind es rund 1.350 Euro.
Für einen eventuell notwendige Verteilnetz-Ausbau ist nichts zu bezahlen, der ginge auf Kosten des Netzbetreibers.

3. Anlagen von 30 KVA bis 350 KVA
Dies sind vorwiegend kommerziell genutzte Anlagen auf Industriedächern, großen landwirtschaftlichen Gebäuden oder bereits Gewerbeflächen.
Gemäß den Regulativen des in Österreich verbindlichen TOR (Technische und Organisatorische Regeln für Betreiber und Benutzer von Netzen) muss hier unterschieden werden:
Meldung: Netzberechnung: Innerhalb von 14 Tagen muss der Netzbetreiber einen Zählpunkt bestimmen.
Anschlusskosten: Zu der pauschalierten Netzzutrittsgebühr von ca. 1.350 Euro kommen je nach Anlagesituation noch Kosten für den Ausbau des Mittel- oder Hochspannungsnetzes hinzu (Leitungen, Trafo, Umspannwerk, Adaptierungen). Es kann sein, dass die Umsetzung monatelang dauern kann, manchmal kann die Anlage dennoch gebaut werden und anfangs nur der Teil konsumiert wird, der ohnehin schon ins Netz eingespeist werden kann.

4. Anlagen von 350 KVA bis 1.000 KVA
Also Großanlagen auf Hallendächern oder Freiflächenanlagen. Sie müssen laut gesetzlicher Vorgaben der TOR in der Regel in das Mittelspannungsnetz eingeleitet werden.
Meldung an den Netzbetreiber: Innerhalb von 14 Tagen muss der Zählpunkt bewilligt werden.
Anschlusskosten können beträchtlich sein. Bis 400 KVA kann der Bau eines eigenen Trafos genügen, darüber hinaus sind Trafos und Adaptions-Arbeiten im Umspannwerk zu bezahlen.

Photovoltaik Feld Kleinengersdorf

 Die größeren Anlagen müssen auch oft Trafos und Zuleitungskosten zahlen.

5. Anlagen über 1.000 KVA
Bei diesen sehr großen Anlagen ist der Anschluss an das Umspannwerk jedenfalls erforderlich.
Nach der Meldung wird ein individueller Vertrag gemacht, denn muss innerhalb von 14 Tagen vom Netzwerkbetreiber ein Zählpunkt übermittelt werden. Die individuellen Kosten sind von der Lage und der Netzsituation abhängig. Zuleitungskosten und Trafos sind jedenfalls vom Betreiber zu bezahlen.

100.000 Euro pro Kilometer
Was sich in der Auflistung noch harmlos liest, kann bei näherer Betrachtung ein Hammer sein: Das Netz Niederösterreich verrechnet pro Kilometer rund 100.000 Euro.

Netz NÖ-Sprecher Stefan Zach: „Das kann zur Unwirtschaftlichkeit führen.“ Wenn beispielsweise eine 5 MW-Anlage vier Millionen Euro kostet, weil der Netzanschluss schon 1,2 Millionen Euro verschlingt, weil zum Beispiel das nächste Umspannwerk neun Kilometer entfernt ist, so rechnet sich die Investition kaum mehr.

Besser Energiegemeinschaften machen
Hier sei es nun laut Zach viel gescheiter, wenn man die Energiegemeinschaften ins Auge fasst, die nunmehr gesetzlich ermöglicht und auch definiert werden. Zach: „Wenn in einem nahen Gewerbepark eine Bäckerei oder ein Kühlhaus vorhanden ist oder wenn man eine Kläranlage einbezieht, so hat man einen großen Eigenbedarf und kann den Strom viel günstiger einkaufen).

„Absolut schikanös“
Ganz anderer Meinung ist Walter Eberl, ECO Solutions: „Es ist schikanös und kontraproduktiv, von den Ökostrom-Erzeugern separate Trafostationen und Zuleitungen bis zu Umspannwerken zu verlangen, welche ohne Abnehmer unnötig überdimensioniert neben bestehenden Ortsleitungen verlegt werden müssen.
Warum machen die Netzbetreiber als Monopolisten nicht den entsprechenden Ausbau ihrer regionalen und örtlichen Infrastruktur für Ökostrom?“

„Vollkommen intransparenter Netzausbau“
Ohnehin hätten die Netzbetreiber schon lange die Aufgabe gehabt, die Gebühren für die Ertüchtigung der Netze zu verwenden. Eberl: „Schließlich gibt es dafür schon jahrzehntelang vielfache Entgelte und Vergütungen, welche nur die Netzbetreiber bekommen. Außerdem gibt es entsprechende Ökostrombeiträge, Abgaben und Steuern der Verbraucher für die Förderungen. Die Gegenleistungen dafür sind vollkommen intransparent, insbesondere der Netzausbau und die unverhandelbaren Zugangsbedingungen auf allen Ebenen. Die dafür vorgeschobene e-control ist m.E. einseitig und machtpolitisch von EVU dominiert.“

 

Netzanschlusskosten eControl.

eControl-Webseite Technische und Organisatorische Regeln für Betreiber und Benutzer von Netzen (TOR)

 (hst)

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