Der österreichische Staatspreis für Architektur und Nachhaltigkeit zeigte, wie moderne Baukultur mit Energie-Effizienz verbunden werden kann. Einen Hauptpreis holte sich ein umgebauter Stall.

Ich war mal eine Scheune. Jetzt bin ich eine Denkwerkstatt und hab den Staatspreis für Architektur und Nachhaltigkeit gewonnen. Foto: klimaaktiv / Kurt Hoerbst

„Jaaa...!!!“ dürfte es gestern freudig in Hittisau in Vorarlberg durch den Ort geschallt haben. Denn die dort ansässige „Denkwerkschaft“, eine modernes Atelierhaus war ursprünglich mal ein Stall. Dort haben die Hildes und Heidis auch nachgedacht, wiederkäuend und gemächlich. Jetzt bemühen die Zweibeiner dort ihre Gehirne. Denn aus dem Stall seines Vaters hat der Architekt Georg Bechter ein Atelierhaus gemacht, hat sie eben „Denkwertstatt“ genannt und nun einen der vier Staatspreise für Architektur und Nachhaltigkeit gewonnen. In die Energie-Effizienz ist viel Gehirnschmalz geronnen. Erkennbar an einem Eisspeicher, der in die ehemalige Jauchengrube eingebaut wurde.

BETRIEBSGEBÄUDE DENKWERKSTÄTTE (UMBAU), HITTISAU
Bauherrschaft: Georg Bechter
Architektur: Georg Bechter Architektur + Design
Fachplanung: Gerhard Ritter (Haustechnik)

Architekt Georg Bechter hat den alten Kuhstall, den sein Vater errichtet hatte, saniert und als Büro und Leuchtenmanufaktur adaptiert. Das Gebäude wurde bis auf die Primärkonstruktion abgetragen, anschließend wurde der Holzbau mit regionalen und nachwachsenden Rohstoffen wie etwa Holz und Lehm neu verkleidet. Darüber hinaus dient das Haus als Schauraum und Experimentierlabor für die Produkte aus dem eigenen Portfolio. An der Südfassade wurde als Wärmepuffer ein verglastes Stiegenhaus errichtet. Zum umfassenden Energiekonzept zählen Wärmepumpe, Solarthermie, eine PV-Anlage sowie – eine Seltenheit im österreichischen Bauen – ein Eisspeicher, der in der ehemaligen Jauchegrube installiert wurde und mit Brunnenwasser gespeist wird.

Klimaministerin Leonore Gewessler konnte zwar nur virtuell eine Urkunde verteilen, freute sich aber umso mehr über die gelungene Sanierungsaufgabe. 

 „Ohne Technologie geht's nicht – aber Technologie ist nicht alles“ 
Klimaministerin Leonore Gewessler

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Das Besondere am Wiener Sanierungsprojekt ist sicherlich die ausgefuchste Erdwärmenutzung. Foto: klimaaktiv / Kurt Hoerbst

Raffinierte Sanierung in Wien als 2. Staatspreis 

Das 2. Staatspreisprojekt zeigte, wie man weg vom Gas kommen kann und Gemeinschaft verbinden kann. Angelika und Johannes Zeininger haben ein zukunftsträchtiges Projekt in Wien realisiert.

WOHNGEBÄUDE GEBLERGASSE (SANIERUNG), WIEN
Bauherrschaft: Angelika und Johannes Zeininger
Architektur: © zeininger architekten
Fachplanung: TB Käferhaus GmbH (Energieplanung + Techn. Gebäudeausrüstung); Hollinsky & Partner ZT-GmbH (Tragwerksplanung); Prause iC ZT-GmbH (Bauphysik); BCE Beyond Carbon Energy GmbH (Energie-Contracting)

Der Straßenblock im 17. Wiener Gemeindebezirk umfasst knapp 20 Parzellen und ist ein typisches Beispiel für die heterogene Verbauung im gründerzeitlichen Wien. Im Zuge einer umfassenden Sockelsanierung wurden die Häuser in der Geblergasse 11 und 13 erweitert, aufgestockt und haustechnisch von Grund auf erneuert. Erstmals in Österreich kam im historischen Bestandsbau Geothermie zum Einsatz. Die Erdwärme-Anlage lässt jederzeit einen Ausbau zu, sodass das technische Versorgungskonzept in Zukunft zu einem Anergienetz für den gesamten Straßenblock ausgebaut werden kann. Nicht zuletzt wurde das realisierte Forschungsprojekt mit Kastenfenstern und behutsamen Eingriffen auch architektonisch ansprechend gelöst.

 
Die Volksschule in Frastanz ist ebenfalls Staatspreisträgerin

Den Staatspreis für Bildungsbauten holte sich das Bildungszentrum Frastanz, weil der Umbau der Bestandsschule für die Jury sehr gelungen ist. Die Energiekennzahlen überzeugten ebenfalls.

Bildungszentrum Frastanz
Das Bildungszentrum hat seinen Platz in Frastanz gefunden – ohne aufdringlich zu wirken. Foto: klimaaktiv / Kurt Hoerbst

Bei der Preisverleihung kamen auch die mehr oder minder stark verwendeten Technologien zur Erreichung energieeffizienter Gebäude zur Sprache. „Ohne Technologie geht's nicht – aber Technologie ist nicht alles“ fasste Klimaministerin Leonore Gewessler ihre Meinung zusammen. Auch soziale Komponenten dürften nicht vergessen werden.

Bildungszentrum Frastanz Hofen (Sanierung und Zubau), Vorarlberg
Bauherrschaft: Marktgemeinde Frastanz
Architektur: Pedevilla Architects
Fachplanung: Spektrum Bauphysik und Bauökologie GmbH (Bauphysik); Planungsteam E-Plus GmbH (Haustechnik); elektrodesign Fröhle René (Elektroplanung); gbd ZT GmbH (Projektsteuerung); Albrecht Baumanagement GmbH (Örtliche Bauaufsicht)

Das bestehende Schulgebäude wurde erweitert, wobei Alt- und Neubau eine untrennbare Symbiose miteinander eingehen. Während die äußere Erscheinung in einem homogenen Schokoladeton eingefärbt ist, kommen im Innenraum teils geölte, teils unbehandelte Fichtenböden zum Einsatz. Mit viel Liebe zum Detail wurden Möbel, Raumöffnungen und Wegleitsystem gestaltet, wobei die charakteristische Giebelform des Hauses immer wieder als grafische Vorlage dient. Bei den Baustoffen wurden vor allem regionale Produkte wie etwa Kalkputz eingesetzt, hinzu kommt ein umfassendes Produkt- und Chemikalienmanagement. Zur technischen Versorgung zählen eine Fußbodenheizung sowie eine Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung.

Paracelsusbad siegte in der Kategorie Bestandsneubau 

„Das Salzburger Paracelsusbad ist ein ganz besonderer Ort“, sagte Jurymitglied Robert Lechner. Selbstbewusst, mitten im historischen Salzburg, hat das Architektenteam Berger+Parkkinen Architekten einen mutigen, eleganten, auffallenden und dabei enorm energieeffizienten Bau hingestellt.

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Wuchtig, auffällig, aber nicht großspurig – das Paracelsusbad in Salzburg ist auch noch enorm energie-effizient. Foto: klimaaktiv / Kurt Hoerbst

PARACELSUS BAD & KURHAUS (NEUBAU), SALZBURG
Bauherrschaft: Stadtgemeinde Salzburg / KKTB, abgewickelt durch die Stadt Salzburg Immobilien GmbH
Architektur: Berger+Parkkinen Architekten ZT GmbH
Fachplanung: Ingenieurbüro Rothbacher GmbH (Bauphysik); sv.pf engineering (Bäderplanung); idealice Landschaftsarchitektur ZT (Landschaftsarchitektur); BauCon ZT GmbH (Statik); Technisches Büro Herbst GmbH (Elektrotechnik); MDE metal design engineering GmbH (Fassadenkonsulent); Haustechnik Dick & Harner GmbH (HKLS)

Anstelle der alten, in die Jahre gekommenen Badeanstalt wurde ein kompakter, mehrgeschoßiger Neubau errichtet. Während die wertvollen Anteile an der Fassade mit Kur- und Baderäumen bestückt wurden, versteckt sich die umfangreiche Haustechnik im Gebäudeinneren. Besonders hohes Augenmerk wurde auf die hochwertige Materialität mit eigens angefertigten Keramikstäben gelegt. Das charakteristische Element ist nicht nur an der Fassade zu finden, sondern prägt auch die Schwimmhalle. Über die organisch geformte Decke und den Light-Dome über dem Pool wird der Schwimmbereich mit reichlich Tageslicht versorgt. Dank Fernwärme, Wärmepumpe, hauseigener Abwärme und Photovoltaik am Dach kommt der Sonderbau mit deutlich weniger Energie aus als vergleichbare Projekte in Österreich.

Katharina Bayer ist neue Vorsitzende der Staatspreisjury

Großes Lob für die Einreichungen kommt auch von Architektin Katharina Bayer, die seit heuer die neue Vorsitzende der internationalen Staatspreisjury ist: „Wir waren beeindruckt von der hohen Qualität und Fülle der Projekteinreichungen. Praktisch aus ganz Österreich und für jede Art von Gebäude bis hin zu ganzen Quartieren wurden tolle Projekte eingereicht, von denen wir die allerbesten für eine Nominierung ausgewählt haben.“

Die sechs-köpfige Jury ist gleichermaßen mit Expert:innen aus Architektur und Nachhaltigkeit besetzt. Beiden Gruppen stand  ein Vetorecht bei der Auswahl zu. Als Ausgangsbasis für die Nachhaltigkeitsbewertung werden dabei die strengen Anforderungen des klimaaktiv Gebäudestandards herangezogen.

Mehr Infos zum Staatspreis finden Sie hier.

(hst)

 

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