Die Frage, ob ein Objekt eher saniert, oder abgerissen werden soll, um Platz für einen Neubau zu schaffen, lässt sich nicht immer ansatzlos beantworten. 

Die Vorgaben von alten Gebäuden stehen oftmals im Widerspruch zu aktuellen Normen und Nutzergewohnheiten. So auch beim von Ronacher rennovierten Energie +Haus Weber. Foto: Hannes Pacheiner

Architekt DI Dr. Herwig Ronacher beherrscht beide Disziplinen und gewährt Einblick in diese oft knifflige Entscheidungsfindung.


Aus welchen Gründen entscheidet man sich, ein Objekt zu sanieren, anstatt zugunsten eines Neubaus abzureißen?
Architekt Herwig Ronacher: Am Beginn dieser Entscheidungsfindung steht immer ein Beratungs- und Diskussionsprozess mit dem Bauherrn. Die wichtigsten Fakten sind neben dem bautechnischen Zustand vor allem die architektonische Qualität des Bestands – und die Frage, ob der Bestandsbaukörper über eine positive „Ausstrahlung“, bzw. „Atmosphäre“ verfügt. Oft fällt die Wahl auf Spitzhacke und Abrissbirne, auch wenn damit wieder ein Stück Baugeschichte verloren geht.

Wer gibt also die entscheidenden Inputs?

Ronacher: In der Regel wird von unserer Seite, bzw. von Seiten des beratenden Architekten eine klare Aussage getätigt, ob eher eine Sanierung oder ein Abbruch empfohlen wird.

 

Je tiefer der Mensch in die Umweltkrise schlittert, desto schwerer wiegen die Argumente zur Erhaltung bestehender Baumassen.

Architekt Herwig Ronacher 

Welche Kriterien kommen also zum Tragen?
Ronacher: Neben der reinen Kosten-Nutzen-Rechnung, spielt auch die Frage nach dem ideellen Wert eines Bauwerks eine entscheidende Rolle. Einerseits gibt es ehrwürdige Gebäude, für deren Erhalt der historische Wert, die Bedeutung in einem Ensemble sowie die baubiologisch hochwertige Bauweise sprechen. Der Umbau und die Erweiterung solcher Substanz ermöglicht es, die Vorteile des Bestands mit jenen der zeitgemäßen Architektur zu verbinden. Auf der anderen Seite gibt es eine große Zahl an Bauten aus den vergangenen Jahrzenten, für deren Erhalt rein die Wirtschaftlichkeit spricht.  

Welche Herausforderungen tauchen für Architekten beim Sanieren eines Objekts auf?
Ronacher: Die größte Herausforderung für Umbauten, bzw. Sanierungen besteht darin, technische und ökonomische Lösungen zu finden und durch Planung, Ausschreibung und Begleitung die vorgegebenen Kosten einzuhalten. Dies ist bei einem Umbau in der Regel schwieriger als bei Neubauten. So genau man auch ein altes Haus vor Baubeginn analysiert, man ist nie vor Überraschungen gefeit.

Ist es schwieriger, ein altes Haus energieeffizient zu sanieren, anstatt ein neues Haus gleicher Größe energieeffizient zu planen?
Ronacher: Mit unserem Energie+Haus Weber* konnten wir zeigen, dass es möglich ist, selbst ein historisches, bzw. baukulturell wertvolles Bauernhaus auf höchstem Energieniveau zu sanieren. Die Kosten waren trotz der hochwertigen Revitalisierung immer noch geringer als ein Neubau. 

Durch eine klar abgesetzte Formensprache im Neubau, kann die architektonische Qualität des Altbaus unterstrichen und neu erlebbar gemacht werden.
Architekt Herwig Ronacher

Wo liegen in diesem Fall die entscheidenden bautechnischen Unterschiede?
Ronacher: Die Vorgaben von alten Gebäuden stehen oftmals im Widerspruch zu aktuellen Normen und Nutzergewohnheiten. So wurde etwa beim Energie +Haus Weber* das Erdgeschoßniveau um 70cm abgesenkt und drei Stuben zu einem großzügigen Wohnraum zusammengefasst. Wir wollten außerdem das schöne alte Bruchsteinmauerwerk freilegen und nutzen. Eine solche Wand ließe sich heute kaum noch unter wirtschaftlich vertretbaren Bedingungen herstellen.

Wie sieht die Energiebilanz von Sanierungen gegenüber einem Neubau aus?

Ronacher: Für einen Umbau ist nicht unbedingt mehr Energie- und Kostenaufwand notwendig, wohl aber ein deutlich höheres Maß an „Denkenergie“. Der für Architektenleistungen höhere Honorarsatz zur Planungs- und Bauleitung eines Umbaus (gegenüber Neubau) ist daher gerechtfertigt. Denn es erfordert wesentlich mehr Kreativität, Mühe und Zeit, einen Umbau fachgerecht zu begleiten.

Architekt DI Dr. Herwig Ronacher

  • geb. 1955 in Gmünd/Kärnten
  • Architekturstudium an der TU Wien
  • seit 1987 gemeinsames Architekturbüro mit DI Andrea Ronacher
  • zahlreiche Architekturpreise und -auszeichnungen
  • Buchautor

 

Portrait Herwig Ronacher: © Hannes Pacheiner

 

 



 

Leserbriefe, Anmerkungen, Kommentare bitte an redaktion(at)energie-bau.at

ebau newsletter