Unbehandelte, unverleimte Holzbalken und Lehmwände prägen einen Dachausbau in Wien-Fünfhaus. Für die Anwendung und Entwicklung neuer Möglichkeiten des ökologischen Bauens wurde Architekt Andreas Breuss mit dem Holzbaupreis wienwood 15 ausgezeichnet. Von Anton Sprenger
Der Verschnitt von Bodendielen und Wandtäfeln wurde teilweise zu Türen, Fronten und Verkleidungen verarbeitet. Bild: Astrid Bartl
Ein wichtiger Aspekt von Nachverdichtung ist die Nutzung von unausgebauten Dachräumen. Minderwertig ausgeführte, unökologische und ungesunde Bauprojekte zu überhöhten Preisen führen aber dabei leider sehr oft dazu, dass der ökologische Bonus der Verdichtung ruiniert wird.
Im Gegensatz dazu war das Ziel bei einem privaten Dachausbau in Wien-Fünfhaus, einen hohen ökologischen Wert und zugleich ein soziales und besonnenes Ausmaß im Verhältnis zur bestehenden Infrastruktur zu schaffen. Proportionen, Lichtführung und Konstruktionen wurden aus dem Altbestand heraus in ein neues Wohnumfeld transformiert und so geplant, dass sie den umliegenden Wohnungen in den Höfen wenig Qualität entziehen. Auch die Verwendung von körperverträglichen und natürlichen Baustoffen ist ein Faktor. Für dieses Dachausbauprojekt ist eine Bauweise entwickelt worden, die vorwiegend mit Holz und Lehm alle erforderlichen, bautechnischen Funktionen erfüllen kann. Dafür wurde das Projekt bei der Verleihung des Holzbaupreises wienwood 15 am 24. September ausgezeichnet.

Lehm kann mehr

Holz trägt und Lehm schützt, ist die simple Grundidee. „Lehm kann mehr als nur bloßes Gestaltungsmittel sein. Er ist ein intelligenter, vielseitig verwendbarer Baustoff, der bei Kenntnis seiner Eigenschaften und Möglichkeiten viele Funktionen übernehmen kann, wie zum Beispiel den luftdichten Gebäudeabschluss, die Wärmespeichermasse, die Feuchtigkeitsregulierung oder den Schall- und Brandschutz. Anforderungen, die üblicherweise mit künstlichen Baustoffen erfüllt werden müssen“, erläutert Architekt Andreas Breuss, der für die Planung dieses preisgekrönten Projektes verantwortlich zeichnet. Auch bei diesem Dachausbau konnte der Holzbau seine Vorzüge der Vorfertigung gegenüber dem klassischen Ausbau mit einer Stahlkonstruktion ausspielen. Dank der exakten Planung betrug die offene Bauzeit nur 15 Tage. Ein ökologischer Vorteil der kurzen Bauzeit war auch, dass auf bituminöse Schutzabdichtungen, die den Innenraum später mit Emissionen belasten würden, verzichtet werden konnte. Holzbau und Statik setzte bei diesem Projekt Holzbau Simlinger aus Eisengraberamt in Niederösterreich um.

Die Vorfertigung kann entweder mit Tafel­­­­­el­ementen oder mit im Abbund präzise geschnittenen und gefrästen Holzbauteilen erfolgen. In diesem Fall sind Einzelbauteile, die gegeneinander eingehängt und verschraubt werden, verwendet worden. Ein weiteres Ziel war, den Anteil von verleimten Holzwerkstoffen so gering wie möglich zu halten. Nur die primären Holzträger mit den Holzstützen entlang der Kaminmauer und die Wechselsparren sind Brettschichtholz-Elemente. Sie sind so dimensioniert, dass der erforderliche Brandschutz auch als Sichtbauteil gewährleistet ist. Die komplette sekundäre Holzkonstruktion – wie die Sparren – sind Konstruktionsvollholz, während notwendige Schalungen in einer massiven Rauschalung ausgeführt sind. „Bei diesem Projekt ist kein einziger Quadratmeter OSB-Platte verbaut. Dieser Werkstoff wird vielfach gedankenlos im Innenraum verwendet, obwohl er Isocyanate ausdünstet, die so gesundheitsschädlich sind wie Formaldehyd“, informiert Breuss.
Als Wärmedämmung kommen ausschließlich Holzfaserdämmplatten zum Einsatz. Zwischen den Sparren liefert die 28 cm starke Dämmung gegenüber herkömmlicher Mineralwolle einen ökologischen Vorteil und vor allem auch einen besseren Schutz gegen sommerliche Überhitzung und Schallimmissionen.

Das Ziel, den kompletten Dachausbau ausschließlich mit Holz und Lehm zu gestalten, wird auch im Innenraum weiterverfolgt. Alle Trennwände werden als Holzständerkons­truktionen mit Lehmausfachung beziehungsweise Lehmputz ausgeführt. Bei außenliegenden Wänden wurde der Lehmputz so adaptiert, dass er die luftdichte Ebene bilden kann. Alle Installationen und Schaltstellen sind in die inneren Trennwände verlegt. Gedämmt wird mit Holzfaserdämmstoffen; Schallentkoppelungen werden mit Filz statt Polystyrol ausgeführt.


Das Resultat ist letztendlich ein Wohnraum, der weitestgehend chemie- und emissionsfrei ist und durch die Verwendung unbehandelter Baustoffe hohe sinnliche Qualitäten hat. Bild: Astrid Bartl.

Estrich-Eigenentwicklung
Die Fußbodenheizung ist in einen für dieses Projekt von Architekt Breuss entwickelten „Lehmestrich“ gebettet, der zwischen Lagerhölzern eingebracht wird.
Dieser Prototyp eines ökologischen Estrichs bringt Vorteile in baubiologischer Hinsicht: Vermeidung von Betonbaustoffen und chemiegebundenen Materialien, wie sie etwa beim Verkleben des Holzbodens auf den Estrich verwendet werden. Der Holzboden kann chemiefrei auf Lagerhölzer geschraubt und später wiederverwendet oder verbrannt werden. Zudem erhält man einen feuchteregulierenden, diffusionsoffenen Boden, was bei Betonestrich nicht der Fall ist. Der Holzboden – Weißtanne-Dielen aus Vorarlberg – ist unbehandelt. Durch die sägeraue, leicht strukturierte Oberfläche sowie das Vermeiden von Öl, Wachs oder Lack fühlt sich der Boden angenehm warm an.
Auch das Badezimmer und die Dusche sind mit Holzdielen am Boden und an den Wänden ausgeführt. Die Bodenbretter werden als Wandverkleidung in der Dusche verwendet, durch eine geschickt angebrachte Hinterlüftung nimmt das Holz bei starkem Spritzwasseranfall keinen Schaden.
Der Innenraum besteht aus einer Mischung von Holz- und Lehmoberflächen. Sowohl Lehm als auch Holz bleiben roh und natürlich. Damit können beide Baustoffe ihre bauphysikalischen Stärken und haptischen Qualitäten ausspielen. „Bei diesem Bauprojekt fiel kein Verschnitt an. Reste von Bodendielen und Wandtäfer wurden zu Türen, Fronten und Verkleidungen“, freut sich Breuss.

Wie geht es weiter?
Architekt Breuss stieg bereits bei einem Projekt in Mitterretzbach 2005 in die Materie der Lehmbauweise ein. Seine Überzeugung ist, dass Lehm für den Brand- und Schallschutz sowie die Herstellung einer luftdichten Ebene ebenso geeignet ist wie herkömmliche Baumaterialien. Das führte zu einem Forschungsprojekt, welches im Frühjahr abgeschlossen werden wird. Es geht darum, Nachweise für eine Standardisierung von Lehm- und Holzverbindungen in Wand- und Bodenaufbauten zu erbringen. „Um Lehm in der Zukunft auch im öffentlichen Wohnbau einsetzen zu können, bedarf es mehr, als nur seine ökologische Materialqualität etwa mittels Ökoindex 3 (OI3) zu beweisen“, sagt Breuss. Mit seiner Philosophie „Natürliche Materialien“ im Wohn- und Objektbau zu forcieren, war Breuss gemeinsam mit Dietrich Untertrifaller Architekten unter anderem vor Kurzem bei der Ausschreibung für die Neugestaltung der Rudolf Steiner Schule in Wien Mauer“ erfolgreich. Auch hier haben seine Konzepte mit der vorgefertigten Holzbauweise und Lehm überzeugt.    

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